Unter den Glockenschlägen der Rathausuhr und begleitet von Stakkato-Trommelschlägen uniformierter Pagen ist am Sonntagmorgen einmal mehr das historische Standartenfest auf Mallorca vollzogen worden. Das archaische Ritual erinnert an die Eroberung der Insel durch den aragonesischen König Jaume I. Im Jahre 1229. Zur 800-Jahr-Feier des Anlasses fehlt nur noch ein halbes Jahrzehnt.
Am 31. Dezember jenes besagten Jahres hatten die Truppen des „Erobererkönigs“, so sein Beiname, nach einem Vierteljahr Belagerung die damalige maurische Hauptstadt gestürmt und die letzten Verteidiger niedergemetzelt. Die ausgehungerten Eroberer richteten unter der besiegten Bevölkerung ein Blutbad an, wie maurische Chroniken festgehalten haben. Wer nicht getötet wurde, fand sich als Sklave wieder. Mit der Eroberung der Insel begann ihre Wiederbesiedlung durch Landwirte, Handwerker und Vasallen, zumeist aus den katalanischen Regionen des Königreiches. Neben Palma, damals das maurische Medina Mayurka, eroberte Jaume I. während seiner Herrschaft auch Murcia und Valencia auf dem Festland.
Auf der Insel endet damit die rund 300-jährige islamisch-maurische Dominanz. Es begann die Geschichte des christlichen Königreichs von Mallorca. Die Wiedereroberung der Insel war eine der herausragenden Etappen der Reconquista in Spanien seit dem Überfall der Araberheere im Jahre 711 und damit eine Etappe auf dem Weg der vollständigen Wiedererlangung der Iberischen Halbinsel, die 1492 mit der Eroberung von Granada abgeschlossen wurde.
Das Standartenfest in Palma ist eines der ältesten Erinnerungsrituale in Spanien. Um Punkt 10 Uhr wird der Mast mit der königlichen Fahne aus dem Rathaus getragen und vor dem Gemälde, das König Jaume an der Fassade des historischen Gebäudes zeigt, aufgestellt. Sobald die Gelb-Roten Farben des Erobererkönigs auf dem Kopfsteinpflaster des Platzes in der Morgenluft wehten, brandete der Applaus der Besucher auf. Berittene Polizei sorgte für ein Ambiente aus Macht und Historie. Die Stadtkapelle intonierte heroisch anmutende Märsche und Weisen. Anschließend begab sich die Delegation der Ratsherren (und -damen) zu Fuß zum Gottesdienst in die wenige Gehminuten entfernte Kathedrale.
Das historische Datum ist jedes Jahr ein delikater Zeitpunkt auf Mallorca: Zum einen ist es der offizielle Gedenkmoment der Behörden und Institution, zum anderen fordern Separatisten und sogenannten "Souveränisten" (Soberanistas) ein von Spanien unabhängiges Mallorca, das sich mit den katalanischsprachigen Regionen auf dem Festland vereinen sollte. Die Soberanistas veranstalteten dazu bereits am Vorabend eine Demonstration in der Innenstadt, an der rund 1400 Menschen teilnahmen.
Ebenfalls am Samstagabend fand die Kranzniederlegung durch öffentliche und private Organisation zu Ehren König Jaume I. statt. Normalerweise ist dafür als Ort das Reiterstandbild des Monarchen auf der Plaza de España vorgesehen. Aufgrund der derzeitigen Bauarbeiten dort fand der Festakt in diesem Jahr deshalb ebenfalls vor dem Rathaus statt. Wieder begleitet von Trommlern und der Stadtkapelle legten etwa die Seniorenvereinigung der Insel, der Jugendverband, Anwohnerorganisationen und die Ratsherren selbst Blumensträuße oder Gedenkkränze auf die Sitzbalustrade des Gebäudes vor dem Bildnis des Königs ab. Der diesjährige Festakt dort verlief ohne besondere Vorkommnisse.
In seiner Rede am Samstagabend erinnerte Bürgermeister Jaima Martínez daran, dass Jaume I., als er nach Palma kam, eine moderne, imposante Stadt vorfand. "Und er sagte, es sei die schönste Stadt, die er je gesehen habe. Nun, das ist es, woran wir auch heute sind: Ein modernes Palma".