Am 20. November 1975 starb Spaniens Diktator Francisco Franco. In derselben Nacht vor 50 Jahren wurden in Valdepeñas und Soria zwei Babys geboren. Ihre Geburtstage markieren Wendepunkte der Zeitgeschichte: Mit zwei erlebten sie die ersten Wahlen, mit fünf den Putschversuch vom 23. Februar 1981, mit 18 durften sie erstmals wählen. Die Doku "Das Erbe des Diktators – 50 Jahre Demokratie in Spanien" von Pedro Barbadillo und Cosima Dannoritzer verknüpft ihre Lebensgeschichten mit den großen politischen Ereignissen des Landes. Arte zeigt den Film am Dienstag, 11. November, um 22 Uhr.
Barbadillo, 1956 in Sevilla geboren, lebt auf Mallorca und war von 2010 bis 2012 sowie von 2016 bis 2025 Leiter der Mallorca Film Commission. Die Zusammenarbeit mit Dannoritzer kam über eine Hamburger Produktionsfirma und eine katalanische Koproduktion zustande. „Cosima und ich haben Regie und Drehbuch geteilt, die Zusammenarbeit lief hervorragend“, sagt Barbadillo. „Sie hat den Blick fürs deutsche Publikum, ich bringe die spanischen Inhalte ein.”
Der Film zeigt, was von der Franco-Diktatur blieb, und fragt, welches Erbe die Demokratie nicht bewältigen konnte oder wollte. Ein zentrales Thema ist die historische Erinnerung. „In Deutschland wäre es unvorstellbar, dass die Massengräber der vom Faschismus Ermordeten noch immer nicht geöffnet sind”, erklärt Barbadillo.
Doku setzt auf prominente Zeitzeugen
Die Dokumentation setzt auf prominente Zeitzeugen. Richter Baltasar Garzón spricht über das Baskenland, Korruption und seine Verfahren. Emilio Silva, Gründer der Vereinigung für historische Erinnerung, berichtet über die Toten des Bürgerkriegs und der Zeit danach.
Ergänzt wird das Material durch persönliche Aufnahmen der beiden Protagonisten und seltenes Archivmaterial der ARD aus der Zeit der „Transición”, wie der Übergang von der Franco-Diktatur zur Demokratie in Spanien heißt. Barbadillo arbeitete damals mit dem ARD-Korrespondenten Horst Hano in Madrid. „Wir haben Bilder, die kein anderer Sender hatte”, sagt er. „Die Kämpfe der Landarbeiter, Dinge, die verfolgt wurden und die das spanische Fernsehen nicht filmte.”
Ein Kapitel beleuchtet den Terrorismus und den „schmutzigen Krieg” gegen die ETA, bei dem paramilitärische Kräfte illegal gegen die baskische Terrororganisation vorgingen und Menschenrechte verletzten. Ein anderes widmet sich dem Wiedererstarken der extremen Rechten mit der Partei Vox. „Das ist ein politisches Erbe des Franquismus”, sagt Barbadillo. Diese Entwicklung sei ein Rückschritt, weil das Erbe nicht aufgearbeitet wurde. „Die Transición fand statt, ohne Richter, Polizisten oder Militärs auszutauschen”, erklärt der Filmemacher. Der gesamte Machtapparat des Franquismus habe die ersten Jahre der Demokratie geprägt – mit weitreichenden Folgen.
Der "schmutzige Krieg"
Als Beispiel nennt Barbadillo den „schmutzigen Krieg” zwischen 1983 und 1985, für den die sozialistische Regierung unter Felipe González verantwortlich gemacht wurde: „Das waren Polizisten, Militärs und Guardia Civil, die in der franquistischen Repression ausgebildet wurden und einfach weitermachten, was sie zuvor getan hatten. “
Auch der Fall Baltasar Garzón belegt dies: Der Richter wollte ein Verfahren gegen die Diktatur eröffnen und wurde daraufhin aus dem Amt entfernt. „In Deutschland wäre es heute undenkbar, dass ein Richter, der die Verbrechen des Nationalsozialismus untersucht, aus der Justiz geworfen wird, damit er nicht weitermacht.”
Viele Wirtschaftsgrößen des Franquismus wurden zudem zu führenden Unternehmern der demokratischen Wirtschaft. „In Spanien hat man die Arbeit nicht geleistet, die Deutschland geleistet hat”, so Barbadillo. Doch auch in Deutschland und anderswo in Europa erstarkt die extreme Rechte. Schützt Erinnerungsarbeit also nicht vor Rückschritten? „Es scheint, als löse die Erinnerung die großen Grundtendenzen nicht auf”, sagt Barbadillo. „Wir erinnern uns an den Zweiten Weltkrieg, die Vernichtungslager, den Faschismus. Und trotzdem schaffen wir es nicht, das aufzuhalten.”
Der Film, eine Produktion der Vincent Productions, entstand im Auftrag von Radio Bremen und Arte. Er wird am 11. November auf Deutsch ausgestrahlt und ist danach in der Mediathek abrufbar. Barbadillo ist besonders gespannt auf die Reaktionen auf eine spätere spanische Version mit Untertiteln: „Es wird sicher Menschen geben, denen unser Film nicht gefällt.”