Schau mal, dort hängen die Früchte vom letzten Jahr und von diesem", sagt Tomeu Cànoves: "Schön, oder?" Der Landwirt aus Pollença baut seit 30 Jahren Avocados an. Die Finca Morell bewirtschaftet er gemeinsam mit Xanthe Jeffries. Über 100 immergrüne Avocado-Bäume wachsen dort, die bis zu 30 Meter hoch werden und jeweils bis zu 300 Kilo Früchte im Jahr tragen.
Die Avocado ist seit einigen Jahren im wahrsten Sinne des Wortes in aller Munde. Sie enthält viele ungesättigte Fettsäuren, Vitamine und Mineralstoffe. Die Frucht gehört zu den wichtigsten Bestandteilen der veganen Küche. Aufgrund ihres Fettgehaltes ersetzt sie dabei Butter und Eier. Doch auch Fleischesser nutzen sie gern als Zutat: Die Frucht kommt auf den Burger, in den Guacamole-Dip oder auch pur aufs Brot, gern in Begleitung von einem Ei. Mit der Zeit wurde die Frucht für ihre Anhänger zu einem Bestandteil gesunder und moderner Ernährung, zu einem wahren "Superlebensmittel". In Deutschland und Spanien hat sich der Avocado-Konsum in den vergangenen fünf Jahren verdoppelt. Für die mallorquinischen Bauern ist die Frucht ein Nischenprodukt, nur wenige Landwirte bauen sie an.
Tomeu Cànoves und seine Eltern begannen Mitte der 80er Jahre aber nicht mit dem Anbau von Avocados, weil sie ein Geschäft witterten. "Mir gefielen die Bäume so gut", erzählt der 67-Jährige. Er lernte die Pflanze auf der Finca eines Engländers bei Lluc kennen. Das mallorquinische Klima bietet gute Bedingungen für die Bäume.
Das Image der "sauberen" Avocado hat aber einige Kratzer abbekommen. In Lateinamerika führe die hohe Nachfrage zu Abholzung, Monokultur, dem massiven Einsatz von Pestiziden, Wasserproblemen und weiten Transportwegen. Käufer von Tomeus Früchten hingegen können ein gutes Gewissen haben. Seine Avocados sind ein regionales Produkt, bewässert werden sie täglich via Tröpfelanlage mit dem Nass aus dem eigenen Wasserspeicher und auf der Finca wachsen zudem noch anderes Obst, Gemüse und Oliven. "Ich spritze meine Bäume nicht mit Gift, sie bekommen nur Schafsscheiße, um gut zu wachsen", sagt der Landwirt.
Dass die Avocado immer beliebter wird, merkt auch er. "Meine Eltern haben sie früher nur an Hippies verkauft", erinnert sich der 67-Jährige. Inzwischen kommen auch 80-jährige Mallorquinerinnen an seinen Stand, um jede Woche drei, vier Avocados zu erwerben. Tomeu bietet seine Ernte immer sonntags auf dem Wochenmarkt in Pollença an sowie in einem Bioladen in Alcúdia. "Bei mir kostet das Kilo Avocado vier Euro", erzählt er. Anderswo sei es viel teurer: "Ich habe gehört, in Frankreich werden die Früchte pro Stück gehandelt", erzählt der Landwirt und schüttelt den Kopf. Aus weiten Teilen der Insel kommen inzwischen die Kunden, um seine Avocados zu kaufen.
Denn frischer geht es kaum: "Ich pflücke sie meist erst am Samstag, weil Sonntag Markt ist", erzählt er. Die Avocados müssten dann noch einige Tage liegen, damit sie weich werden. Denn die Früchte reifen nicht am Baum, sondern erst nach der Ernte, erklärt der Experte. Ein bisschen Zeit, Sonne und Wasser müsse man ihnen allerdings gönnen. "Avocados aus Übersee werden oft zu früh vom Baum geholt", erklärt er, deshalb sei das Fruchtfleisch entweder hart oder schon braun. Was jetzt im Sommer an seinen Bäumen wächst, sei kurz vor Weihnachten bereit für die Ernte.
Auf die Frage, wie viele Avocados er selbst isst, muss Tomeu schmunzeln. "Ich esse die Früchte gar nicht so oft", gesteht er dann. Ein Lieblingsrezept habe er also nicht. Seine Mitstreiterin Xanthe Jeffries und ihre Mutter hingegen schon. "Ich mag Avocados im Salat, zu Gambas, roter Soße und auch im Schokoeis", erzählt sie. Xanthe Jeffries verträgt keine Milchprodukte. Anstatt mit Sahne bereitet sie ihr Speiseeis also mit Avocados zu. "Das wird super cremig und schmeckt toll", betont die Engländerin.
(aus MM 29/2017)