Die Gastronomiebranche auf Mallorca ächzt – trotz wieder steigender Touristenzahlen. Der Unternehmerverband Restauración CAEB meldet im ersten Quartal 2025 Umsatzeinbußen von 10 bis 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr, vor allem in touristisch geprägten Gegenden wie Port de Pollença oder Playa de Palma. „Das ist ein wirtschaftliches Warnsignal”, sagt Juan Miguel Ferrer, Präsident des Gastronomieverbandes, und betont: „Wenn die Ausgaben in unserem Sektor zurückgehen, betrifft das die gesamte lokale Wertschöpfungskette.” Paradox: Es kommen mehr Menschen, doch sie geben weniger aus.
Die Recherchen zeigen: Schuld daran ist auch der Aufstieg von All-inclusive-Angeboten, bei denen Urlauber ihre Mahlzeiten, Getränke, Snacks und oft auch Ausflüge im Hotelpreis inbegriffen haben – und daher außerhalb der Anlage kaum noch Geld ausgeben. Tui, der größte Reiseveranstalter der Insel, betont, dass rund 50 Prozent seiner Urlauber auf Mittelstreckenzielen wie Mallorca inzwischen „AI” buchen. Auf dem globalen Markt sind die Türkei, Ägypten, Tunesien und Kapverden führend: Dort bieten über 90 Prozent der Hotels All-inclusive ohne Nebenkosten an. In den Tui-Hotels bieten 25 Prozent der Unterkünfte All-inclusive-Pauschalen und 66 Prozent Halbpension an – der Rest nur Frühstück. Insgesamt gibt es fast 400 Hotels mit optionalem All-inclusive-Angebot.
Alltours, mit rund 350 Hotels im Portfolio, darunter 130 All-inclusive-Anlagen, meldet keine signifikanten Veränderungen bei Angebot oder Nachfrage. Tatsächlich haben manche Häuser in Magaluf und an der Playa de Palma auf „AI-Light” umgestellt oder bieten All-inclusive gar nicht mehr an. Für das Pauschalreiseunternehmen bleibt der All-inclusive-Boom dennoch ein stabiles Modell – allerdings ohne wachsende Zahlen auf Mallorca.
Die Türkei boomt
Parallel zur Entwicklung auf der Insel zeigen sich ähnliche Trends in anderen Destinationen: Die Türkei verzeichnet Rekordnachfrage deutscher Urlauber, besonders in Antalya, Dalaman und der Ägäis. Frühbuchungen steigen, Reservierungen aus Deutschland erreichen 1,2 Milliarden Euro. Auch Kroatien erlebt boomende Package-Deals: Die Kombination aus steigenden Flug- und Hotelpreisen und dem Wunsch nach Kostenkontrolle lässt All-inclusive dort glänzen. Der Effekt: Wer das kostenlose Büfettangebot nutzt, bleibt im Resort und lässt dadurch Cafés, Bars und Strandbuden leer stehen.
Ferrer weist darauf hin: „Es kommen mehr Menschen, aber sie geben weniger aus.” Gleichzeitig klettern die Betriebskosten: Steigende Rohstoffpreise drücken die Margen zusätzlich.
Er fordert deshalb schnelles Handeln – doch was kann Mallorca tun? Eine Option wäre die Begrenzung von AI-Kapazitäten oder eine Ausweitung von legalen Ferienwohnungen ohne Verpflegung. Außerdem könnten eine Steuer auf Resort-Umsätze oder ein Marketingpaket für die lokale Gastronomie helfen. Wichtig ist auch die Zusammenarbeit mit Veranstaltern – damit sie AI mit lokalen Anreizen koppeln oder Mindestaufenthalte in Stadtzentren fördern.
Tui argumentiert, All-inclusive sei nicht per se schädlich. Im Gegenteil: Es biete Budgetsicherheit in Zeiten hoher Lebenshaltungskosten. Zudem habe sich das Angebot erheblich verbessert: À-la-carte-Restaurants, Wellness- und Sportangebote – Gäste suchen Qualität, nicht nur Quantität. Dennoch entlässt das Mallorcas Wirte nicht aus ihrer Verantwortung, kreative und attraktive Konzepte für Ausflüge außerhalb der All-inclusive-Welt zu entwickeln.
Der Druck auf die Ortsgastronomie wächst
Alltours bestätigt: Auch Paare und Alleinreisende nutzen AI – nicht nur Familien. Das klassische Büfett-Image stimmt längst nicht mehr: Sport, Entertainment oder Lounge-Shopping sind heute oft Bestandteil des Programms. Damit wächst der Druck auf die Ortsgastronomie, sich neu zu positionieren – etwa mit echten Tapas-Erlebnissen, die All-inclusive-Produkte nicht ersetzen, sondern ergänzen.
Die Mallorca-Gastronomen stehen somit vor einer existenziellen Herausforderung. Einerseits zieht das Ausgabenmodell All-inclusive-Kunden ins Hotel, andererseits bleiben im Ort die Tische leer. Die Lösung kann nur lauten: Befreiungsschlag statt Abwinken. All-inclusive muss bestehen – aber zusätzlich ein Angebot, das bewusst ausbricht und Gäste raus aus dem Hotel lockt: Streetfood-Touren, Pop-up-Restaurants, Kooperationen mit lokalen Winzern. Nur so lässt sich das Ganze in ein Meer der Chancen verwandeln.
Mallorca – Touristenziel par excellence – erreicht gerade touristische Rekordzahlen. Jetzt gilt es, sich nicht vom aktuellen Globaltrend überspülen zu lassen, sondern ihn zu nutzen – zur Rettung einer Branche, die zuletzt zunehmend in Turbulenzen geriet.