Es ist für die Branche die erste Veranstaltung dieser Art seit Beginn der Corona-Krise. Vor wenigen Tagen waren mehr als 200 Reisebüros aus Deutschland bei den „Live Counter Days 2021” im Zafiro Palace Hotel in Camp de Mar zu Gast. Eingeladen hatte die FVW (für Fremdenverkehrswirtschaft) Medien GmbH, unter anderem Herausgeber der Branchenzeitschrift „fvw Travel Talk”. Gastgeber vor Ort war der Direktor für Marketing und Business Development Dennis Conrads. „Wir wollen Aufbruchsstimmung erzeugen, die Branche mit Nachrichten versorgen und natürlich einen Ausblick auf das kommende Jahr bieten.”
Unter den Teilnehmern sind Deniz Berk, Inhaber eines Reisecenters in einem Bremer Einkaufszentrum, und Sascha Nitsche, Geschäftsführer einer Travel-Boutique in Essen. Beide blicken auf ein schwieriges, aber auch interessantes Jahr zurück. „Im Prinzip hat die Krise die Pauschalreise wiederbelebt. Unsere Kunden setzen heute viel mehr auf Sicherheit als noch vor zwei Jahren”, erzählt Berk, und Nitsche ergänzt, „viele leiden auch unter einer Art Online-Müdigkeit.” Die Portale hätten zudem längst nicht mehr den Preisvorteil, den man ihnen nachsage. „Schnäppchen sind immer schwerer zu finden oder sind erst gar keine, wenn man genau hinschaut.”
Nach einer aktuellen Google-Statistik würden Reisewillige zwischen fünf und zwölf Stunden im Internet recherchieren, bevor sie sich für ein Reiseprodukt entscheiden, erklären die beiden Fachleute. Zeit, die immer weniger Menschen investieren wollten. Um die geschäftliche Zukunft zu sichern, müsse man sich innerhalb der Branche dennoch deutlich bewegen, meint Nitsche. „Wir brauchen innovative Ideen. Schlimm genug, dass wir die letzten 15 Jahre im Online-Geschäft geschlafen haben, so ehrlich müssen wir zu uns selbst sein.” Kollege Berk ergänzt: „Unsere Hausaufgabe ist es, die Leute wieder zu uns in die Reisebüros zu holen.” Beratung via Whatsapp oder Ähnlichem sei super, weil das Zeit spart. Beim Abschluss sollten die Fachleute ihren Kunden aber dennoch gegenübersitzen. „Von Mensch zu Mensch ist ein Trumpf gegenüber jedem Internetanbieter, den wir ausspielen sollten.”
Andere, einfach veränderbare Stellschrauben für alle Kollegen, seien flexiblere Öffnungszeiten und Erreichbarkeiten, das Wegkommen vom verstaubten Pappschild-Reisebüro-Image und vor allem die Kundenbindung, wie Berk erklärt. „Ich habe nur gewonnen, wenn der Kunde auch wiederkommt. Und dafür muss ich ihn hofieren und daran erinnern, warum er seine vergangene Reise bei mir gebucht hatte.” Außerdem vergleiche der Kunde so oder so für eine Reise im Internet. Deshalb müsse man mit offenen Karten spielen und die persönliche Beziehung und den Informationsvorteil als Fachmann nutzen. „Fühlt sich der Kunde betrogen oder nicht wertgeschätzt, kommt er nicht wieder.”
Ein zweischneidiges Schwert, meint Nitsche. „Unsere Dienstleistungen brauchen diese Wertschätzung ebenfalls. Die Leute geben mehr als 1000 Euro für ein Telefon aus, aber schlagen die Hände über dem Kopf zusammen, wenn sie 400 Euro für eine Woche Mallorca bezahlen sollen.” Berk nickt und grinst: „Die Verhältnismäßigkeit stimmt nicht mehr. Wir dürfen aber eins dabei nicht vergessen: Wenn der Kunde das erste Mal bei Check24 seinen Flug erstattet bekommen möchte und in der Hotline festhängt, kommt er beim nächsten Mal freiwillig wieder zu uns.”
(aus MM 45/2021)