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Politik

Krach zwischen Prohens und Sánchez: Streit um Tourismus eskaliert

Der politische Sommergipfel zwischen Spaniens Ministerpräsident und der balearischen Regierungschefin hat mehr Spannungen als Einigkeit gebracht

Kalte Atmosphäre beim Treffen zwischen Ministerpräsident Pedro Sánchez und Mallorcas Ministerpräsidentin Marga Prohens | Foto: P. Pellicer

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Der politische Sommergipfel zwischen Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez (Sozialisten) und der balearischen Ministerpräsidentin Marga Prohens (konservative Volkspartei PP) hat mehr Spannungen als Einigkeit gebracht. Im Mittelpunkt: der eskalierende Konflikt über die Aufnahme minderjähriger Migranten, die Tourismusstrategie und die politische Verantwortung für die Folgen von Massentourismus und irregulärer Migration.

Bereits vor dem Treffen hatte Prohens klar gemacht, dass sie die geplante Verteilung minderjähriger Migranten aus anderen Regionen – insbesondere von den Kanaren – ablehnt. Nach dem Gespräch verschärfte sie ihre Kritik: "Ich flehe die spanische Regierung an, alle möglichen Mittel einzusetzen, damit die Balearen nicht zu den neuen Kanaren werden", sagte sie in einer eindringlichen Warnung.

Dramatische Zahlen, wenig Spielraum

Prohens verwies auf aktuelle Zahlen der Guardia Civil, wonach im Zeitraum von Mai bis Mitte Juli rund 2061 Migranten über die sogenannte "Algerien-Route" auf die Balearen kamen – mehr als doppelt so viele wie auf die Kanaren im selben Zeitraum (916). Seit Jahresbeginn seien bereits über 3400 Menschen irregulär angekommen. "Wenn das so weitergeht, könnten wir am Jahresende die Marke von 12.000 erreichen – das wäre ein historischer Höchststand", so die Präsidentin.

Die Aufnahme zusätzlicher Minderjähriger aus anderen Regionen sei unter diesen Umständen "nicht machbar". "Die Inselräte finden weder geeignete Unterkünfte noch ausreichend Fachpersonal", warnte Prohens – und sprach sogar von der Gefahr, "Kinder in Notunterkünften oder Zelten unterbringen zu müssen".

Sánchez bleibt hart – "Das Gesetz ist klar"

Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez hingegen blieb bei seiner Linie: Die Reform des Ausländergesetzes sehe eine solidarische Verteilung vor – und sei bindend. "Das Gesetz ist einzuhalten", betonte der Ministerpräsident. Regionale Regierungen, die sich dem widersetzen, müssten mit Konsequenzen rechnen – welche genau, ließ er offen.

Gleichzeitig versprach er, sich auf diplomatischer Ebene verstärkt dafür einzusetzen, die Migrationsströme aus Herkunfts- und Transitländern einzudämmen. Dies sei ein persönliches Versprechen an die balearische Präsidentin, betonte Sánchez. Doch Prohens forderte mehr: mehr Ressourcen für die Sicherheitskräfte, eine personell besser ausgestattete Ausländerbehörde und ein energisches Vorgehen gegen Schlepperbanden. "Wir haben ein System, das am Limit arbeitet – mit einem Schwarzmarkt für Behördentermine und zu wenig Mitteln für Integration."

Unstimmigkeiten auch beim Tourismus – wer sagt die Wahrheit?

Auch beim zweiten großen Thema des Treffens – der Zukunft des Tourismus – krachte es zwischen dem Consolat (Staatskanzlei der Ministerpräsidentin auf Mallorca) und Moncloa (Regierungspalast in Madrid). Prohens erklärte, Sánchez habe sich offen gezeigt für eine Öffnung zu asiatischen Quellmärkten, etwa nach seiner Reise nach China und Vietnam. "Er hat uns ermutigt, Teil dieser Strategie zu werden", sagte Prohens – allerdings mit dem Hinweis, dass jede Marktoffensive in eine Strategie der Begrenzung und Nachhaltigkeit eingebettet sein müsse.

Doch aus dem Umfeld des Ministerpräsidenten kam prompt ein Dementi: Sánchez habe nicht zu asiatischen Märkten geraten, sondern lediglich auf bekannte Leitlinien wie Diversifizierung und Saisonalitätsabbau verwiesen. Vielmehr habe er negative Begleiterscheinungen des Tourismus wie Wohnraummangel betont und Prohens erneut aufgefordert, die staatliche Wohnungsmarktgesetzgebung umzusetzen – samt Mietpreisdeckel. Doch auch hier geht die Version der Balearenregierung diametral auseinander: Vom Wohnungsmarkt sei gar nicht die Rede gewesen.

"Sánchez hat eine andere Unterhaltung erfunden", hieß es aus Palma. Ein diplomatisches Wortgefecht, das deutlich macht: Die Gräben zwischen Madrid und Palma sind tief – besonders bei Themen, die die Inselbewohner am stärksten betreffen.

Flughäfen als Symbol für "verlorene Kontrolle"

Schließlich brachte Prohens erneut das Thema Mitbestimmung bei den Flughäfen auf den Tisch – ein Dauerbrenner im Zusammenhang mit der Diskussion über Massentourismus. Derzeit fehle den Balearen jeder direkte Einfluss auf das Passagieraufkommen, das fast ausschließlich über den nationalen Flughafenbetreiber Aena gesteuert wird. Sánchez zeigte sich lediglich bereit, die Arbeit eines bestehenden Koordinierungsgremiums zu "überprüfen". Für Prohens zu wenig: "Der Flughafen ist das Tor zu unseren Inseln – wir brauchen Mitspracherecht, keine Alibi-Kommunikation."

Fazit: Fronten verhärtet, Lösungen offen

Was als traditionelles Sommergespräch begann, endete in einem politischen Schlagabtausch mit offenem Ausgang. Der Druck auf beide Seiten wächst: Während die Zentralregierung auf rechtlicher Verpflichtung pocht, sieht sich die Balearenregierung am Rande der Belastbarkeit – sowohl im Bereich Migration als auch in der Tourismussteuerung. Die kommenden Monate werden zeigen, ob sich aus den Spannungen konkrete Lösungen entwickeln – oder ob sich Madrid und Palma weiter in gegenseitigen Schuldzuweisungen verlieren.

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