Als die deutsche Fluggesellschaft Condor erstmals auf Mallorca landete, sah die Welt noch ganz anders aus. 1956. Elvis Presley sorgt mit seinem erstmals im Fernsehen ausgestrahlten Hüftschwung für Medienaufruhr, Nikita Chruschtschow leitet zunächst die Entstalinisierung ein und lässt dann mit Panzern den Volksaufstand in Ungarn niederschlagen, Ägypten löst mit der Verstaatlichung des Suezkanal eine internationale Krise aus, in der Bundesrepublik wird die Bundeswehr geschaffen, Borussia Dortmund steigt erstmals zum deutschen Meister auf, im Atlantik geht das italienische Passagierschiff "Andrea Doria" unter, in Monaco heiraten Fürst Rainier III. und die US-amerikanische Schauspielerin Grace Kelly.
Seit jenen Tagen hat sich das Weltgeschehen gehörig gewandelt, aber die Condor fliegt nach wie vor Mallorca an, seit 60 Jahren schon. "Diese Kontinuität hat sich eingeprägt als Markenzeichen. Wir sind stolz auf unsere Unternehmensgeschichte, freuen uns aber auch auf die Zukunft unserer Airline", sagte der in Palma de Mallorca beheimatete Condor-Vertriebschef für Spanien, Portugal und Lateinamerika, Carsten Sasse.
Und die Zukunft, zumindest die nahe Zukunft, sieht für diesen Sommer ein Wachstum von zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr vor, was die Flugverbindungen zwischen Deutschland und Mallorca betrifft. Das heißt, Condor hat von März bis Oktober rund eine Millionen Flugsitze im Einsatz, die auf den Inselrouten angeboten werden. Das macht 36.000 Flugsitze beziehungsweise 71 Hin- und Rückflüge pro Woche.
Noch mehr Bewegung entsteht, wenn man die zur Condor zählenden Schwester-Gesellschaften der Thomas Cook Airlines Großbritannien, Belgien und Skandinavien hinzuzählt. Dann steigt die Gesamtzahl der Flugsitze um elf Prozent auf 2,2 Millionen. Soll heißen: Die Airlines befördern während des gesamten Sommerflugplans bis zu 1,1 Millionen Passagiere, zumeist Urlauber, nach Mallorca und wieder zurück in ihre Heimatländer. Die Insel ist dadurch an neun deutsche, 13 britische, 13 skandinavische und zwei belgische Städte angeschlossen.
Das Geheimnis hinter der Erfolgsgeschichte von Condor liegt vielleicht auch darin, dass der Jungfernflug der Gesellschaft vor sechs Jahrzehnten an eine Heilige Städte führte: Am 29. März 1956 startete eine Propellermaschine vom Typ Vickers Viking der Deutschen Flugdienst GmbH in Frankfurt am Main nach Jerusalem. Die reine Flugzeit betrug elf Stunden. Zum Auftanken musste in Nizza, Athen und Damaskus zwischengelandet werden.
Nur wenige Wochen nach der Reise ins Heilige Land starteten die ersten Flüge nach Mallorca. In kürzester Zeit entwickelte sich das Unternehmen zu einer der wichtigsten Airlines mit Zielflughafen Palma. 1962 - die Gesellschaft firmiert seit einem Jahr als Condor Flugdienst GmbH und ist eine 95-prozentige Tochter der Deutschen Lufthansa - werden 18.400 Fluggäste nach Mallorca befördert.
Die Insel avanciert zum Spitzenreiter im Condor-Programm. Mitte der 1960er Jahre machen die Mallorca-Flüge gut 60 Prozent des Programms der Condor aus.
Der einsetzende Tourismusboom auf der Insel und das steigenden Angebot der Airline bei allmählich erschwinglich werdenden Preisen für Veranstalter- und Pauschalreisen beflügeln sich gegenseitig. Viele der damaligen Fluggäste sind Erstflieger, die sich einmal im Leben den Traum vom Reisen durch die Luft verwirklichen möchten. Zum Teil sparen sie das ganze Jahr auf einen Ferienaufenthalt auf Mallorca samt Flug, Unterkunft und Verpflegung.
"Was damals stattfand, war das Umsteigen von Bus- auf Flugreisen", erinnerte sich einmal der frühere Condor-Manager Herbert Wendlik in MM. Von daher sei auch das Klatschen der Passagiere nach erfolgter Landung zu erklären. "Mit dem Beifall wurden in den Bussen die Reiseleiter nach einer Tour verabschiedet."
Die Nachfrage nach Sommer, Sonne, Strand und Meer ist so groß, dass die Airline von 1971 an zwei "Jumbos" vom Typ Boeing 747, damals das größte Passagierflugzeug der Welt, einsetzt. Die beiden Maschinen unter den internen Namen "Max" und "Fritz" bieten jeweils 500 Passagieren Platz. Sie sind bis 1979 im Einsatz.
Das Beispiel zeigt, dass Condor immer wieder innovative Wege beschritt: Dazu zählten unter anderem Modeschauen, die an Bord der Maschinen in der Luft veranstaltet wurden. Der Mittelgang als Laufsteg.
Ungewöhnlich war auch die Idee, etwa zu den Geburtstagsjubiläen einzelne Maschinen von Künstlern gestalten und umlackieren zu lassen. Zum 40-jährigen Bestehen der Airline 1996 wurde diese Ehre dem Maler und Grafiker James Rizzi zuteil.
Eine weitere Neuheit ist das 2015 deutschlandweit eingeführte "Airshoppen": Fluggäste können dabei bereits von zu Hause aus 950 Produkte aus dem Programm des Bordverkaufs wählen, steuerfrei einkaufen und dabei bis zu 60 Prozent sparen. Der Einkauf wird wahlweise auf dem Hin- oder Rückflug an den Sitzplatz des gebuchten Fluges geliefert.
Ungewöhnlich für eine Airline ist auch der anlässlich des Geburtstages ausgelobte Backwettbewerb. So mancher Teilnehmer schuf dazu Kuchen mit täuschend echt wirkenden Flugzeugmodellen aus Marzipan und Zuckerguss.
Die Passagiere und Mitarbeiter scheinen mit Condor durchaus zufrieden zu sein: Allein 2015 wurde die Airline mit dem Goldsiegel "Service Champion 2015" (eine Studie im Auftrag der Tageszeitung "Die Welt") sowie dem "Kundenvertrauens-Ranking 2015" für "sehr hohes Kundenvertrauen" ausgezeichnet. Das Nachrichtenmagazin Focus wiederum ermittelte in Zusammenarbeit mit dem Marktforschungsinstitut Statista Condor als "beliebtesten Arbeitgeber" 2015.
Nur einmal war der Kundenprotest unüberhörbar. Das war im Jahre 2002, als der Reisekonzern Thomas Cook (Neckermann) die Fluggesellschaft auf seinen eigenen Namen umtaufte. Doch bald schon erkannten die Manager, dass dieser Wechsel ein Fehler gewesen war. Keine zwei Jahre später kehrte man zum berühmten Markennamen Condor zurück.
Daran änderte sich auch nichts, als Thomas Cook im Jahre 2009 von der Deutschen Lufthansa das gemeinsame Tochterunternehmen vollständig erwarb. 2013 wurden alle Fluggesellschaften des mittlerweile internationalen Reisekonzerns zur Thomas Cook Airline zusammengeschlossen, einzig die deutsche Condor durfte in diesem Bündnis weiter ihren Namen beibehalten. Gemeinsam ist allen Maschinen als Logo das Flammenherz "Sunny Heart", das der Konzern 2013 einführte. "Das Herz steht für Werte, die unsere Kunden zu schätzen wissen: Verlässlichkeit, Persönlichkeit und Innovation - unabhängig, ob vor, während oder nach dem Flug", sagt Sasse.
Condor sieht sich für die Zukunft gut aufgestellt. Im Mai wird die Flotte um drei neue Boeing 767-300ER auf insgesamt 45 Maschinen erweitert. Jährlich fliegen rund sieben Millionen Menschen mit der Airline 75 Destinationen auf vier Kontinenten an.
(aus MM 14/2016)