Nach der Aufhebung der Reisewarnung für Mallorca durch Deutschland am vergangenen Sonntag sind Stimmen laut geworden, die eindringlich vor Urlaub auf der Insel warnen. Dazu gehörten der bayerische Ministerpräsident Markus Söder und die niedersächsische Landesregierung. Es bestehe auf Mallorca die Gefahr, dass sich viele gegenseitig ansteckten, weil zahlreiche Urlauber aus Europa hier zusammenkämen, argumentierten sie. Deswegen müsse Deutschland eine Testpflicht für Rückkehrer trotz niedriger Inzidenz einführen. Diese lag am Mittwoch auf der Insel im Sieben-Tageszeitraum bei lediglich 18,97 Fällen auf 100.000 Einwohner.
Der an der Universität München tätige Tourismuswissenschaftler Jürgen Schmude bemühte sogar einen angstmachenden Vergleich: "Grundsätzlich ist dieser Ansturm eine Katastrophe", wurde er in deutschen Medien zitiert. "Wir haben gesehen, was bei Reisegroßereignissen passieren kann. Stichwort Ischgl. Wir laufen Gefahr, mit Mallorca ein zweites Ischgl zu produzieren. Es würde mich nicht wundern, wenn die Insel in drei Wochen wieder in einen harten Lockdown muss."
Im für seine Partyszene bekannten österreichischen Wintersport Ischgl hatten sich im Winter 2019/2020 zahlreiche Après-Ski-Gäste bei ausgiebigen Festivitäten mit Corona infiziert und das Virus vor allem in Deutschland verbreitet. Es heißt, dass erst nach diesen Ansteckungen die Pandemie eine gewisse Eigendynamik in Mitteleuropa entwickelte.
Doch die Unterschiede von Mallorca heute und Ischgl vor einem Jahr können größer kaum sein: Während es damals noch keine Tests gab, dürfen heute nur Urlauber auf die Insel einreisen, die ein negatives PCR-Ergebnis vorzeigen können, das höchstens 72 Stunden alt sein darf. Das gilt während der Osterzeit im Übrigen auch für sämtliche Ankömmlinge aus anderen Regionen Spaniens.
Anders als vor einem Jahr in Ischgl sind Versammlungen auf Mallorca heute stark begrenzt: In Bars und Restaurants dürfen nur höchstens vier Personen zusammenkommen, woanders im öffentlichen Bereich sind es maximal sechs aus maximal zwei Haushalten. Wer dies ignoriert und von der Polizei erwischt wird, dem drohen hohe Bußgelder. Hinzu kommt, dass auf einem Hotelzimmer nur Personen aus einem einzigen Haushalt nächtigen dürfen.
Sämtliche Bars und Restaurants dürfen nur bis 17 Uhr öffnen, deutlich weniger Personen als üblich können hinein. Es ist verboten, Strände zwischen 21 Uhr und dem frühen Morgen zu betreten. Die Maskenpflicht wird auf Mallorca strenger als vielerorts in Deutschland gehandhabt. Hier darf man das Utensil nur am Strand abziehen, und dann auch nur, wenn man still sitzt oder liegt.
All diese Maßnahmen tragen dazu bei, dass in Mallorca aller Wahrscheinlichkeit nach gar kein zweites Ischgl entstehen kann. Anders als deutsche Politiker und Experten sieht die sehr zu Restriktionen neigende balearische Gesundheitsministerin Patricia Gómez die Angelegenheit denn auch ausgesprochen nüchtern. Sie äußerte am Mittwoch, dass die erwarteten deutschen Urlauber nach ihrer Ansicht keine Gefahr darstellten. Mehr Sorgen machen ihr allzu mobile Insulaner mit ihren engen, durch große Familienbande noch gestärkten sozialen Kontakten untereinander.