An keinem Ort ist der Herzschlag der hispanischen Weltstadt intensiver zu spüren als hier: Willkommen auf der Puerta del Sol, dem innersten Zentrum von Madrid. Hier steht nicht nur die Statue mit dem Bären, der sich auf die Hinterbeine stellt, um von den reifen Früchten des Erdbeerbaumes zu naschen, und der so zum Wappentier und Wahrzeichen der 3,3-Millionenstadt wurde. Hier, auf dem Platz des ehemaligen Südtores, befindet sich auch der Null-Kilometer-Punkt, von dem aus alle Landstraßen auf der Iberischen Halbinsel vermessen und landesweit angezeigt werden.
Und somit liegt ein Hauch von großer, weiter Welt über der Plaza Puerta del Sol. Doch wer, insbesondere aus Mallorca, im Glanze dieses globalen Gefühls über das historische Pflaster flaniert, trifft ungeahnt auf markante Vertreter seiner Inselheimat: Direkt im Winkel zweier Straßen ist die Ladenfront der Konditorei „La Mallorquina” auszumachen. In rosaroter Signalfarbe und einer stilisierten Zeichnung macht das Geschäft dort auf sich aufmerksam. Und das nicht erst seit den globalisierten Zeiten der heutigen Welt, sondern bereits seit 1894 (also exakt vier Jahre bevor Spanien nach kurzem Krieg mit den USA seine letzten überseeischen Kolonialgebiete in der Karibik und auf den Philippinen einbüßen sollte).
Direkter am Puls der Metropole kann demnach „La Mallorquina”, die Mallorquinerin, gar nicht liegen. Sie bietet Süßes aus allerlei Teigen und Zutaten. Doch ihre lange Abwesenheit von der Insel hat offenbar Spuren hinterlassen: Die traditionellen Ensaïmadas des Betriebs für 3,40 Euro für zwei Stück kommen gar nicht so spiral- und schneckenförmig daher, wie man es auf dem Eiland selbst gewohnt ist. Stattdessen gebärdet sich das Gebäck ungelenk wulstig in der Fremde, beziehungsweise leicht verfremdet, aber es ist mindestens genauso lecker anzuschauen wie die anderen Törtchen und Küchlein der Mehl- und Zuckermanufaktur.
Und wandert der neugierige Madridbesucher durch die vornehmsten Winkel der Weltstadt, dann stößt er gänzlich unerwartet auf weitere Zeugnisse der mallorquinischen Insularität, und dies mitunter an prominentester Stelle, etwa zwischen dem Paseo del Prado, unweit des namensgebenden Prado-Museums, und dem beliebten Retiro-Park: In Nachbarschaft mit dem Nationalmonument für die Gefallen des Aufstandes gegen Napoleon am 2. Mai 1808 und direkt gegenüber der Madrider Börse befindet sich die Niederlassung der Banca March, dem mallorquinischsten aller Geldhäuser. Und nach wem bitte ist die dortige, gediegene Allee benannt? Antonio Maura! Der einzige Mallorquiner, der es zum spanischen Ministerpräsidenten brachte, zuletzt von 1921 bis 1922. Lang, lang ist’s her!
Mallorca zeigt Flagge in Madrid – wenn auch mit diskretem Understatement, exklusiv und edel. Etwa im architektonischen Wahrzeichen der Stadt, dem seit 1953 in die Höhe ragenden Edificio España, an der Plaza de – na, wie wohl? – España.
Das 30-Stockwerke-Gebäude beheimatet seit zwei Jahren in seinen obersten Etagen den Luxusübernachtungsbetrieb der mallorquinischen Hotelkette Riu. Der Blick von dem dortigen Rooftop-Restaurant reicht so weit in die Ferne, dass man, gänzlich entrückt, von dort gefühlt bis nach Mallorca Ausschau halten könnte ...