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Reisetrends

Weg aus Deutschland, arbeiten am Strand: Immer mehr Menschen machen "Workation" auf Mallorca

Reiseveranstalter von Alltours bis Tui setzen auf das Geschäftsmodell "Arbeiten im Urlaub". Und die Insel wird zur Teststrecke eines Trends, der vielleicht mehr verspricht, als er manchmal halten kann ...

Fast jeder große Reiseveranstalter wirbt mit "Workation"-Angeboten. Mallorca punktet dabei mit Infrastruktur und Erreichbarkeit | Foto: Tui

| Palma, Mallorca |

Homeoffice, aber mit Sand zwischen den Zehen. Statt Kantine Fischfilet a la plancha und als After-Work-Event ein Sprung ins Meer. So in etwa lässt sich beschreiben, was die Reisebranche seit Kurzem "Workation" nennt: eine Mischung aus Arbeit und Ferien, bei der der Laptop zum ständigen Reisebegleiter wird. Für die einen ist es die moderne Form des Eskapismus, für die anderen eine clevere Art, Überstunden mit Sonnenschein zu versüßen. Und Mallorca ist der Schauplatz, an dem der neue Reisetrend gerade seinen großen Auftritt hat.

Besonders laut trommelt derzeit Alltours. In einer aktuellen Pressemitteilung erklärt der Veranstalter, dass "Langzeiturlaub einen spürbaren Imagewechsel" erlebe. Was lange Zeit nach Seniorenprogramm klang, wird nun als Lifestyle für digitale Nomaden und flexible Angestellte verkauft. Wer mindestens drei Wochen bleibt, bekommt bei dem Reiseveranstalter satte Ermäßigungen ab 21 Tagen – kombinierbar mit Frühbucher- oder Best-Ager-Rabatten.

Zusammengenommen seien laut Unternehmen bis zu 50 Prozent Gesamtersparnis möglich. "Tagsüber arbeiten, zwischendurch ein Strandspaziergang, abends ein Bad im Meer – und gleichzeitig Hotelkomfort genießen", heißt es in der PR-Botschaft. Und weil daheim die Heizungen im Winter laufen würden, verkauft man das Ganze gleich noch als Sparprogramm bei den Energiekosten.

Auch die Konkurrenz hat längst verstanden, dass sich das Wort "Workation" gut in Katalogen macht. Tui bietet spezielle Workation-Hotels an, in denen Gäste zwischen Strandbar und Businessraum pendeln können. Das Tui Blue Rocador auf Mallorca wirbt mit Wlan, Meetingräumen und Frühstücksbuffet – der Laptop gehört neuerdings zur Grundausstattung wie Liege und Poolhandtuch. Robinson, eine Tui-Tochter, geht noch einen Schritt weiter: In Clubs wie dem Cala Serena stehen nicht nur stabile Internetleitungen bereit, sondern auf Wunsch auch Drucker, Monitore und sogar abgeschirmte "Business Offices". Luxus hat seinen Preis: Eine Woche Workation im Robinson-Club kann gut und gerne 983 Euro pro Person kosten.

Etwas bodenständiger wirkt das, was Dertour als Langzeiturlaub verkauft. Ab drei Wochen Aufenthalt sinkt der Tagespreis deutlich, auf Gran Canaria gibt es bereits Pakete ab 402 Euro pro Person für 21 Nächte, Mallorca liegt preislich etwas höher. "Viele Hotels haben inzwischen erkannt, dass Gäste mehr wollen als nur Wlan. Sie brauchen ruhige Arbeitsplätze, gute Beleuchtung, manchmal sogar Coworking-Spaces", heißt es bei Dertour.

Und dann sind da noch die Flug-Hotel-Kombis der Billigflieger. Eurowings Holidays und Easyjet Holidays locken mit Mini-Workation-Deals: Handgepäck inklusive, Umbuchung flexibel, fünf Tage Can Picafort Ende Oktober ab 475 Euro pro Person. Klingt schick, hat aber einen Haken: Wer ernsthaft arbeiten will, braucht mehr als ein Hotelzimmer mit Balkon – und nach fünf Tagen ist kaum die PowerPoint fertig, geschweige denn der erholsame Teil.

Doch wie sinnvoll ist das alles wirklich? "Workation klingt verlockend, ist aber nicht automatisch produktiv", sagt Prof. Dr. Claudia Brözel, Tourismusforscherin an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde, im Gespräch. "Mallorca ist ideal, was Klima, Infrastruktur und Erreichbarkeit betrifft. Aber ohne gutes Wlan, Ruhe oder ergonomische Arbeitsplätze bleibt es nur ein Marketinggag." Vorteile sieht sie trotzdem: "Workation kann Mitarbeiter motivieren, Kreativität fördern und Destinationen außerhalb der Hochsaison beleben.“ Die Risiken: "Rechtliche Fragen, Kosten und die Gefahr, dass Arbeit und Urlaub verschwimmen – und man am Ende weder richtig erholt noch besonders produktiv ist."

Genau diese Gratwanderung macht den Trend so reizvoll – und so fragil. Für Veranstalter ist Workation eine neue Goldader, für Reisende eine Verheißung zwischen Zoom-Call und Sundowner. Wer clever bucht, spart tatsächlich: alltours bietet über Wochen hinweg All-inclusive mit Spa und beheiztem Pool, zu Preisen, die unter heimischen Heizkosten liegen. Wer Premium will, zahlt Robinson-Tarife. Und wer nur ein Selfie mit Laptop im Sonnenuntergang braucht, ist bei easyjet mit einem Kurztrip bestens bedient.

Am Ende bleibt die Frage: Ist Workation ein Fortschritt oder nur ein neues Schlagwort, das altes Urlaubsgeschäft in hipper Verpackung verkauft? Vielleicht beides. Fakt ist: Mallorca profitiert. Die Hotels füllen ihre Zimmer auch in der Nebensaison, Reiseanbieter verdienen doppelt – und die Gäste haben wenigstens die Chance, zwischen zwei Meetings ins Meer zu springen. Ob der Chef das "Kreativitätsschub" nennt oder bloß "Freizeitmissbrauch", dürfte in Berlin, München oder Hamburg entschieden werden. Auf Mallorca jedenfalls steht der Liegestuhl schon bereit.

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