Wer glaubt, dass Menschen auf hoher See automatisch klüger werden, hat noch nie eine Chartercrew auf Mallorca beobachtet. Jeden Sommer schaukeln sich bis zu 4000 Motor- und Segelyachten rund um die Insel in Richtung Sonnenuntergang – und manchmal auch ins Verderben. Etwa 80 Prozent davon sind Mietboote. Und auf mindestens der Hälfte steht am Steuer jemand, der seinen Bootsführerschein irgendwann mal zwischen Grillkurs und Golfreise gemacht hat. Der Großteil der Hobby-Skipper sitzt nämlich nur einmal im Jahr am Steuer – im Familienurlaub.
"Eine Yacht einmal im Jahr zu chartern, ohne öfter zuvor auf See gewesen zu sein, kann leicht in einer Katastrophe enden", sagt Lars Liewald, Berufsskipper auf Mallorca. Seit zwanzig Jahren schippert er vollkommen überforderte Anfänger, beschädigte Boote und gebrochene Träume zurück in die Realität. Manchmal fühlt er sich wie der Notarzt.
Schon beim Frühstück brennt’s – wortwörtlich. Die typische Espressomaschine auf dem Gaskocher sorgt nicht nur für Koffein, sondern auch für fiese Brandflecken auf dem Teakholztisch. "Oder auf Marmorimitaten aus Plastik, was fast noch schlimmer ist", seufzt Sievers. Macht dann gleich mal 200 bis 300 Euro Kautionsabzug – ein kleiner, heißer Gruß vom Morgenkaffee.
Teurer wird’s bei den Klassikern des Missgeschicks: Winschkurbeln über Bord werfen. Dach-Luken zertreten. Oder der Außenborder am Dinghi – das Beiboot – wird beim Anbringen fachgerecht im Meer versenkt. "Viele vergessen zudem, beim Anlanden am Strand den Motor hochzuklappen", so Liewald. Kein Kavaliersdelikt. Eher ein Tauchgang für die Kreditkarte.
Der "Endgegner" ist das Segel selbst
Doch der wahre Endgegner jeder Mallorca-Crew ist das Segel selbst. Wer in Hafennähe bei lauem Wind stolz das Großsegel setzt, merkt fünf Minuten später draußen auf See: Ups, da geht noch was. Wind. Wellen. Wahnsinn. "Dann müsste man reffen – also die Segelfläche verkleinern. Aber viele wissen gar nicht mehr, wie das geht", sagt Liewald. Die Folge: überlastete Leinen, zerrissene Segel, zerstörte Steueranlagen.
Dicht gefolgt vom Missbrauch des Autopiloten. Der soll eigentlich nur bei ruhiger See helfen, nicht bei Orkanstärke auf dem Weg an die französiche Rivera. Wer bei starkem Wind stundenlang hart am Limit fährt, überhitzt das System. "Dann versagt die Ruderanlage, und das wird richtig teuer." Kaution adé.
Auch unter Deck bleibt es spannend. Die Yachttoilette, ein empfindliches Wunderwerk maritimer Ingenieurskunst, sieht aus wie eine normale Schüssel, reagiert aber auf Toilettenpapier wie Dracula auf Knoblauch. Die Folge: Rohrverstopfung, Tankausbau, professionelle Fäkalienentsorgung. Ein Hoch auf die Urlaubserinnerungen.
Vorsicht vor Lackschäden im Hafen
Das eigentliche Finale aber spielt sich freitags im Hafen ab – Rückgabezeit. An den Tankstellen herrscht Opernstimmung: kreischende Fender, ungebremste Bugküsse, nervöse Crews, planlose Skipper. Wer vorher keine klaren Anweisungen gegeben hat, riskiert Lackschäden – beim eigenen Boot oder beim Nachbarn. Die Rechnung kommt garantiert. "Viele wissen nicht mal, wo der Dieseltank ist", sagt Liewald. "Oder verwechseln Diesel mit Wasser." Auch beliebt: den Tank mit Wasser vollmachen – und dann den Motor starten. Geräusch: kurz. Schaden: bleibend.
Sein Rat: "Macht einen Auffrischungskurs, bitte." Liewald bietet genau das an – inklusive Manövertraining, Reff-Tutorial und Pannenprävention. Für alle, die nicht am Ende ihrer Reise mehr über Versicherungsbedingungen als über das Segeln gelernt haben wollen.
Denn am Schluss steht nicht selten eine Yacht mit Dellen, eine Crew mit Schuldzuweisungen – und ein Urlaub, der sich anfühlt wie ein Banküberfall auf das eigene Konto. Und all das nur, weil jemand dachte: "Ach, wie schwer kann Segeln schon sein? Ist ja nur Wasser."