Kurz mal frei? Dann ab auf die Insel! Oder besser gesagt: Ab nach Palma! Denn die Hauptstadt hat sich längst über ihre Rolle als Tagesausflugsziel für auf Mallorca weilende Sommerurlauber hinausentwickelt. Heute gleicht die Balearen-Kapitale einem wahren „Naherholungsgebiet“ für Mittel- und Nordeuropäer und bildet – so Experten – quasi eine „Metropolregion ohne Landverbindung“, beispielsweise mit deutschen Großstädten wie Berlin, Hamburg oder Köln. Sprich: Man ist schnell dort – aber eben nicht per Auto oder S-Bahn, sondern per Flieger.
Dieser Wandel beschäftigt nicht nur Journalisten, wie ein kürzlich in der spanischsprachigen MM-Schwesterzeitung „Ultima Hora“ veröffentlichter großer Artikel zeigt, sondern auch Forscher wie Jesús González, Professor für Geographie an der Universität der Balearen (UIB): „Palma ist längst mehr als die langweilige Hauptstadt einer Urlaubs-Insel. Die Dynamiken hier ähneln bereits denen von Vorstädten großer Metropolen“, so der Experte.
Und weiter: „Ähnlich wie die Madrilenen, die in der nahen Sierra de Madrid ihre Zweitwohnsitze pflegen, haben sich mittel- und nordeuropäische Städter Mallorca als verlängerten Wohn- und Arbeitsraum erschlossen. Die Insel lockt sie mit einer perfekten Mischung aus mediterraner Leichtigkeit, hervorragender Infrastruktur und kurzen Flugzeiten an. Sie verbindet ein urbanes Lebensgefühl mit dem Komfort des Südens.“
Im Zentrum dieser Entwicklung steht der Flughafen Palma-Son Sant Joan. Mit mehr als 4000 Flügen allein im Januar – davon über 1500 ins Ausland – ist er der drittgrößte Airport Spaniens nach Madrid-Barajas und Barcelona-El Prat. Deutschland bleibt auch in der Nebensaison der wichtigste ausländische Markt: 740 Verbindungen führen im Januar in deutsche Städte, ergänzt durch zahlreiche Flüge nach Großbritannien, Österreich, Italien und Frankreich. Und: Ein Flug nach Berlin dauert kaum zweieinhalb Stunden, nach Frankfurt oder Stuttgart oft weniger als zwei. Diese Erreichbarkeit hat Palma zu einem idealen Ziel für Wochenendtrips gemacht, wie González bestätigt. „Früher nahm man das Auto, heute nimmt man eben das Flugzeug.“ Die Insel – insbesondere Palma – wird von vielen Deutschen nicht mehr nur als klassisches Urlaubsziel betrachtet, sondern als Teil ihres Alltags – ein Ort für schnelle Erholung und urbanes Leben zugleich.
Parallel zum Boom der Flugverbindungen spiegelt sich der Wandel auch auf dem Immobilienmarkt wider. José Miguel Artieda, Präsident des balearischen Immobilienmaklerverbands (API), betont, dass mittlerweile 36 Prozent aller Immobilienkäufe auf ausländische Käufer entfallen – der Großteil aus Deutschland und anderen nordeuropäischen Ländern. „Die Pandemie hat diesen Trend verstärkt. Viele nutzen die Insel als Homeoffice-Standort und pendeln für Meetings in ihre Heimatländer“, so Artieda. Dabei hat sich die Nachfrage teilweise auch verändert: Neben luxuriösen Villen an der Küste suchen die neuen Käufer zunehmend auch kleinere Wohnungen in der Stadt oder Häuser in ruhigeren, weniger touristischen Dörfern. Beliebte Palma-Viertel wie Santa Catalina oder El Molinar sowie malerische Orte wie Deià oder Valldemossa stehen ebenfalls hoch im Kurs.
Artieda nennt diesen Lebensstil „Halbresidenz“. Heißt: Viele der neuen Eigentümer leben nur zeitweise auf der Insel und betrachten Palma als eine Art mediterranes Refugium. „Für sie ist Mallorca ein Paradies. Sie suchen Ruhe, gutes Wetter und ein Stück Lebensqualität – aber ohne sich wirklich in die lokale Gemeinschaft zu integrieren.“ Auf diese Weise hat sich Palma zu einem städtischen Ballungsraum mit fast einer halben Million Einwohnern entwickelt, in dem nordeuropäischer Lebensstil auf mediterrane Kultur trifft.
Auch Immobilienunternehmer Marvin Bonitz (Minkner & Bonitz) bestätigt diesen Trend: „Viele meiner Kunden reisen donnerstags oder freitags auf die Insel und fliegen sonntags oder montags wieder zurück. Häufig entscheiden sie sich wetterabhängig.”
Die Auswirkungen dieser Art des „Zuzugs” zeigen sich aber nicht nur auf dem Immobilienmarkt, sondern auch in der Gastronomie, im Einzelhandel und in der Kunstszene. Ein Spaziergang durch Viertel wie Santa Catalina oder Son Espanyolet verdeutlicht den Wandel: Internationale Zuzügler treffen sich bei einem Glas Wein, füllen die Terrassen der Cafés oder feiern Silvester auf der Plaça Cort. Doch dieser Zuwachs an kosmopolitischer Vielfalt geht auch mit Herausforderungen einher. Die steigende Nachfrage nach Wohnraum treibt die Immobilienpreise in die Höhe – für viele Einheimische ist das Leben in Palma kaum noch erschwinglich.
„Wir erleben eine Transformation, die sowohl die Wirtschaft als auch die Gesellschaft grundlegend verändert“, analysiert González. „Die Zuwanderung aus dem Ausland prägt das Gesicht Palmas auf eine Weise, die nachhaltig sein wird.“
Pedro Fiol, Präsident des balearischen Reisebüroverbands AVIBA, sieht die Entwicklung als logische Konsequenz der globalen Vernetzung: „Palma ist der perfekte Ort für Städtetourismus. Die Klimavorteile, die Gastronomie und die Einkaufsmöglichkeiten sind hervorragend – und die Verbindung zu Europa macht es einfach, hierherzukommen.“ Mit den immer engeren Verbindungen zu Städten wie Berlin, London oder Wien werde Palma mehr und mehr zu einer vollwertigen Metropolregion – nur eben mit Meerblick.
Ein Grund für diese Entwicklung ist sicherlich auch das sich verändernde Reiseverhalten jüngerer Generationen, insbesondere der „Gen Z“, also der heutigen etwa 30-Jährigen. Laut der jüngsten Simon-Kucher-Travel-Trends-Studie reist diese Generation etwa 4,5-mal häufiger pro Jahr als beispielsweise die Baby-Boomer. Dies wird vor allem durch kürzere Trips von unter einer Woche oder oft nur durch verlängerte Wochenenden ermöglicht. Auch die Reisebranche hat diese Entwicklung längst erkannt. So bieten Reiseveranstalter wie Tui auf ihren Websites mittlerweile Mallorca-Trips mit nur einer oder zwei Übernachtungen an – ganz im Sinne des Mottos: „Buchen Sie Ihr Wochenende im Naherholungsgebiet Mallorca.”