Mallorca Magazin: Herr Ahlhaus, zunächst herzlichen Glückwunsch zur Wahl als neuer Vorsitzender des BVMW am 19. Juli! Herr Plattes, ebenfalls Gratulation zur Repräsentanz des BVMW auf den Balearen – war diese Ernennung überraschend für Sie?
Willi Plattes: Ja, das kam sehr unverhofft über eine Empfehlung Empfehlung vom Präsidiumsmitglied des Verbandes, Dr. Helmut Baur, zustande, mit dem ich seit 22 Jahren geschäftlich und freundschaftlich in Kontakt stehe. Es ist für mich eine große Ehre und ergänzt perfekt unsere Aktivitäten wie das Wirtschaftsforum "Neu Denken" hier auf der Insel. Denn Unternehmer brauchen nicht nur ein Wissen um Recht und Steuern, sondern neue Ideen und kreative Impulse durch Vernetzung von Wirtschaftslenkern untereinander.
MM: Herr Ahlhaus, hat der BVMW eigentlich auch andere Auslandsrepräsentanzen?
Christoph Ahlhaus: Wir haben über 70 Auslandsvertretungen in der ganzen Welt. Die Repräsentanz auf den Balearen, die wir mit der PlattesGroup seit 1. August in Palma neu etabliert haben, wird allerdings etwas ganz besonderes sein. Wir stehen vor einer Art Zeitenwende, denn im globalisierten Wettbewerb brechen jahrzehntelang erprobte Lieferketten zusammen und Unternehmen suchen nach neuen Vertriebswegen. Dabei spielt Mallorca eine herausragende Rolle, denn viele Firmen organisieren sich wirtschaftlich von hier aus neu. Es ist kein Geheimnis, dass viele mittelständische Unternehmer ihr deutsches Unternehmen von Mallorca aus führen. Dem müssen und wollen wir als Verband Rechnung tragen.
MM: Warum ist der Mittelstand eigentlich wichtig für Deutschland, und wer zählt zu Ihren Mitgliedern?
Ahlhaus: Der Mittelstand ist das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, er schafft Wohlstand und Arbeitsplätze und damit soziale Sicherheit in unserem Land. Mittelständische Unternehmer sind häufig inhabergeführt und haben von jeher ein besonderes Verantwortungsgefühl vor allem für ihre Mitarbeiter. Sie denken in Generationen und nicht in Quartalsabschlüssen und haben bisher für eine besondere wirtschaftliche Stabilität in Deutschland sorgen können – das gibt es so in keinem anderen Land der Welt. Unser Verband ist mit über 20.000 Mitgliedern der größte, freiwillig organisierte Wirtschaftsverband für den deutschen Mittelstand. Über unsere Mittelstandsallianz koordinieren wir überdies die Arbeit weiterer Branchenverbände des Mittelstands mit insgesamt mehreren hunderttausend Mitgliedern.
MM: Ist jedoch nicht von einer Flaute der deutschen Wirtschaft die Rede?
Ahlhaus: Korrekt, Deutschland verliert zunehmend an Attraktivität als interessanter Wirtschaftsstandort, sowohl für inländische Unternehmen als auch für internationale Investoren. Die Gründe hierfür sind bekannt: zu hohe Steuern und Energiekosten, Personal- und Fachkräftemangel und eine ideologiegetriebene Politik vertreibt die Leistungsträger aus unserem Land. Aus unseren Umfragen wissen wir, dass konkret jeder vierte Unternehmer mit dem Gedanken spielt, seine Firma ins Ausland zu verlagern oder abzuwandern.
Plattes: Ich sehe es ähnlich, denn dieses tolle Land – Deutschland – verdanken wir fast nur dem Mittelstand. Doch aktuell "kränkelt" dieses System und wir essen, in Bildern ausgedrückt, unsere eigenen Saatkartoffeln. Daher ist diese Brücke zwischen dem deutschen Mittelstand und dem Standort Balearen umso wichtiger und eine Win-win-Situation.
MM: Herr, Plattes, wie viele Mitarbeiter hat die Plattes-Group in Palma eigentlich?
Plattes: Unsere Wirtschafts-, Steuerberatungs- und Rechtsanwaltskanzlei hat ein Team von knapp über hundert Kollegen.
MM: Sollen durch die neue BVMW-Auslandsrepräsentanz etwa neue deutsche Firmen auf die Insel gelockt werden? Oder was ist die Idee dahinter?
Ahlhaus: Unser Ziel ist es, hier ein Drehkreuz für neue Kontakte und Ideen zu schaffen – vergleichbar mit, bildlich gesprochen, einem "Hub für Unternehmer", wo internationale Passagiere zusteigen. Hier besteht für Unternehmer die Chance, sich mit der Expertise der PlattesGroup neu aufzustellen. Wir wollen die innereuropäischen Beziehungen neu beleben. Dabei ist wirtschaftlich und emotional das Band zwischen den Balearen und Deutschland besonders stark. Es geht dabei nicht darum, Firmen von ihren Standorten in München und Berlin wegzulocken, sondern ihnen neue Impulse und Kraft in einer Atmosphäre ohne ideologische Scheuklappen zu vermitteln. Unternehmen, die etwa das Programmieren outsourcen wollen, werden unterstützt. Auch die hervorragende Work-Life-Balance auf dem Archipel spielt eine große Rolle.
MM: Herr Plattes, Sie haben ja diese Idee eines "Silicon Island" für Mallorca – was hat es damit auf sich?
Plattes: Mir schwebt eine Vision für Mallorca vor, dass es zu einem Exzellenzzentrum innerhalb Europas werden könnte wie Singapur es in Asien ist. Die Insel hat eine hervorragende Infrastruktur und ist innerhalb des Kontinents perfekt zu erreichen. Für "Silicon Island" haben wir bereits sieben Top-Firmen im Boot und warten lediglich auf eine Durchführungsverordnung eines Gesetzes aus Madrid. In Zukunft könnten wir erleben, dass es hier mehr Startups, neue Medien und eine Brain-Infrastruktur gibt auf der Insel als eine Art "Super-Hub".
MM: Wie ist es eigentlich um die aktuelle wirtschaftliche Lage auf den Balearen bestellt?
Plattes: Wir sind gut durch die Corona-Zeit gekommen, und die Sonderkonjunktur im Immobilienbereich hat wirtschaftlich viel aufgefangen. Im Tourismussegment gingen die Zahlen nach unten, jetzt normalisiert sich alles jedoch. Derzeit trifft die Zinspolitik die Immobilien- und Yachtbranche.
MM: Herr Plattes, Sie sind ja Initiator des hochkarätigen Wirtschaftsforums "Neu Denken", bei dem Nobelpreisträger Prof. Dr. Stiglitz als Redner zu Gast war. Organisieren Sie in diesem Jahr noch weitere Veranstaltungen?
Plattes: Am 2. Oktober wird es eine Veranstaltung für Mittelständler geben, ein "Beiboot" des Wirtschaftsforums. Hierbei werden Probleme beleuchtet, die mit dem sogenannten Außensteuergesetz zusammenhängen, und die vielen Unternehmern nicht bewusst sind. Darüber hinaus wird das in Spanien geltende "Beckham-Gesetz" und die damit einhergehenden Steuerregelungen erläutert.