Der Schein trügt. Vor den Hotelgästen liegt ein auf den ersten Blick unscheinbarer, dunkelgrauer Teppich, über den man die große, modern eingerichtete Hotellobby des Meliá Palma Marina an Palmas Hafenmeile, betritt. Was man nicht sieht: Dieser Teppich hat eine besondere, reinigende Funktion. Er ist mit einem Desinfektionsmittel imprägniert. Der direkt danebenliegende Teppich dient dem Abtrocknen der Schuhsohlen. Auf der rechten Hand lädt ein Handspender zur weiteren Hygiene ein. Willkommen im Hotel in Covid-19-Zeiten.
Mallorcas Big-Player der Hotelszene machen sich bereit für die ersten Gäste, die, wenn alles gut läuft, ab kommendem Montag die Mittelmeerinsel besuchen werden. Dann soll das von der Zentralregierung nun genehmigte Pilotprojekt mit 10.900 Deutschen Reisenden starten.
In nur wenigen Wochen hat das Meliá-Hotel seinen Frühstücksbereich komplett umgestaltet. Kleine Pfeile auf dem Boden zeigen die "Laufrichtung" an, runde Kreise in Pink und Türkis die nötigen Abstände. Mit einem kleinen Tablett geht man in vorab festgelegten Zeitfenstern zum Frühstück. Erfahrungswerte zeigen, dass man um die 45 Minuten zum Frühstück braucht – das sind die Zeiträume, mit denen das Hotel auch jetzt kalkuliert. Stundenlanges Zeitunglesen oder mehrmaliger Kaffeenachschub bleiben erst einmal Zukunftsmusik.
In einer nett anmutenden kleinen, verglasten Bar bereitet ein Mitarbeiter Kaffee oder Tee zu. Das Frühstück selbst kommt in kleinen Pappkistchen daher: Darin liegen ein Joghurt, ein abgepacktes Brötchen, etwas Obst. Erinnerungen an Fliegen in früheren Zeiten, in denen Essen serviert wurde, kommen hoch.
Für alle Hotels gilt als oberstes Prinzip: So wenig Kontakt mit Oberflächen wie möglich, viel Platz für den nötigen Sicherheitsabstand und häufiges Desinfizieren von kritischen Punkten wie Aufzugsknöpfen, Fernbedienungen oder Tischen. In den Zimmern finden sich daher keine Kaffeemaschinen, Zeitschriften oder Infobroschüren mehr. Stattdessen Handspender zum Händedesinfizieren. Entsprechend klinisch rein wirkt auch das bereits vorbereitete Zimmer im Hotel Meliá Palma Marina. Die Fernbedienung ist in Plastikfolie eingeschlagen, ein runder Aufkleber verrät, dass diese bereits desinfiziert wurde.
Was elektronisch zu regeln ist, wird entsprechend gehandhabt. Dazu gehören in allen Hotelketten der Online-Check-in. Alle nötigen Daten sind bei Ankunft im Hotel bereits erfasst, kein Ausfüllen von Formularen, kein Anfassen von Kugelschreibern und Papier. Technik ist in Zeiten der möglichen Infektion Trumpf.
Auch die Art der Personalplanung hat sich geändert. Viele Hotels setzen auf feste Teams, die immer zusammenarbeiten, um mögliche Infektionsketten rekonstruieren zu können.
Bei der mallorquinischen Hotelkette Riu, die neben Iberostar, Garden und Viva an dem Pilotprojekt beteiligt ist, bereitet man sich ebenfalls intensiv anhand von 17 verschiedenen Protokollen vor. Jedes Protokoll deckt einen Bereich des Hotels genau ab: Rezeption, Zimmer, Essensbereich, Spa. Riu hält am Konzept der Büfetts fest, aber mit veränderten Regeln. Abstand während des Wartens und verstärkte Bedienung durch das Personal. Es gibt mehr direkt vor Ort zubereitete Mahlzeiten, die Tische sind mit "Einmaltischdecken" eingedeckt, es gilt Masken- und Handschuhpflicht während des Anstehens für das Büfett.
Die Hotelketten gehen alle nach ähnlichen Richtlinien vor. Die international agierende Tui-Gruppe kooperiert mit mehreren Hotels auf Mallorca. In Deutschland sind bereits einige Hotels des Konzerns geöffnet. Dort kann man die erarbeiteten Standards "in vivo" testen und wertvolle Erfahrungen für Mallorca sammeln.
Doch wie willkommen fühlt man sich in einem Hotel, bei dem einem direkt am Eingang ein riesiger Bildschirm mit einem schwarz-weißen QR-Code entgegenlacht, wo der Empfangsmitarbeiter hinter einer dunklen Maske und einer fast schusssicher wirkenden Plexiglasscheibe den lang ersehnten Urlaub einläutet? "Die Menschen möchten sich sicher fühlen, um sich entspannen zu können. Gewisse Maßnahmen gehören dazu", so Belén Sanmartín, Direktorin der Meliá-Hotels in Magaluf. Ähnlich sieht es Bernd Hoffmann von der Pressestelle der Tui-Gruppe: Gewisse Kompromisse der bisher gewohnten Abläufe im Hotel müsse jeder eingehen.
Fest steht: Die Gäste sehnen sich nach einem Hotelbesuch. Das hat eine weltweite Kundenbefragung der Meliá-Gruppe mit über 7000 Beteiligten ergeben. Die Besucher möchten wieder das Gefühl von Strand und Sonnenschein erleben. Aber sie möchten dies nicht bedingungslos. Eines ist ihnen wichtig: Sicherheit.
Meliá hofft darauf, zirka 50 Hotels spanienweit im Juli öffnen zu können. Auf Mallorca gehören das Palma Marina und das Calvià Beach zu den ersten. Wie sich die Öffnung weiterer Hotels entwickeln werde, hänge einzig und allein von der Nachfrage ab, so André Gerondeau, Chief Operating Officer von Meliá Hotels International. Die ersten Reservierungen seien fast ausschließlich nationaler Natur und konzentrierten sich auf Spaniens Küsten.
"Man ist froh, dass der Sommerurlaub 2020 überhaupt möglich wird", sagt Bernd Hoffmann von der Tui. Doch bei aller Freude ist ein ungetrübter Blick für die aktuelle Realität nötig. André Gerondeau steckt bescheidene Ziele für diese Saison. Sein Kommentar lässt Spielraum für Interpretationen: "Unser Ziel ist es, den bestmöglichen Sommer im Rahmen der aktuellen Situation zu erreichen."
Die Hotels, in denen die Teilnehmer des Pilotprojekts untergebracht werden sollen, befinden sich an der Playa de Palma und in Port d'Alcúdia, es handelt sich unter anderem um das Iberostar Cristina sowie vermutlich das Riu Bravo und das Riu Concordia. In Alcúdia stehen das Alcúdia Garden und das Viva Golf bereit.
(In Teilen aus MM 22/2020)