Montagmorgen, viertel vor acht im Abflugterminal von Palmas Flughafen Son Sant Joan. Vor den Check-in-Schaltern der Fluggesellschaft Tuifly herrscht gähnende Leere. Olaf Sarbok ist darüber geradezu entzückt. „Fast alle unsere Gäste nach Düsseldorf haben mittlerweile eingecheckt und warten am Gate aufs Boarding. Das ist sehr gut”, sagt der Deutsche und schaut dabei hinüber zur Schalterreihe einer anderen Airline auf der gegenüberliegenden Seite. Davor treten sich mehr als 100 Passagiere die Füße platt. Nicht gut, scheint Sarbok beim Anblick der Warteschlange zu denken.
Für den in Barcelona aufgewachsenen Sohn einer deutschen Auswandererfamilie spielt Zeit die zentrale Rolle bei seiner Arbeit. Sorbek ist Stationsrepräsentant der deutschen Fluggesellschaft Tuifly auf Mallorcas Airport. Und das seit mittlerweile 48 Jahren. Der 69-jährige Deutsche zählt damit zu einer fast ausgestorbenen Spezies. „Die meisten Airlines beauftragen mittlerweile externe Repräsentanten”, sagt Sarbok. Allen voran natürlich bei den sogenannten Ground-Handling-Firmen, die sich um alle Abläufe bei der Abfertigung von Flugzeugen kümmern.
Dazu gehört in Palma neben Iberia und Acciona auch Globalia Groundforce, zu dessen Auftraggebern unter anderem Tuifly gehört. „Groundforce übernimmt für uns alle Handling-Abläufe, also von der Durchführung des Check-in der Passagiere an den Schaltern über deren Boarding am Gate bis hin zu allen technischen Aufgaben auf dem Vorfeld wie die Gepäckabfertigung, das Betanken, die Säuberung und das Wiederbeladen”, erklärt Sarbok. „Von uns bekommen sie dafür alle notwendigen Angaben wie Passagierzahlen und Flugpläne. Eine Computer-Software organisiert anhand der Daten unter anderem den jeweils erforderlichen Personal- und Materialeinsatz.
Sorbak sieht seine Aufgabe vor allem in der Kontrolle des reibungslosen Ablaufes bei der Abfertigung aller ankommenden und abfliegenden Maschinen und ihren Passagieren. Neben den Fliegern der deutschen Tuifly koordiniert er zusammen mit einer Mitarbeiterin auch das Handling der Flugzeuge der zum Konzern gehörigen nationalen Ableger wie Tuifly Airlines (Großbritannien),Tuifly Netherlands, Belgium oder Nordic. „Wir wollen unsere Gäste ja so wenig wie möglich warten lassen. Beispielsweise beim Check-in. Aus diesem Grund kontrolliere ich stets das Passagieraufkommen vor unseren Schaltern. Scheint mir die Schlange zu lang, bitte ich Groundforce darum, mehr Schalter zu öffnen”, sagt Sorbak und lotst uns durch den streng bewachten Sicherheitsbereich vor die Tür.
Draußen auf dem Vorfeld, wo die Flugzeuge parken, rollt an Gate 88 eine Boeing 737 Max mit 189 Gästen an Bord auf seine Parkposition. Es ist Flug X3 2313 aus Düsseldorf, der wie vorgesehen um fünf nach acht in Palma gelandet ist. In genau 50 Minuten soll er zum Rückflug wieder abheben. Das klingt nicht gerade viel. „Es ist das übliche Zeitfenster für ein Flugzeug-Handling”, vertreibt Olaf Sarbok aufkommende Bedenken. Bei Billigfliegern mit wenig Gepäck an Bord kann sich diese Zeit sogar auf 30 oder 35 Minuten verringern.
Mittlerweile ist der blau-weiße Tui-Flieger aus Düsseldorf auf seiner Parkposition zum Stehen gekommen, um von etwa einem halben Dutzend Groundforce-Angestellten in Empfang genommen zu werden. Die haben den Parkplatz zuvor auf sogenannte Foreign Object Devices abgesucht, also herumliegende Gegenstände, die das Flugzeug beim Einparken möglicherweise behindern könnten. Danach blockieren die Groundforce-Mitarbeiter die Reifen der Maschine mit schweren Plastikklötzen. „Die bei der Landung heißgelaufenen Bremsen müssen während des Aufenthaltes an Boden gelöst werden, weil sie aus Carbon bestehen, das bei hoher Hitze an den Sätteln festkleben würde” sagt Sarbok.
Doch bevor jetzt der Gangway-Finger an die Ausgangstür der Maschine manövriert werden kann, damit die Passagiere aussteigen können, hat der sogenannte Ramp Agent seinen Auftritt. Er überprüft während eines Rundgangs um die Maschine, ob es während der Landung oder beim Parken zu möglichen Beschädigungen gekommen ist. „Das wäre dann ein Fall für die Versicherung”, erklärt der Stationsleiter von Tuifly. Aber der Ramp Agent gibt ein Okay-Zeichen. Und dann beginnt der eigentliche Wettlauf mit der Zeit.
Während die ersten Passagiere das Flugzeug über die Gangway verlassen, fahren die Gepäckmänner vor. „Bei der Boeing 737 muss immer zuerst das Gepäck aus dem hinteren Laderaum entladen werden, damit die Maschine nicht nach hinten kippt. Erst danach kann der vordere Frachtraum entladen werden”. Hinter den Gepäckzügen, auf denen die Gepäckstücke der ankommenden Gäste abtransport werden, warten bereits die Kollegen mit den Koffern der abfliegenden Passagiere. Spätestens 35 Minuten nach Ankunft des Flugzeuges muss die Gepäckabfertigung beendet sein.
Sobald der letzte Passagier das Flugzeug verlassen hat, kommt die Putztruppe an Bord. „Sie hat zwischen sieben und zehn Minuten Zeit, den Passagierraum zu säubern, alle 189 Sitze abzuwischen, liegen gelassenen Müll zu entsorgen und den gesamten Boden zu saugen”, sagt Chef-Stewardess Larissa Reuter, die mit ihrer Bordcrew während des Aufenthaltes die ganze Zeit an Bord bleibt. „Wir legen Wert darauf, dass die neuen Passagiere ein stets aufgeräumtes und sauberes Flugzeug vorfinden. Es gibt natürlich auch Fluggesellschaften, die weniger Geld dafür ausgeben. Dementsprechend kann es dann dort beim Einsteigen aussehen”.
Co-Pilot Marc Bernuzzi hat währenddessen das Cockpit verlassen, um das Flugzeug vom Boden aus unter die Lupe zu nehmen. „Viel Zeit zum Ausruhen bleibt uns während des Stopovers nicht. Sicherheit steht bei uns an höchster Stelle. Dementsprechend akribisch checken wir alle technischen Systeme vor dem Weiterflug”, sagt Bernuzzi. Für ihn und Pilot Ingo Temmink sowie den Rest geht es von Palma zuerst zurück nach Düsseldorf und von dort gleich weiter nach Hannover. „Morgen geht es mit dem Flugzeug auf die Kapverden. Wir sind fast immer unterwegs. Mehrtägige Zwischenaufhalte an den Reisezielen wie früher gibt es nicht mehr viele”, so der Co-Pilot. „In Palma läuft es trotz des hohen Verkehrsaufkommens fast immer reibungslos”, sagt Ingo Temmink im Cockpit. „Das liegt nicht zuletzt an erfahrenen Ground-Handling-Profis wie Olaf Sarbok”.
15 Minuten fehlen bis zum geplanten Start der Maschine, die ersten Passagiere sind mittlerweile an Bord gekommen. Irgendwo unter ihnen füllt ein Tankwagen den Flieger mit Kerosin. 5300 Liter stehen am Ende auf der Uhr, Olaf Sarbok nimmt kommentarlos die Tankquittung entgegen. Für den Rückflug nach Deutschland befinden sich jetzt insgesamt 7300 Liter im Tank, vollgetankt auf die maximale Kapazität von 26.000 Litern wird die Maschine erst morgen für den Flug auf die westafrikanischen Atlantik-Inseln.
„Die Boeing Max zählt ebenso wie die Airbus Neo zur neuen Generation von Flugzeugen. Im Gegensatz zu ihren Vorgängern verbrauchen sie etwa 20 Prozent weniger Treibstoff”, erklärt Sarbok, während wir erneut am vorderen Laderaum vorbeigehen. Dort zurrt ein Groundforce-Mitarbeiter gerade den Transportkäfig eines Hundes fest. „Tiere fliegen immer im vorderen Teil der Maschine, weil die Temperaturen dort angenehmer sind”.
Sarbok schaut auf seine Uhr. Fast alle Passagiere sind mittlerweile an Bord, das Gepäck verstaut, die Maschine aufgetankt. Es ist fünf nach neun, Flug 2313 von Palma nach Düsseldorf ist zehn Minuten vor der sogenannten Target-Start-Time, also der vorgesehenen Abflugzeit „Ready to take off”. „Es hat alles perfekt funktioniert”, sagt Sarbok, während zwei Groundforce-Mitarbeiter das Flugzeug an den Vorderrädern mit einer Schleppstange verbinden, um es aus der Parkposition hinaus aufs Rollfeld zu schieben. „Die Boeing hat ja keinen Rückwärtsgang”, sagt Sarbok mit einem Augenzwinkern.
Dass es trotz der Routine immer wieder vorkommt, dass ein Flugzeug zu spät landet oder zu spät abhebt, liege neben fehlenden Passagieren und deren bereits eingelanden Gepäck meistens an Problemen in der Luft statt .
„Der Flugraum über Europa ist einer der verkehrsreichsten der Welt. Wenn bei hohem Verkehrsaufkommen beispielsweise nicht genügend Fluglotsen zur Verfügung stehen, hat das Staus zur Folge. Und damit auch Verspätungen”, erklärt Sarbok. Für ihn ist das Ground-Handling wie eine Choreografie, die ständig wieder eingeübt werden muss. „Improvisationsvermögen und Menschengefühl helfen mir, das Stück jeden Tag erneut über die Bühne zu ziehen”. Ach so, und Spaß mache es ihm natürlich auch.