Eine Low-Cost-Airline ist eine Fluggesellschaft, die Flüge billiger anbietet als klassische Airlines und dafür auf Komfortmerkmale verzichtet. So in etwa lassen sich Easyjet, Ryanair, Vueling und Konsorten kurz und knapp umschreiben - eben jene Unternehmen, die mit ihren teils radikalen Billig-Konzepten seit Jahren auch auf Mallorca den Flugmarkt aufmischen.
Es ist gut zehn Jahre her, da erreichte der Preiswahn der Low-Budget-Airlines in Europa seinen Höhe- und die Preise ihren Tiefpunkt. Ryanair - mit fast 117 Millionen Passagieren mittlerweile Europas größte Fluggesellschaft - bot zwischenzeitlich Flüge für 1 Cent (!) an. Solche Offerten entdeckt man heute nur noch selten. Wer im Vorfeld der Ostertage oder bei der Planung des Sommerurlaubs nach Flügen sucht, stößt bei den so genannten Billig-Airlines auf vergleichsweise hohe Flugpreise. Hin- und Rückflug auf der Kurzstrecke jenseits der 200 Euro sind mittlerweile auf beliebten Routen fast schon an der Tagesordnung.
Stichproben: Ryanair verlangt für Hin- und Rückflug von Palma nach Mailand-Bergamo Ende Juli stolze 215 Euro, nach Stockholm werden im August 194 Euro fällig und wer mit Easyjet spontan nach London fliegen möchte, muss 120 Euro berappen. Das sind zwar immer noch Preise, von den man früher nur träumen konnte, die Zeiten der 19-Euro-Flüge scheinen aber vorbei zu sein. Sind die Billig-Airlines wirklich teurer geworden?
"Die Low-Cost-Carrier sind nicht mehr so günstig wie vor zehn bis 15 Jahren", erklärt der Luftfahrtexperte Gerd Pontius, CEO der Unternehmensberatung Prologis AG, die Fluggesellschaften unterstützt. Der Branchenkenner führt als Grund für diese Entwicklung verschiedene Faktoren an. Einer davon ist der mittlerweile hohe Bekanntheitsgrad der Billig-Airlines. Die Passagiere haben sich an das radikale Niedrigpreis-Konzept gewöhnt. "Extrem günstige Preise wie beispielsweise 9,99 Euro für einen Flug sind immer nur Aktionspreise", erklärt Pontius. Low-Cost-Carrier mussten früher mit solchen Aktionen verstärkt auf sich aufmerksam machen, um sich am Markt zu etablieren. Heute werden solche Preisaktionen nur noch punktuell in einzelnen Märkten eingesetzt und betreffen dann meist nur wenige Sitze.
Dass solche "Knaller-Preise" immer nur Ausreißer waren, bestätigt auch Cord Schellenberg, Experte für zivile Luftfahrt und die Reiseindustrie. "Es war für den Verbraucher immer toll, wenn er einen solchen Tarif ergattern konnte, üblich war das aber nicht. Wer heute für 100 oder 150 Euro nach Mallorca fliegt, der reist ja immer noch vergleichsweise günstig."
Easyjet, Ryanair und Co. hätten zudem mit wachsenden Ausgaben zu kämpfen, sagt Pontius. "Die Billigfluggesellschaften haben gemerkt, dass das Potenzial von 'Feld- Wald- und Wiesenairports' bei steigenden Flottenzahlen nicht mehr wirklich ausreicht, um die Maschinen zu füllen und drängen deshalb vermehrt an Großflughäfen." Jüngstes Beispiel ist Ryanair. Vor zwei Wochen hob die irische Billig-Airline erstmals vom Rhein-Main-Flughafen in Frankfurt ab - Flugziel Mallorca. "Im Gegensatz zu Sekundärflughäfen wie Frankfurt-Hahn oder Düsseldorf-Weeze müssen die Airlines an großen Airports deutliche höhere Gebühren bezahlen", erklärt der Experte. "Das können bis zu 25 Euro pro Flugreisender sein." Diese Kosten wälzen die Airlines dann auf die Passagiere ab. Auch arbeiten viele Low-Cost-Carrier mittlerweile mit Reisebüros zusammen und verfahren nicht mehr nur nach dem Konzept, Start-Ziel-Flüge anzubieten, sondern betreiben ein Netzwerk. "Man kann also sagen, die Organisationsstruktur der Billigflieger ist komplexer und damit teurer geworden", so Pontius.
Die Tatsache, dass mittlerweile auch Großkonzerne wie die Lufthansa-Gruppe, die International Airlines Group (British Airywas, Iberia) und Air France-KLM eigene Billig-Töchter auf den Markt gebracht haben, um mit der Konkurrenz Schritt zu halten, verstärke den Preiskampf. Trotz des großen Angebots führe die noch größere Nachfrage auf einigen Strecken und zu bestimmten Zeiten zu steigenden Raten.
"Ryanair hat es dabei ganz gut verstanden, dass man mehr Geld für einen Flug verlangen kann, wenn man dem Kunden zum einen mehr Flexibilität bietet, zum anderen den Service verbessert", meint Cord Schellenberg. "Vor allem in den Abendstunden, wenn viele Leute fliegen wollen, sind die Flüge oft teurer.
Die Billig-Airlines sind im Schnitt aber nach wie vor günstiger als die so genannten "Legacy-Carrier", also traditionelle Fluggesellschaften, die seit Jahrzehnten am Markt sind", sagt Gerd Pontius. "Sie haben günstigere Produktionskosten als die lange etablierten Anbieter und sie nutzen diesen Kostenvorteil immer dann, wenn der Wettbewerb es erfordert." Und dennoch: im tobenden Preiskampf sieht Pontius für die Billig-Airlines keine Möglichkeiten mehr, die eigenen Kosten weiter zu senken. "Es wurde bereits an allen Schrauben gedreht, da ist alles ausgereizt." Von daher gilt, dass der zunehmende Wettbewerb die Preise zwar weiter unter Druck setzen wird, sie aber bei starker Nachfrage oder auf Strecken ohne scharfe Konkurrenz steigen werden.
Flugexperte Schellenberg glaubt, dass es für Nutzer trotzdem das ein oder andere "Sommer-Schnäppchen" geben kann. "Wenn Mallorca zur Hochsaison wieder einen Boom erlebt und die Hotels ausgebucht sind, werden sich vermutlich Kunden gegen einen Flug auf die Insel entscheiden, wie es letzten Sommer passiert ist." Folge: Die Nachfrage sinkt plötzlich, die Tickets werden spontan billiger. "Weil der Flugplan ja steht und die Airlines nicht einfach abspringen können. Verlassen sollte man sich darauf aber nicht, schon gar nicht, wenn man zeitlich gebunden ist. Das ist eher etwas für flexible Reisende", sagt der Experte.
(aus MM 15/2017)