Nicht viele Leute wagen es, mitten in der Krise ihre gut laufende Firma dichtzumachen und sich etwas ganz anderem zu widmen. Enrique Torres ist so einer. Der 35-Jährige hat im Herbst "Mister Eco" gegründet, den ersten Bio-Lieferservice auf der Insel. Statt audiovisuelle Projekte für internationale Konzerne zu realisieren, beliefert er jetzt seine Kunden mit eigenhändig bepackten Kisten vol-ler Biolebensmittel. Von Möhren, Paprika und Salat bis hin zu Rotwein, Öl und Fleisch. Das meiste stammt aus lokalen Betrieben. "Auf Mallorca fehlte bisher die Verbindungs-stelle zwischen Landwirt und Kunde", sagt Torres. "Die will ich sein."
Ein Zufall ist es nicht, dass immer mehr Unternehmer ihr Heil im Biosektor suchen. Denn trotz Krise und obwohl der Konsum in praktisch allen Bereichen sinkt, legt "Bio" weiter zu: Im Jahr 2011 stieg der Konsum spanienweit um rund sieben Prozent, wie der Verband Ecovalia kürzlich mitteilte.
Auch auf den Balearen boomt der Sektor. Die Größe der ökologisch bewirtschafteten Fläche wuchs von 16.000 (2005) auf 28.000 Hektar (2010) und macht jetzt mehr als 14 Prozent der landwirt-schaftlichen Nutzfläche aus. Die Zahl der mit dem regionalen Ökosiegel ausgezeichneten Betriebe ist von 396 im Jahr 2005 auf aktuell 698 gestiegen.
"Wöchentlich wird mindestens ein neuer Antrag gestellt", sagt Britt Müller. Die Deutsche ist Vizepräsidentin des Consell Balear de la Producció Agrària Ecològica (CBPAE), der für die Vergabe des balearischen Ökosiegels, die ent-sprechenden Kontrollen und die Förderung des Sektors zuständig ist. "Der Bereich hat keinen so starken Einbruch erlebt, weil die Kunden treuer sind", sagt sie. "Das sind Leute, die ihre Prioritäten gesetzt haben und eher auf etwas anderes verzichten als auf gesunde Ernährung."
Idealismus bringt auch Jungunternehmer Enrique Torres mit. "Ich habe mich einfach nicht mehr motiviert gefühlt in meinem alten Job und wollte etwas ganz anderes machen", sagt er. Mit "Bio" hatte er vorher nichts zu tun, er ist aber überzeugt vom Potenzial des Sektors. Dabei setzt Torres auf traditionsbewusste Mallorquiner und ökobewusste Ausländer aus Nord- und Mittel-europa, die bereit sind, für Bioprodukte von der Insel etwas mehr zu zahlen. Tor-res glaubt an seine Ge-schäftsidee: "Landwirt sein ist ein Ganztagsjob. Da sollte man sich nicht noch Gedanken über den Verkauf machen müssen."
Tatsächlich ist die Vermarktung noch immer eines der Hauptprobleme der hiesigen Ökobauern. Zwar gibt es auch hier kaum noch ein Bioprodukt, das es nicht gibt. Zwar existiert zumindest in Palma ein dichtes Netz an Bioläden und die ersten Supermärkte haben ihre eigenen Bioproduktlinien. Auf Wochenmärkten bieten auch Ökobauern ihre Waren an und seit fast zweieinhalb Jahren gibt es in Palma zweimal wöchentlich einen reinen Biomarkt. Und dennoch: Der Direktverkauf auf den Bauernhöfen ist für viele Landwirte die einzige Möglichkeit, ihre Ware an die Kunden zu bringen.
Laut Britt Müller hat das aber auch Vorteile: "Wenn es keine Zwischenhändler gibt, ist die Gewinnspanne für die Produzenten angemessener", sagt sie. Das Ziel sollte nicht sein, sich dem Preiskampf der Super-märkte auszusetzen. "Es ist für die Produzenten nicht gut, wenn sie versuchen, in einem System mitzuspielen, in dem es nur darum geht, billig zu sein", sagt Müller.
INFO
Biomarkt in Palma, samstags und dienstags, 8-14 Uhr, Plaça dels Patins.
Der Bioverband ist unter www.cbpae.org zu erreichen.
Der Lieferservice "Mister Eco" unter www.mistereco.es