Es duftet nach frisch gebackener Pizza und aufgebrühtem Kaffee. Im Inneren der Bar Bodega geht es an diesem kalten Januartag trubelig zu. „Die meisten Wanderer kehren bei uns ein, um sich erstmal zu stärken”, erklärt Katja Wöhr. Vor rund einem Jahr hat die Schweizerin das kleine Lokal in Biniaraix mit ihrer kanadisch-österreichischen Kollegin Petra Glinski übernommen. Wurden hier vorher unter dem mallorquinischen Besitzer inseltypische Gerichte wie „Frito Mallorquin” (gebratene Innereien) oder "Callos" (Kutteln) gereicht, stehen mittlerweile Pizza aus dem Steinofen, Salate, Suppe und selbstgebackener Kuchen und Backware auf der Speisekarte. Dabei setzen die beiden Frauen vor allem auf Nachhaltigkeit und lokale Produkte.
Die Bar befindet sich in der kleinen Ortschaft Biniaraix, etwa zwei Kilometer von Sóller entfernt. Vorbei an Orangen- und Zitrusplantagen und mallorquinischen Herrenhäusern liegt das Dorf im Schatten der gleichnamigen Schlucht Barranc de Biniaraix. Im Gegensatz zu Sóller oder dem benachbarten Dorf Fornalutx ist Biniaraix deutlich überschaubarer. Der Ort zählt etwa 100 Einwohner. Doch vor allem in der Nebensaison ist er eine beliebte Anlaufstelle für Wanderer und Tagesausflügler. Vom Stadtzentrum von Sóller aus ist das Kleinod in einem zirka halbstündigen Fußmarsch zu erreichen. Vom Marktplatz in Biniaraix aus geht es dann für viele Wanderer weiter in die Hochebenen des Tramuntana-Gebirges.
Der stellenweise gepflasterte Weg „Camí Vell del Barranc de Biniaraix”, der durch die Schlucht führt, wurde bereits im Mittelalter als Wallfahrtsweg von Sóller zum Kloster Lluc angelegt. Damals wurde er vor allem von Bauern, Köhlern und Maultiertreibern genutzt. Der Camí war zudem die Hauptverbindung zwischen den Tälern von Sóller und Fornalutx sowie den Tälern von L’Ofre, Cúber, Orient und Lluc. Aber auch Pilger auf dem Weg zum Heiligtum Lluc quälten sich den steilen Trampelpfad entlang. Noch heute begeben sich viele Sóllerics (Bewohner Sóllers) einmal im Jahr auf eine Pilgerwanderung über den alten Steinweg zum Kloster.
Vom Dorf aus gelangt der Besucher über 1932 Stufen zu „Las Casas de l’Ofre”. Dabei handelt es sich um ein großes Anwesen, das aus der maurischen Epoche stammt. Auf mehreren Abschnitten des Aufstiegs ist der gleichnamige Berg El Puig de l’Ofre mit einer Höhe von 1091 Meter zu sehen. Auch die Gemeindekirche von Biniaraix ist sehenswert. Die „Iglesia” und der Ortskern von Biniaraix wurden übrigens 1994 als Kulturgut von besonderem Wert (BIC) in der Kategorie Monument anerkannt. Einen Besuch wert sind auch die Herrenhäuser Cas Don und Can Ribera sowie das alte öffentliche Waschhaus.
Biniaraix wird auch von vielen Bewohnern Sóllers als idyllischer Rückzugsort angesehen. Das bestätigt auch Bartolomeu Crespi, der direkt am Ortseingang ein altes Herrenhaus besitzt. Sein Anwesen wurde von Generation zu Generation weitervererbt und erst vor kurzem renoviert. „Biniaraix ist der ideale Ort, um sich niederzulassen. Allerdings ist die Lage auch manchmal etwas unpraktisch. Einkäufe müssen in Sóller erledigt werden. Hier oben gibt es nicht so viel, bis auf Orangen, Zitronen und Oliven”, bestätigt Crespi und lacht.
Wer durch Biniaraix schlendert, dem werden auch die Terrassenfelder auffallen. Wie in anderen Orten in der Tramuntana, wie zum Beispiel in Banyalbufar, blicken auch die Ländereien in Biniaraix auf eine lange Geschichte zurück. Damals legten die Araber die Terrassenfelder an und sorgten für ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem, das auch heutzutage noch charakteristisch für das Ortsbild ist.
Typisch für Biniaraix sind zudem seine schmalen, steinigen Gassen und Trockensteinbauten sowie der kleine Marktplatz, auf dem sich zwei Lokale angesiedelt haben. Eines davon ist eben die Bar Bodega, das Café Es Barranc ist derzeit geschlossen. Neben Wanderern ist die kleine Bodega ein beliebter Treffpunkt für Einheimische und Residenten. „Viele Gäste kommen sogar aus Artà, Cala Rajada und der Westküste”, erklärt Katja Wöhr. In den Wintermonaten hat das Lokal jeweils von donnerstags bis sonntags zwischen 9 und 17 Uhr geöffnet. Insbesondere am Wochenende sollte allerdings vorab ein Tisch, am besten über Instagram, reserviert werden.
Wenn die beiden Frauen nicht hinter den Tresen der kleinen Bodega stehen, betreiben sie einen Olivenhain, der für romantische Ausflüge oder Tages-Retreats geeignet ist. Dort wollen sie sich in Zukunft zudem auf die Produktion von Olivenblatttee spezialisieren. Katja Wöhr lebt bereits seit 22 Jahren auf der Baleareninsel. Sie verhalf der inzwischen legendären Salzmarke „Flor de Sal” zu ihrem heutigen Erfolg. Im nordwestlichen Tramuntana-Gebirge hat sie ihre Ruhe gefunden: „Biniaraix ist eine Oase weit weg vom Massentourismus, einfach ein Stück ursprüngliches Mallorca.”