Wer als Pressevertreter beim Inselrat dieser Tage etwas über das neueste Autobahn-Projekt auf Mallorca in Erfahrung bringen möchte, wird in der Regel freundlich, aber bestimmt abgeblockt. Was man darüber zu berichten habe, könne man auf der Consell-Homepage in Erfahrung bringen, bekam MM wiederholt lakonisch von der Presseabteilung zu hören.
Die Zurückhaltung überrascht nicht, denn die Verbreiterung der fast geraden und dennoch unfallträchtigen Landstraße Ma-19 von Llucmajor nach Campos bringt den von der linksregionalistischen Partei Mes geführten Inselrat in Schwierigkeiten. In den Wochen vor dem offiziellen Beginn der Bauarbeiten am 14. November in Campos, schwoll der Widerstand gegen das Millionen-Projekt fast dramatisch an: Zunächst einmal gründeten 40 Gegner die Internet-Plattform „autopista mai.org” („Autobahn niemals”).
Was aber noch schlimmer für die in der Oppositionszeit noch autobahnfeindlichen jetzigen linken Regierenden auf der Insel ist, ist die Tatsache, dass ihnen zunehmend Parteimitglieder in dieser Frage von der Fahne gehen. Einige Spitzenleute der die Regierung unterstützenden Spontipartei Podemos schossen jüngst öffentlich gegen das Projekt. Und die „Iniciativa Verds”, eine grüne Untergruppe bei Mes, überlegt sogar, vor den immer näherrückenden Regionalwahlen im Mai 2019 auszusteigen und separat anzutreten.
Consell-Chef Miquel Ensenyat sah sich mittlerweile genötigt, die Renegaten zur Ordnung zu rufen und ihnen „Treue” zu unterschriebenen Verträgen abzuverlangen. Am Mittwoch legte er nach: Auf einmal soll die Autobahn zehn Meter schmaler werden.
Dass linke Regierende das mit einem Etat von 42 Millionen Euro ausgestattete Autobahnprojekt fast unverändert wie ihre konservativen Vorgänger mit Macht vorantreiben, will Jaume Mas nicht in den Kopf. „Wir verstehen das nicht”, so der Koordinator der Plattform „autopistamai.org” zu MM. „Das Problem ist doch, dass diese Autobahn der weiteren Spekulation in der Gegend Tür und Tor öffnet.” Jaume Mas ärgert besonders, dass das Projekt einfach so entschieden und nicht vom Inselparlament abgesegnet worden sei. „Der Plan wurde zudem nie offiziell vorgestellt”, so der Autobahngegner, geschweige denn die Anwohner gefragt. Er sei also nicht transparent. Daher sei man selbst von „autopistamai.org” im Sommer durch die Dörfer gezogen sei, um die Leute zu informieren. Jaume Mas vermutet denn auch Geschäfte im Hintergrund, über die noch nichts bekannt sei, zumal eine der beauftragten Baufirmen Copisa sei. Die war wegen mutmaßlicher Schmiergeldzahlungen an Politiker in Katalonien ins Gerede gekommen.
Dass der Bau des neun Kilometer langen Autobahnstücks wegen der vielen Unfälle nötig sei, ist laut dem Protestler schlichtweg falsch. „Zwischen Januar 2013 und September 2018 kamen auf dieser Straße nur sechs Menschen bei Unfällen ums Leben, auf der Verlängerung, der Autobahn Palma-Llucmajor, waren es jedoch 15.” Diese Zahlen sind genauso richtig wie weitere ganz anders klingende gegenteilige, die vor einigen Jahren der Inselrat verbreitet hatte: Zwischen den Jahren 2010 und 2014 kam es danach auf der Landstraße zu 110 Unfällen mit 83 Verletzten und sechs Toten, auf der anschließenden Autobahn aber lediglich zu 39 Crashs mit drei Toten und 42 Verletzten.
In diesem Zusammenhang ist interessant, dass die Zahl der schlimmen Unfälle auf der Ma-19 laut Jaume Mas nach 2015 signifikant nach unten ging, und das sogar in den überlaufenen Sommermonaten. „Das lag an simplen Maßnahmen wie dem Aufpinseln durchgezogener Linien und der Reduzierung der Höchstgeschwindigkeit auf einigen Abschnitten”, so der Autobahngegner.
Ob die Bezeichnung „Todesstraße” für die Ma-19 richtig ist, ist also nicht in Stein gemeißelt. Unstrittig ist jedoch, dass der Eingriff in die Natur extrem ist: Mehrere Hundert Bäume müssen während der Bauarbeiten gefällt werden, darunter uralte Oliven- und Mandelbäume. 44 Hektar Anbaufläche und Wälder werden wohl außerdem verschwinden. Hinzu kommt, dass die öffentliche Hand Flächen auf 220 Fincas zwangsenteignet. „Und das alles, damit Autofahrer eine Minute und 48 Sekunden schneller am Ziel sein können”, so Jaume Mas.
Statt die Straße zur Autobahn auszubauen, müsse der öffentliche Nahverkehr gepusht werden, so der Autobahngegner. „Es ist auf Mallorca noch immer nicht möglich, im Bus von gewissen Dörfern in nahegelegene andere zu gelangen, ohne erstmal nach Palma zu müssen, um dort umzusteigen”, sagt er.
Ein Ausbau des Schienennetzes sei ebenfalls ratsam, zumal es bis in die zweite Hälfte der 50er Jahre ja eine Bahnlinie von Palma in die Gegend gegeben habe, nämlich nach Felanitx. Außerdem könne man auf der Landstraße, wie es das woanders auf der Insel auch gebe, den Verkehr auflockern, indem man hier und dort umweltschonend und kostengünstiger Extraspuren anlegt.
(aus MM 47/2018)