Wer in der Altstadt von Palma de Mallorca ein WG-Zimmer für unter 1000 Euro findet, sollte es mit einem Gläschen Champagner einweihen. Schließlich ist diese Mission fast schon so realistisch wie einen Schneemann an der Playa de Palma zu bauen. Während sich Mallorcas Gastronomen den Kopf zerbrechen, wie sie ihre Speisekarten ohne Personal am Leben halten, zeigt ein mittelalterliches Dörfchen in Segovia, wie es geht – und lädt die Konkurrenz damit freundlich ein, doch mal zuzusehen.
Pedraza, ein Städtchen mit nur 400 Seelen, hat sich eine Lösung ausgedacht, die im Inselparadies derzeit unvorstellbar scheint: ein Arbeitsplatz, der nicht nur ordentlich bezahlt wird, sondern auch gleich das Wohnproblem löst. Die Taberna El Roscón sucht einen Oberkellner, bietet dafür aber keine Matratze in einer Besenkammer, sondern eine komplett freie Wohnung, ein Festgehalt von 2500 Euro pro Monat – und wer will, kann sich obendrein den Bauch vollschlagen, denn Essen und Trinken gibt’s auch noch gratis dazu.
Wer in Pedraza anheuert, bekommt somit jährlich satte 30.000 Euro auf die Hand und spart sich obendrein die lästige Suche nach einer Bleibe. Für die 3000 Euro Jahresmiete des Diensthauses kommt das Restaurant auf, Nebenkosten inklusive. Dass Mallorca in Sachen Personalbindung da nicht mithalten kann, dürfte klar sein – schließlich kostet auf der Insel allein ein WG-Zimmer oft mehr als das Monatsgehalt eines Kellners.
Die Anforderungen für den Job in Segovia sind dabei überschaubar: Drei Jahre Erfahrung in der Gastronomie, ein Führerschein und die Fähigkeit, zwischen mittelalterlichen Mauern nicht verloren zu gehen. Hochschulabschluss? Nicht nötig. Damit dürfte sich die Ausschreibung perfekt an all jene richten, die auf Mallorca als Gastronomiepersonal arbeiten, aber vom Immobilienmarkt längst vertrieben wurden – also an praktisch jeden, der einen Teller tragen kann.
Natürlich bleibt die Frage, wie viele Kellner bereit sind, die Strände Mallorcas gegen den ländlichen Charme Pedrazas einzutauschen. Sicher, es gibt in Segovia keinen Beachclub und auch keine Scharen von Touristen, die Sangria aus Plastikeimern schlürfen. Dafür hat das Dörfchen neben einem sorgenfreien Leben auch eine historische Kulisse zu bieten, die fast so aussieht wie eine Postkarte – nur eben ohne Mietwucher.