Seit Monaten kommt es auf Mallorca immer wieder zu Großdemonstrationen gegen Gentrifizieriung, Mietwahnsinn, Überfüllung – und die derzeitige Form des Massentourismus. Doch nicht nur hier: In ganz Spanien gehen Menschen, die von der vor allem im Sommer auftretenden "Überfüllung" die Nase voll haben, auf die Straße. Menschen, die sich das Leben im Land kaum noch leisten können und dafür vor allem die große Immobilien-Nachfrage aus dem Ausland und das touristische Modell verantwortlich machen.
Eine solche Demo nahm jüngst in Barcelona eine unerwartete Wendung, als eine Gruppe von Demonstranten Touristen mit Wasserpistolen bespritze, diese von ihren Stühlen auf Restaurantterrassen fliehen mussten. Obwohl diese Aktion als "spektakulär" angesehen wurde, spiegelte sie laut Tourismusminister Jordi Hereu zwar nicht die Meinung der Mehrheit der Spanier wider, sorgte aber dennoch für ein reges Medienecho.
Aber welche Nachricht kommt in Deutschland an? Bei deutschen Touristen? Spanien will uns nicht mehr, und auch das "17. Bundesland" hat uns nicht mehr lieb! Die Demos, so scheint es, sind ein gefundenes Fressen für Medien, die mit dieser Headline auf Klickfang gehen. "Mallorca will uns nicht mehr", schreibt zum Beispiel die "Berliner Zeitung". "Vermiest er uns die nächsten Mallorca-Ferien?", fragt sich der "Blick" vor dem Hintergrund der Ideen von Palmas Bürgermeister Jaime Martínez, den Zustrom an Touristen in der Stadt zu begrenzen.
Die Message ist klar: "Malle" will keine Urlauber mehr! So ganz stimmt das aber nicht. Der folgende Meinungsbeitrag ist der Versuch einer Erklärung:
Ein Problem ohne wirkliche Lösung
Der Tourismus auf Mallorca ist eigentlich eine einzige Erfolgsgeschichte. Die Entwicklung vom „unentdeckten Paradies” des Sissi-Vetters Erzherzog Ludwig Salvator hin zum Sehnsuchtsort der Massen – Mallorca wurde und wird geliebt, und die Insulaner wussten von Anbeginn daraus Kapital zu schlagen. Die Branche schafft heute Hunderttausende Arbeitsplätze, bewegt Millionen und hat zweifelsohne zum Aufstieg der Insel beigetragen.
Und: Rund 60 Jahre hat die Koexistenz zwischen Urlaubern und Einheimischen auch ganz gut funktioniert, spielte sich der Tourismus doch vor allem hinter dicken Hotelmauern, an chlor-sterilen Pools und an Stränden ab, an denen meist noch Platz für die Einheimischen blieb.
Aber: Die Zeiten, in denen man sich während des unwirtlichen deutschen Winters voller Sehnsucht im Hochglanzkatalog ein Hotel aussuchte und in einem Reisebüro buchte, um sich dann im Sommer 14 Tage auf der Pool-Liege den Hintern platt zu liegen, sind nun mal vorbei.
In Zeiten der sozialen Netzwerke ist kein Geheimtipp mehr geheim und alles ist allen zugänglich. Ferien sollen kein stumpfsinniges Erholen mehr sein, sondern Erlebnis, Erfahrung, Einzigartigkeit. Die Art, wie wir Urlaub machen, hat sich verändert. Wer nach Mallorca kommt, will nicht mehr Tourist sein, sondern Teil der Insel. Im urigsten Restaurant essen, für die Bucket List auch den letzten Winkel erkunden und im Idealfall im selben Viertel wohnen wie die Einheimischen. Der Instagram-Post ist wichtiger geworden als die Postkarte an Omi.
Um einen Vergleich mit der Tierwelt zu ziehen: Der Urlauber dringt heute – nicht nur auf Mallorca, sondern fast überall auf der Welt – zusehends in den natürlichen Lebensraum der Einheimischen ein und macht diesen nicht nur knapper, sondern vor allem teurer – und damit weniger lebenswert. Aber anders als in anderen Teilen der Welt passiert das auf der Boom-Insel Mallorca mit ganz besonderer Macht und in Lichtgeschwindigkeit. Dagegen demonstrieren die Mallorquiner, nicht jedoch gegen den Tourismus an sich. (von Patrick Czelinski)