Gut 15 km/h. Jetzt bloß nicht zu fest zudrücken. Jeder kleine Impuls vom Zeigefinger am walnussgroßen Hebel schießt das Board noch schneller über die rauen Wellen. 20 km/h. Ein kleines bisschen noch, damit mehr Schub kommt und die wackeligen Knie auf dem Board wieder Halt haben. 30 km/h. Der linke Fuß rutscht nach vorne aufs Brett, Kopf und Rücken richten sich auf, jetzt peitscht das salzige Wasser gegen Stirn, Mund und Wangen. Die linke Hand klammert am Griff des langen Kabels, der einzige feste Halt in diesem Moment. Bloß nicht die Kontrolle verlieren. Jeder Muskel ist angespannt und wartet auf seinen großen Moment, während Dopamin und Adrenalin im Blutkreislauf um die Wette schwimmen. 50 km/h – aber nur kurz. Die erste große Welle rammt das Board an der rechten Seite, springen ist zu spät.
Fabian Renner ist der Erste, der an diesem Samstag im Juni das neue elektrisch betriebene Jetboard testen darf. „Was würde es mich kosten, wenn ich das Teil kaputt mache?“, fragt der Social Media Manager aus Roth. „Das wären dann 18.000 Euro“, antwortet Jördis Schneider, mit einem schelmischen Grinsen. „Oh, dann passe ich lieber auf“, lacht der 24-Jährige, zupft seinen dezent zu engen Neoprenanzug zurecht und schiebt das 30 Kilogramm schwere Wassersportgerät ins Meer. Die Sonne brennt, trotzdem ist das Wasser am Strand von Camp de Mar, im Südwesten von Mallorca, mit knapp 18 Grad noch zu kalt, um ohne die zweite Haut aus Neopren ins Meer zu springen. „Das ist der perfekte Strand, um mit dem Loawai E-Jetboard ins Wasser zu gehen. Das Meer fällt flach ab und vor der Bucht haben wir ausreichend Platz“, so Schneider.
Die blonde Berlinerin lebt seit sechs Jahren auf Mallorca, seit einigen Monaten ist sie Balearen-Managerin beim Unternehmen E-Fun Europe, ein internationaler Vertrieb von Wassersportgeräten. Das neue Elektro-Jetboard darf in diesem Jahr zum ersten Mal ins mallorquinische Mittelmeer, seit April finden Testfahrten statt.
Fabian Renner macht bereits seine zweite Probestunde auf dem Board. Der dunkelblonde Mann hat mit seinen 1,83 Metern Körpergröße und den 77 Kilogramm die optimale athletische Statur, um mit Höchstgeschwindigkeit über das Meer zu rauschen. Das Loawai E-Jetboard ist das stärkste seiner Art: bis zu 60 Kilometer pro Stunde reißt das Brett die Wellen, und mit elf Kilowatt hat es genügend Power, um ein weiteres Spielzeug über das cyanblaue Wasser zu schleifen. Ein anderes Modell, das Loawai Wake, schießt mit starken 19 Kilowatt durch die Bucht. Später am Tag zieht das E-Jetboard ein kreischendes junges Mädchen auf einem knallgelben Schwimmkissen hinter sich her. Die Badegäste am Strand werden amüsiert das Smartphone zucken.
Renner hat einige Freunde mobilisiert, die sich auf dem zwei Meter langen Wassersportgerät probieren möchten. „Ich hab’ das schon einmal gemacht und bin großer Fan, das Teil hat echt viel Power. Aber ja, ich habe immer noch Respekt davor!“, lacht der sportliche Typ. Die Gruppe steht knietief im Wasser, während die Expertin die Sicherheitshinweise referiert. Auf dem Board liegt der Steuerstrang, bestehend aus einem Stahlseil und der Elektronik, verpackt in einem schwarzen Gummikabel. Dieses Kabel ist mit einem Ende am Board fixiert, am anderen Ende ist der Joystick. Damit gibt der Sportler Gas und hält sich somit gleichzeitig am Board fest. Gelenkt wird wie beim Surfen mit Verlagerung des Körpergewichts. „Gebt nicht gleich zu viel Gas, sonst fliegt ihr runter. Das Teil kommt in 3,3 Sekunden auf 50 km/h“, sagt Schneider. Zwei aus der Gruppe schauen sich mit mulmigem Gefühl an, lassen aber erleichtert die Schultern sinken, als Schwimmwesten verteilt werden.
Das Board hat einen elektrischen Jetantrieb, zwei Autobatterien große Lithium-Akkus sorgen für ausreichend Schub. Am unteren Teil des Boards befindet sich eine Öffnung, durch die Wasser angesaugt wird, die Schraube am Heck stößt es wieder aus.
45 Minuten Spaß auf dem Wasser versprechen die Akkus, mit einem Schnellladegerät sind die Batterien innerhalb von eineinhalb Stunden wieder bereit. Jördis Schneider hat für die sechsköpfige Gruppe gleich zwei E-Jetboards mitgebracht: „So können wir theoretisch ununterbrochen fahren“, sagt die gelernte Skipperin.
Renner ist der Erste. Auffällig unaufgeregt schmeißt er sich bäuchlings auf das Brett, gibt Gas und fährt aus der Bucht ins offene Meer. Etwas mehr Gas noch, dann rutscht er auf die Knie. Bei halber Power stellt er sich rasch auf und ist vom Strand aus kaum noch zu sehen, aber kurz zu hören: Nach rund fünf Minuten klatscht es laut und das Board treibt einsam auf dem Wasser. Schneider klärt auf: „Die Geräte haben ein Sicherheitskabel, das an deinem Handgelenk befestigt ist. Sobald du herunterfällst, löst sich ein Magnet vom Brett und das Board hält sofort an.“ Gut zu wissen.
Erstaunte Blicke und ein wenig Applaus kommt von den Menschen, die auf ihren schneeweißen Yachten den jungen Mann im Meer beobachten. Renner ist seit 20 Minuten auf dem Wasser und fährt winkend Kurven um die teuren Schiffe. Jetzt ist der Nächste dran. Wer schon einmal Surfen war, das Stand-Up-Paddeln beherrscht, oder allgemein Board-Erfahrung hat, kontrolliert das E-Jetboard relativ fix, alle anderen werden an diesem Tag nicht sehr lange mit beiden Beinen auf dem Brett stehen. „Manche haben auch einfach Talent und das Board schnell im Griff. Wer etwas länger braucht, kann auch eine Trainingsstunde mit mir buchen“, lächelt die Expertin zwinkernd in die Gruppe.
Zwischen 18.000 und 25.000 Euro kostet ein E-Jetboard im Kauf, die Probestunde in der Nebensaison 99 Euro. Ein Führerschein ist nicht notwendig. „Jeder kann zu uns zum Meet&Greet kommen und das Gerät testen. Wir kommen aber auch zur Bucht oder zur Yacht“, sagt Schneider. Während andere Frauen ein Paar Ersatzschuhe im Auto haben, fährt die zweifache Mutter immer ein Board, Akkus und Neoprenanzüge mit sich rum. Diese „Flying Base“ kooperiert mit verschiedenen Hotels, Tauchschulen und mit einigen Restaurants auf der Insel, wie dem Campino in Camp de Mar. In der Nähe hat die 40-Jährige ein Lager, wo die Akkus laden: „Außerdem ist der Strand nur wenige Meter entfernt.“
Und? Wie war’s? Fabian Renner hechelt: „Ich find’s großartig!“. Obgleich der Wahlmallorquiner gar keine Board-Erfahrung hat, macht er auf dem Loawai eine gute Figur. „Das ist alles Kopfsache. Man darf keine Angst haben! Einfach Gas geben, Aufstehen und den Kopf ausschalten, dann fährt das Teil wie von alleine.“ Der Rest der Gruppe verdreht die Augen, nickt ihm dann aber doch zustimmend zu.
Fazit: Schmerzende Muskeln, ultimativer Erschöpfungszustand und zufriedene Gesichter, auf denen rote Wangen glühen. Sicherheit geht vor – an die Sonnencreme muss aber jeder selber denken.