Folgen Sie uns F Y T I R
Tourismus im Klimawandel

Wird Mallorca zu heiß für Urlauber? Experten warnen vor Folgen des Klimawandels

Viele Mallorca-Besucher werden die kühleren Monate der Hochsaison im Juli und August vorziehen, sagen Touristiker voraus. Auch das Aus für billige fossile Brennstoffe werde Folgen haben

Wegen Hitze menschenleer: Wie dieses bearbeitete Bild könnte laut Tourismusexperten der Strand von Can Pere Antoni, in Palma in Zukunft aussehen. | Ultima Hora

| Mallorca |

Der Klimawandel macht sich mittlerweile direkt in der Tourismusbranche auf Mallorca bemerkbar. „Kunden haben uns gebeten, ihre Reservierungen im Sommer zu stornieren, weil es ihnen zu heiß war. Bei einem Windchill von 40 Grad kann man weder auf der Terrasse essen noch an den Strand gehen”, erzählt erklärt Felip Boyero, Konzeptmanager des Hotels Es Racó d'Artà. Ein Wandel im Verhalten der Urlauber ist für ihn nur noch eine Frage der Zeit. „Der Klimawandel wird all dies noch verstärken, und wir können schon jetzt feststellen, dass sich immer mehr Menschen für den Herbst entscheiden."

Auch wenn es sich noch um eine Anekdote handelt, wird der fortschreitende Temperaturanstieg – laut dem Copernicus Climate Service der Europäischen Union ist dieses Jahr auf dem besten Weg, das wärmste in der Geschichte zu werden. Und die ersten Branchenexperten sehen bereits eine Verschiebung der Hochsaison auf Mallorca voraus. Ihre Prognose: Die Touristen werden die Sommermonate meiden und es vorziehen, in den übrigen Monaten des Jahres zu kommen, wenn das Wetter milder ist.

„Die Urlauber beginnen zu erkennen, dass der Herbst besser ist, weil die Preise niedriger sind, es weniger Menschen gibt und das Wetter freundlicher ist, sogar bis in die erste Novemberhälfte hinein", sagt etwa Hotelmanager Boyero, der seit fast 20 Jahren in verschiedenen Ländern im Tourismus tätig ist. In der Tat arbeiten deutsche Reiseveranstalter und Fluggesellschaften wie TUI, Lufthansa, Condor und Euroswing daran, die Touristenströme in der Nebensaison auszuweiten. Denn die Nachfrage ist bereits groß.

Boyero ist überzeugt, dass viele Urlauber zwar trotz der Hitze weiterhin im Sommer kommen werden, jedoch auf lange Sicht die Familienreisen zurückgehen. Begünstigt von dieser Entwicklung seien dagegen Urlauber ohne Kinder, weil sie in ihrer Ferienplanung flexibler seien und das ganze Jahr über Urlaub machen könnten.

Insgesamt hält es Boyero für falsch, beim Mallorca-Tourismus weiter auf Masse zu setzen und 17 Millionen Besucher zu erreichen, wie es die neue Balearenregierung anstrebt. „Es gibt eine Grenze der Ressourcen, der Straßen, die dem Wachstum nicht standhalten können, dazu kommt der Klimawandel, an den viele nicht glauben", sagt der Experte mit Blick auf rechtspopulistische Politiker. Boyero fordert dagegen einen „regenerativen Tourismus”. Ideale Zielgruppe: „Bewusst Reisende, die die Situation des Urlaubsziels verstehen und es ein wenig besser hinterlassen, als es war". Konkret benennt er diese Gruppe so: „Das sind diejenigen, die lieber zum Korbflechten, Yoga oder zu Ausflügen kommen, anstatt auf eine Yacht zu gehen”, sagt der Hotelmanager und er fügt hinzu: „Eine reiche Person, die Geld dalässt, ohne Rücksicht auf die Region zu nehmen, ist uninteressant.”

„Der Klimawandel wird die traditionellen Ströme wahrscheinlich umkehren. Es gibt bereits viele ausländische Investoren, die sich im Norden des Festlandes umsehen, um ihre Zweitwohnungen zu kaufen", stellt auch Inma Ranera einen Wandel fest. Ranera ist Mitglied des spanischen Fremdenverkehrsamtes und im Beirat von GNGrup, einem Bauunternehmen mit Sitz in Manacor, das sich auf den Hotelsektor und die Bearbeitung von Umweltzertifikaten spezialisiert hat. „Die Sommer in Deutschland, Großbritannien und Skandinavien, den wichtigsten touristischen Märkten für die Inseln, werden wärmer, und statt zu kommen, bleiben sie vielleicht dort", warnt die Touristik-Expertin. Ihr Eindruck: Die Branche auf Mallorca ist sich der Herausforderungen der Klimakrise noch nicht „voll bewusst”. Als Beispiel nennt sie die Tatsache, dass sich man die ersten Meereslinien an die durch den steigenden Meeresspiegel verursachten Veränderungen anpassen müsse.

Die Hitze ist nicht der einzige Grund, warum Experten ein anderes Urlauberverhalten vorhersehen. Ranera warnt auch vor den Auswirkungen, die ein Anstieg der Flugpreise angesichts des fortschreitenden Endes der billigen fossilen Brennstoffe haben könnte. „In Frankreich sind Kurzstreckenflüge bereits verboten, wenn sie mit dem Zug oder dem Bus zurückgelegt werden können”, erinnert sie, und im Falle der Inseln, wo das Flugzeug die am häufigsten genutzte Option ist, wird dies Auswirkungen auf die Touristenströme haben.”

Mit anderen Worten: Das Aus für fossile Brennstoffe wird das Ende des Billigtourismus nach sich ziehen, auch für Mallorca. Die Folge: Die Branche setzt auf Touristen mit hoher Kaufkraft. Eine riskante Strategie, findet Ernest Cañada, Forscher an der Universität der Balearen und Mitglied der katalanischen Denkfabrik Alba Sud. Denn der Markt für wohlhabende Urlauber ist relativ klein. Für die Balearen schlägt er vor, die Wirtschaft zu diversifizieren und den Tourismus zu verringern." Allerdings sieht er erst einmal das Gegenteil voraus: „Solange das neue elitäre Tourismus-Modell nicht konsolidiert ist, werden wir überall eine Überfüllung haben”, sagt er.

Zugleich kritisiert Cañada, dass keine öffentlichen Maßnahmen ergriffen werden, damit die übrigen Arbeitnehmer in diesem neuen Kontext verreisen können. Schon jetzt könne sich 30 Prozent der europäischen Bevölkerung keinen einwöchigen Urlaub leisten. Dieser Anteil werde noch zunehmen. „Wir müssen den Tourismus im Sinne der Nähe, der öffentlichen Verkehrsmittel und des Interesses der Mehrheit der Bevölkerung neu denken", plädiert er für ein neues Urlaubsmodell. Die derzeitige „Hypermobilität” sei zum Scheitern verurteilt, argumentiert der Wissenschaftler. Für die Zukunft sieht er zwei Optionen für Mallorca und seine Nachbarinseln: einen elitären oder einen öffentlichen Tourismus. Beide Konzepte erfordern ihm zufolge wirtschaftliche Ressourcen. „Es geht darum, demokratisch darüber nachdenken, welchem der beiden wir die Ressourcen zuweisen."

Zum Thema
Meistgelesen