Mit der Entscheidung, die Flugverbindungen von und nach Mallorca fast vollständig einzustellen, bewegt sich die spanische Regierung auf einer Linie mit anderen Regierungen weltweit. „Ich gehe davon aus, dass der Flugverkehr für Passagiere praktisch völlig zum Erliegen kommen wird”, sagt Luftfahrtexperte Cord Schellenberg. Frachtverkehr und Nottransporte werde es zwar weiterhin geben, im Moment seien aber alle Airlines darauf aus, den Betrieb runterzufahren, sodass sie die Kosten so weit wie möglich reduzieren und nicht jetzt noch den ohnehin zu erwartenden hohen Verlusten weiteres Geld hinterherwerfen. „Mit praktisch leeren Flugzeugen durch die Gegend zu fliegen etwa macht einfach keinen Sinn”, sagt Schellenberg.
Klar sei aber auch, dass keine der Fluggesellschaften die aktuelle Krise unbeschadet überstehen werde. „Ohne staatliche Unterstützung wird es bei keiner Airline gehen”, so Schellenberg. Am größten sei die Wahrscheinlichkeit, dass die Staaten letztendlich Milliarden Euro in die Hand nehmen werden, um Anteile der Fluggesellschaften zu erwerben. Angesichts dieses Szenarios spiele beispielsweise die Erhöhung der Luftverkehrssteuer zum 1. April nur eine Nebenrolle. Zum einen, weil sie angesichts der praktisch nicht vorhandenen Flüge in nächster Zeit gar nicht zum Tragen kommt, zum anderen, weil der Geldbedarf der Airlines so groß sein wird, dass die Abgabe im Vergleich dazu kaum ins Gewicht fällt.
Zwar kann derzeit noch niemand vorhersagen, welche Auswirkungen die Corona-Krise letztendlich auf die Luftverkehrswirtschaft haben wird, Cord Schellenberg glaubt aber nicht an eine grundsätzliche Veränderung des Flugverhaltens der Leute. Vergangene Krisen wie die Anschläge vom 11. September in den USA hätten gezeigt, dass das Vertrauen in die Luftfahrt schnell wieder hergestellt sei. „Wenn es wieder losgeht, dann reisen die Leute sogar mehr als vorher”, sagt Schellenberg. „Nicht nur, weil sie kompensieren wollen, was sie verpasst haben, sondern weil Reisen einfach Spaß macht.” Der Trend werde weiter dahin gehen, statt einer längeren Reise pro Jahr mehrere Kurztrips zu unternehmen. Daran werde etwa auch die Klimaschutzbewegung nichts ändern. „Ich bezweifle, dass viele Leute bereit sind, mit dem Auto von Deutschland nach Mallorca zu fahren”, sagt Schellenberg. Auch dass die Menschen plötzlich gar nicht mehr nach Mallorca wollen, sondern nur noch in der Region Urlaub machen, sehe er nicht. „Der Verzicht findet doch eher in der Theorie statt”, sagt er. Kürzlich habe er sich mit einem Mitarbeiter von Greenpeace unterhalten, der auch europaweit zu Terminen mit dem Zug fahre. „Da hat man die Zeit offenbar. So viele Firmen aber können sich das nicht erlauben.”
Auch bei der Entwicklung alternativer Antriebe, um die Luftfahrt umweltverträglicher zu machen, sei nicht mit kurzfristigen Veränderungen zu rechnen. Es sei zwar klar, dass das Fliegen sauberer werden muss, Lösungen aber lägen noch in weiter Ferne. „Das Problem ist: Um erneuerbare Energien nutzen zu können, braucht man Batterien. Die aber sind so schwer, dass Flugzeuge entweder gar nicht starten oder keine Passagiere transportieren können. Oder sie müssen nach 45 Minuten schon wieder landen.” Außerdem seien Entwicklung und Tests so aufwendig, dass sie Jahre dauern. Auch die Gewinnung von Kerosin aus erneuerbaren Energien sei zumindest kurzfristig keine Alternative. Die Kosten dafür seien derzeit etwa fünfmal so hoch wie für herkömmliches Kerosin. Auch hier sieht er den Staat in der Pflicht, Geld in Forschung und Entwicklung zu stecken, um wettbewerbsfähige Preise zu erreichen.
Ein weiteres Thema, das in absehbarer Zukunft auf die Tagesordnung rücken dürfte, ist die Reform der EU-Vorschriften zu den Fluggastrechten. Geplant ist hier unter anderem die Ausdehnung der Verspätungsdauer, ab der die Fluggesellschaften ihren Passagieren eine Entschädigung zahlen müssen. Der Grenzwert soll von drei auf fünf Stunden angehoben werden. Verbraucherschützer kritisieren das, Fluggesellschaften dagegen beklagen seit Jahren die enormen Kosten, die ihnen dadurch entstehen. Die Lufthansa etwa hatte Medienberichten zufolge in ihrer Jahresbilanz für das Jahr 2018 erklärt, 518 Millionen Euro wegen Flugverspätungen und -ausfällen aufgewendet zu haben. Cord Schellenberg aber hält den Schutz der Passagiere für wichtig. „Ich glaube, das ist für die Airlines ganz heilsam”, sagt er. „Sonst kann das schnell aus dem Ruder laufen, was dann zulasten der Passagiere geht.” Problematisch sei aber, dass die in der EU ansässigen Fluggesellschaften durch die Regelung benachteiligt werden. Diese sehe nämlich nur bei ihnen eine Pflicht zur Zahlung von Entschädigungen sowohl auf dem Hin- wie auf dem Rückflug vor. Airlines mit Sitz in anderen Gegenden müssten nur bei Flügen zahlen, die in einem EU-Land starten. Das verzerre den Wettbewerb. „Da wäre eine weltweite Regelung sicher besser.”