Folgen Sie uns F Y T I R

Saftig grüne Luzerne: Wie ein Deutscher seit 20 Jahren als Öko-Bauer auf Mallorca im Freiland lebt

Gemüseanbau im Klimawandel: Die Kunst besteht in der Anpassung. Darum wird auf der Insel nach künftigen Agrarprodukten gefahndet. Auch immer mehr Elemente der Permakultur halten Einzug

Der deutsche Biobauer Georg Bräutigam betreibt seit 20 Jahren ökologische Landwirtschaft auf Mallorca, zunächst bei Capdepera und jetzt in Vilafranca de Bonany. | Eva Carolin Ulmer

| Mallorca |

In der ersten Märzhälfte prasselte der Regen auf die Insel – ein Ärgernis für Urlauber, aber dringend nötig für die Landwirtschaft. Die jährlichen Niederschläge haben abgenommen, die Winter sind kürzer und wärmer geworden, die Sommer länger und heißer. Für Mallorcas Gemüsebauern bringt das viele Herausforderungen, aber nicht nur negative Veränderungen.

Saftig grün sprießen Luzerne, auch Alfalfa genannt, auf der Finca von Georg Bräutigam. „Sie profitieren davon, dass die Winter nicht mehr so lang sind”, sagt der Deutsche, der seit über 20 Jahren ökologische Landwirtschaft betreibt, erst bei Capdepera und jetzt auf der eigenen Finca Can Piol bei Vilafranca de Bonany. Die Luzerne fingen jetzt früher im Jahr an zu wachsen und wüchsen länger, erzählt der Biobauer. „Meine Kühe können sie bis weit in den Dezember hinein beweiden. Früher ging das nur bis zu den ersten kalten Tagen im November”. So habe er mehr Qualitätsfutter für seine Kühe und schöne Blüten für seine Honigproduktion. „Honig von Alfalfablüten ist besonders lecker.” Das sei eine positive Verschiebung durch den Klimawandel.

Georg Bräutigam baut vornehmlich einheimische Kräuter und Gemüse im Freiland an. Verkauft wird direkt ab Hof und über einen Biohändler in Palma. Die Tomaten hätten Probleme mit den langen heißen Sommern, meint er. Okraschoten, die er seit einiger Zeit auch anpflanze, gingen dagegen sehr gut. „Okra kommt aus Afrika und mag die Hitze.” Die Kunst sei es, sich auf den Klimawandel einzustellen und nicht stur weiterzumachen wie immer, betont der Biobauer. Ein großes Thema seien die geringeren Niederschläge. „Dieses Frühjahr ist eine Ausnahme, aber die letzten Jahre waren eine Katastrophe.” Die Böden trockneten auch deshalb mehr aus, weil durch die wärmeren Winter mehr Wasser verdunste als früher. Für die Bodenfruchtbarkeit sei es ganz wichtig, die Erde nicht länger unbedeckt zu lassen, sondern viel organisches Material draufzugeben, Kompost oder Strohmulchen. Aber das werde im Ökolandbau, der Permakultur und regenerativen Landwirtschaft ohnehin gemacht. Deshalb kämen Biobauern auch besser mit dem Klimawandel klar als konventionelle Landwirte, meint er. Was ihm zu schaffen mache, seien Pflanzenplagen. Im Spätherbst habe er große Ausfälle bei Roter Beete und Kreuzblütler gehabt, weil ein Käfer, der diese Pflanzen angreife, massiv aufgetreten war.

Klimawandel fördert Schädlingsplagen

„Die milden Temperaturen begünstigen das Überleben von Schädlingen und erhöhen ihre Reproduktionsrate”, erklärt die Agraringenieurin Maribel Quetglas. Wo früher zwei Generationen von Schädlingen auftraten, seien es heute vier bis fünf. Maribel Quetglas arbeitet für Agromart. Das Unternehmen wurde vor 15 Jahren von vier jungen Inselbauern gegründet. Es verfügt über zweihundert Hektar Anbaufelder von Obst und Gemüse und eigene Läden auf der ganzen Insel. 30 Hektar werden ökologisch bewirtschaftet, die anderen mit integrierter Landwirtschaft. „Sie sucht den Mittelweg mit dem Ziel maximaler Produktivität bei minimaler Umweltbelastung”, erklärt Sion Soller, ebenfalls Agraringenieur bei Agromart.

Eine der Fincas des Unternehmens ist Sa Volta bei Porreres. Hier zeigen die jungen Agraringenieure, wie sie auf den Klimawandel im Landbau reagieren. Auf der Finca wachsen 4000 Obstbäume – Pfirsiche, Aprikosen, Äpfel, Feigen und Pflaumen. Es sind alles alte mallorquinische Sorten. Obstbäume bräuchten eine gewisse Anzahl an kalten Stunden im Winter als Ruhepause, um im Frühling gut blühen und produzieren zu können, erklärt Maribel Quetglas. Die alten Sorten seien resistenter gegen die Klimaveränderungen. Allerdings müssten auch andere Parameter berücksichtigt werden wie Produktivität, Geschmack oder Anfälligkeit für Krankheiten. „Wir schauen uns jedes Jahr die Bäume an und wählen gezielt Exemplare aus, die wir dann klonen.”

Die Agraringenieure Maribel Quetglas und Sion Soller erproben, welche Obstsorten besser mit dem Klima zurechtkommen. Die 
Erde wird mit Schafschur vor dem Austrocknen geschützt. Foto: Patricia Lozano

Um die Obstbäume herum sind Blumen angepflanzt. „Die Pflanzendecke fördert die Bodenfeuchtigkeit”, sagt Sion Soller. Da einige Bäume mit den Pflanzen im Wettbewerb um Nährstoffe stünden, werde auch Schafswolle zum Abdecken benutzt.

„Die Hitze- und Sonnenempfindlichkeit von Tomaten gleichen wir mit Sonnenschutznetzen und Gewächshausanbau aus”, fügt seine Kollegin hinzu und zeigt auf große Hallen mit dunklen Abdecknetzen. Pflanzenplagen bekämpften sie mit Pheromonfallen und Biokontrolle. „Das heißt, wir siedeln natürliche Feinde der Schädlinge an, um die Plage einzudämmen, auch wenn es bedeutet, mit ihr zu leben.”

Bienenvölker werden umgesiedelt

Zur Verringerung des CO2-Abdrucks seien die Plastikplanen, mit denen zum Beispiel Melonen- oder Kürbisfelder abgedeckt würden, durch Planen aus Maisstärke ersetzt worden, die sich in kurzer Zeit vollständig auflösen, meint Sion Soller. „Und abgeerntete Felder besprühen wir nicht mit Herbiziden, sondern lassen sie von unseren Schafen reinigen.” Auch bei der Bestäubung ihrer Pflanzen suchen sie sich tierische Unterstützung. „Wir holen Bienenschwärme, die sich in privaten Gärten eingenistet haben und geben ihnen ein Haus an unseren Anbaufeldern”, erzählt der Agraringenieur.

Es fällt auf, dass immer mehr Elemente des Ökoanbaus und der Permakultur Einzug in den Landbau halten. Dies sei die passende Antwort auf den Klimawandel und im Einklang mit ihrer Firmenphilosophie, meint Sion Soller. Wie auch Georg Bräutigam sind die Agraringenieure zuversichtlich, dass der Anbau von Obst und Gemüse auf diese Weise eine Zukunft auf der Insel hat: „Unsere Devise lautet Vorausschau, Innovation und Anpassung.”

Zum Thema
Meistgelesen