Michael Lambertz geht es wie vielen, die Mallorca kennen und lieben: Er wünscht, die Marke Mallorca hätte ein besseres Image. Denn das wäre gut für das Geschäft und damit gleichermaßen für die Mallorquiner, die Residenten sowie die Urlaubsgäste. Er weiß, wovon er spricht: Der ausgewiesene Experte war im Tui-Vorstand für das weltweite Marketing verantwortlich und hat für den Reiseriesen einst das lächelnde Logo entwickelt. Mallorca, der wichtigsten touristischen Destination, ist er sehr verbunden, mit dem Tui-Palma-Marathon hat er auch Mallorcas wichtigsten Sportevent ins Leben gerufen. Aktuell ist er Inhaber der Strategieberatungs- und Kreativagentur B‘yond, die Unternehmen und Marken „neu erfindet“.
In seinen Augen hat Mallorca die besten Voraussetzungen, eine Top-Marke zu sein. „Die Insel ist eine wundervolle und wichtige Destination“, so Lambertz, „viele Residenten haben hier ihr persönliches Paradies gefunden und viele Touristen realisieren ihre Urlaubsträume hier Jahr für Jahr auf unterschiedliche Weise“. Mittelmeer, Naturschönheiten, Kultur, Erlebnis, Sport, Gastronomie, es bleibe so gut wie kein Wunsch offen.
Bislang habe Mallorca das Potenzial der Marke vernachlässigt. Seine Beliebtheit verdanke das Eiland zum großen Teil den natürlichen Gegebenheiten sowie dem individuellen Engagement vieler mallorquinischer und internationaler Unternehmer. „Auch aufgrund der historischen Entwicklung ist Mallorca eine sehr hybride Marke, die unterschiedliche Erlebnisse für verschiedene Zielgruppen bietet“, analysiert Lambertz. Das sei in Ordnung, solange die Spreizung nicht zu groß werde. Und da sieht er das Problem: Ballermann und Billigurlaub kratzen an der Marke. „Wenn ich zum Beispiel in Deutschland über eine Mallorca-Party lese, verstehe ich Ballermann“, sagt er, „dabei ist das Mallorca, das ich kenne, ganz anders“.
„Auf Mallorca hat es in den vergangenen Jahren eine deutliche Evolution hin zum Qualitätstourismus gegeben”
Die teilweise reißerischen Nachrichten, die nicht selten mit Mallorca in Verbindung stehen, haben einen starken Effekt auf die Marke. Mit anderen Worten: „Durch Ballermann-Meldungen entsteht ein negativer Image-Transfer“, was für Lambertz umso bedauerlicher ist, als dieses Image immer weniger der Wahrheit entspreche. „Auf Mallorca hat es in den vergangenen Jahren eine deutliche Evolution hin zum Qualitätstourismus gegeben“, beobachtet er, „auch am sogenannten Ballermann und am Engländer-Hotspot Magaluf“, wo hochwertige Hotels und Gastronomie nach und nach „Saufkneipen“ ersetzten.
Die Vollbremsung durch die Coronakrise sieht Michael Lambertz einerseits als schwere wirtschaftliche und soziale Belastung für die Bewohner und Besucher der Insel. Er sieht aber die Chance, den Wandel zu mehr Qualität und Nachhaltigkeit schneller und konsequenter voranzutreiben. Corona, so seine Prognose, führe bei allen Marktbeteiligten zu einer Bewusstseinsveränderung: „Sicherheit, Nachhaltigkeit und Risikovermeidung bekommen einen viel höheren Stellenwert“, ist er überzeugt, und „da Mallorca die allerbesten Voraussetzungen hat, können diese Kunden hier auch künftig ihr Paradies finden. Es gibt keine bessere Alternative“.
Um die Marke positiv neu zu erfinden, müsse Mallorca zunächst definieren, wo man in zehn oder 20 Jahren stehen wolle: „Was macht uns einzigartig, und wo positioniert sich Mallorca im Markt als Ort für Arbeit, Wohnen und Urlaub?“ Mit dieser Markenvision vor Augen gelte es dann, die Marke zu führen. „Das geht nur mit Kreativität, Disziplin und Koordination“, weiß er. Dafür sei ein Manager oder eine Managerin nötig, um die Marke zu hüten.
In der praktischen Umsetzung definiert man Botschaften und sendet sie an die richtige Zielgruppe. Dazu gehöre professionelle PR aus einer Hand. „Das macht viel Arbeit, zahlt sich aber aus“, prophezeit Lambertz, denn „dann kommen die Kunden, die Mallorca haben möchte, und diese Kunden finden das Markenerlebnis, das sie suchen. Je mehr Mallorca über Qualitätstourismus und Nachhaltigkeit berichtet, je mehr sich das Angebot in diese Richtung entwickelt, desto stärker wird diese Entwicklung. Das alles zahlt auf das Bild der Marke ein und verstärkt es positiv, es entsteht ein Schneeballeffekt.“
Ob die unterschiedlichen Interessengruppen auf Mallorca in der Lage sind, an einem Strang zu ziehen? Lambertz meint, andere Destinationen hätten das bewiesen. Vorbilder sind für ihn besonders St. Moritz, Wien, München, Berlin, in Spanien auch Madrid und Barcelona. Es sollte allen klar sein: „Profiteure der Markenarbeit wären alle Unternehmer am Standort, alle touristischen Unternehmen, für die Mallorca als Destination relevant ist, alle Menschen, die direkt oder indirekt vom Tourismus leben.“
Eine Sorge zerstreut Lambertz: „Ich sehe nicht, dass mit einer positiven Entwicklung weniger Menschen nach Mallorca kommen, dann entsprechend weniger Flüge gehen und die Erreichbarkeit leidet. Das droht vielmehr, wenn durch inkonsequente Markenführung und irreführende Botschaften Menschen davon abgehalten werden, die Insel zu besuchen.“
Seiner Meinung nach ist ein Budget von 50 Millionen Euro das Minimum, um die Marke Mallorca ordentlich zu pflegen. „Das verteilt sich dann auf die wichtigsten Märkte, in Deutschland wäre man mit 20 Millionen bestenfalls ein mittelgroßer Player“, erklärt er, warum er 70 oder 80 Millionen Budget pro Jahr für sinnvoller hält. „Bei knapp 12 Millionen Touristen im Jahr 2019 wären das gut 4,2 Euro pro Person, das sollte zu machen sein“, findet er. Nichts zu tun sei auf mittlere und lange Sicht viel teurer.
(aus MM 48/2020)