Radfahrer brauchen vor allem zwei Dinge: gutes Wetter und gute Straßen. Ersteres bietet Mallorca auch im Frühjahr und Herbst, dem Höhepunkt der Radsportsaison, meistens. Zweiteres ist auf 1250 Kilometern Landstraßen, von denen 675 Kilometer Wege und Nebenstraßen sind, nicht immer gegeben.
Marcel Iseli hat sich mit einigen Helfern schon mehrmals selbst aufgemacht, um einige besonders große Schlaglöcher zu stopfen. Die neuralgischen Punkte liegen auf den beliebtesten Strecken: der Camí Vell de Muro, die Strecke Campanet-Sa Pobla oder die Strecke von Sa Pobla zur Playa de Muro, wo der Radstreifen fehlt. "Wir haben regelmäßig Eingaben gemacht", sagt Iseli.
Immerhin sieht er Fortschritte: "Die Strecke nach Pollença wird jetzt zwei Monate früher als vorher gereinigt, wegen der Radsportler", sagt er. Der 56-jährige Schweizer ist beim größten Radreiseanbieter der Insel, Bicycle Holidays Max Hürzeler, für das operative Geschäft und die sportliche Leitung zuständig und ein erklärter Mallorca-Fan. Allerdings würde sich der Radtouristiker mehr Kooperation zwischen Veranstaltern und Behörden wünschen.
Erst im Herbst vergangenen Jahres gab es zum ersten Mal in 26 Jahren, die Hürzeler auf Mallorca aktiv ist, ein Treffen mit der Gemeinde Muro und Vertretern der Landesregierung. Dabei ist die Wirtschaftskraft des Radsektors enorm. Die Schätzungen belaufen sich auf zwischen 88.500 (Studie der balearischen Handelskammer aus dem Jahr 2008) und mehr als 100.000 Radurlauber jährlich.
Letztere Zahl nennt Marcel Iseli, der zudem von etwa 60 Anbietern auf der Insel ausgeht. Die überwiegend gut situierten Radreisenden geben laut einer Studie der balearischen Handelskammer pro Tag 80 Euro aus. Macht bei einer Verweildauer von zehn Tagen 80 Millionen Euro.
Allein Hürzeler bringt jährlich nach eigenen Angaben rund 35.000 Radsportler auf die Insel, den Großteil davon an die Playa de Muro. "Derzeit haben wir 3000 Gäste pro Woche, in der kommenden Woche sind es 4500", sagt Iseli. Zur neuen Saison habe man jetzt zwei Stationen auf 300 Metern an der Playa de Muro aufgebaut, um die Abfahrtzeiten noch zu beschleunigen.
Der Marktführer auf Mallorca verfügt derzeit inselweit über 5000 Mieträder. Nur noch Spitzensportler oder Individualisten bringen ihre Fahrräder mit, geschuldet den steigenden Preisen für Sperrgepäck bei Flügen und der hohen Qualität des Angebots vor Ort. "Die meisten haben keine so guten Räder zu Hause", sagt Iseli.
Auf hochwertige Räder setzt auch Philipp's Bike Team in Santa Ponça. Im Schnitt 160 Fahrer pro Woche machen dort Station. "95 Prozent unserer Gäste fahren in der Gruppe", sagt Beat Gfeller, der seit der Gründung vor knapp 20 Jahren dabei ist. Ein Guide garantiere dabei für die Sicherheit. "Die Gruppe fährt zum Beispiel immer geschlossen in den Kreisverkehr", erklärt Gfeller.
Was den Erfolg ausmache? "Das Hotel ist heute nicht mehr so wichtig", meint er. Wichtiger sei die Qualität der Mietfahrräder und die Betreuung. Seine Gruppen sind nach sportlichem Profil aufgeteilt, von "Genussfahrern" bis zu "Kilometerhaien". Außerdem setze man auf eine familiäre Atmosphäre.
Im Gegensatz zu Iseli sieht Gfeller auf Mallorca mittlerweile eine gewisse Sättigung. Andere Destinationen würden nachziehen, wie das spanische Festland oder das ehemalige Jugoslawien. "Der Markt hat sich mehr verteilt." Auf Mallorca lobt Gfeller das Straßennetz und die Beschilderung, allerdings mahnt er eine bessere Säuberung an. "Wenn Äste in die Straße hängen können wir nicht rechts fahren und gefährden den Verkehr", sagt Gfeller.
Der Fahrradboom geht trotzdem weiter. Der Robinson Club in Cala Serena hat in diesem Jahr die Bikestation erweitert: Mehr als 100 Räder stehen dort zur Ausleihe bereit, im Oktober wird Radlegende Erik Zabel gemeinsam mit dem Top-Sprinter des Lotto Bellisol-Teams, André Greipel, eine Radwoche anbieten. Der Markt gibt es wohl her. "Ein Ende der Fahnenstange sehe ich noch nicht", sagt Marcel Iseli.