Wenn Mitte Juni in den Konferenzräumen des Castillo Hotel Son Vida auf Mallorca mehr CEOs, Minister, Generäle und Medienmacher als Urlauber aufeinandertreffen, dann ist es wieder Zeit für das Wirtschaftsforum „Neu Denken“. Zum achten Mal lädt das diskrete, aber hochkarätig besetzte Format zum interdisziplinären Austausch ein – ideologiefrei, vertraulich und mit der Ambition, vom „Neu Denken“ ins „Neu Handeln“ zu kommen. Und weil es 2025 an geopolitischen und wirtschaftlichen Brandherden nicht mangelt, ist das Programm aktueller denn je – samt frischem Trump in Washington, frischer Regierung in Berlin und frischen Fragen zur Zukunft Europas.
Veranstaltet von Journalistin Sabine Christiansen und Willi Plattes, CEO der PlattesGroup, hat sich das Forum zur festen Größe im internationalen Terminkalender entwickelt – irgendwo zwischen Davos und Münchner Sicherheitskonferenz. Letztere ist erstmals Partner und kuratiert zwei Panels zu Transatlantik-Streit und europäischer Sicherheitsarchitektur. Unter anderem dabei: Kenneth Weinstein, außenpolitischer Berater von US-Präsident Trump – in jeder Mittagspause wohl meistbelagerte Figur des Forums.
Das Forum verspricht, was Talkshows selten halten: echte Expertise, substanzielle Debatten und das Ganze unter Chatham House Rules – also ohne Twitter-Zitate, aber mit viel Tiefgang. Rund 60 Redner in Panels und Diskussionsrunden verteilen sich auf drei Tage. Sie alle eint die große Frage: Wie kriegt man Deutschland und Europa wieder auf Kurs? Ob Bürokratieabbau, Fachkräftemangel oder Cyberresilienz – klar ist: Stillstand ist keine Option.
Schon der Eröffnungsabend zeigt, dass hier nicht nur gedacht, sondern auch zelebriert wird. Mit dabei: Tennislegende Boris Becker, Tischfußball-Weltmeister Chris Marks und Tennisprofi Dominic Thiem. In entspannter Atmosphäre wird getalkt, gelacht – und für Kinderhilfsprojekte ersteigert, was Sohnemann Noah Becker kreiert hat. Eine gelungene Fusion aus Kunst, Sport und Charity – Mallorca-Style eben.
Tags darauf beginnt das inhaltliche Großreinemachen. Christiansen eröffnet mit gewohnter Präzision. Unterstützung erhält sie von journalistischen Schwergewichten wie Michael Bröcker (Table-Briefings), Horst von Buttlar (WirtschaftsWoche) und Ulrich Reitz (ntv/RTL). Gemeinsam führen sie durch Interviews, Panels und kritische Nachfragen – etwa an CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann zum wirtschaftspolitischen Neustart in Berlin.
Im Fokus: die wirtschaftliche Lage. Investor Christian Miele, Quantum-Systems-Managerin Susanne Wiegand und dm-Chef Christoph Werner zeigen, wie viel Mut zum Umsteuern nötig wäre. Jörg Rocholl von der ESMT Berlin analysiert Investitionshemmnisse und fragt, ob Europa noch ein Ort für Rendite ist. Eric Demuth von Bitpanda bringt die Perspektive der digitalen Währungen ein – kein kleines Thema in einem Jahrzehnt, in dem Notenbanken ihre digitale Transformation selbst noch verschlafen.
Stepstone-CEO Sebastian Dettmers schildert das Drama am Arbeitsmarkt, während TUI-Vorständin Sybille Reiß erklärt, wie viel – oder wenig – uns die KI-Welle an Jobs kosten wird. Achim Berg (Invest Consult Viessmann) betont: Wer in die Zukunft investieren will, muss heute beginnen. Wie man Innovation misst? Hendrik Brandis (Earlybird Venture Capital) liefert die Antwort.
Geopolitisch wird es am Nachmittag – mit den Panels der Münchner Sicherheitskonferenz. „Trouble in Paradise“ lautet der Titel der ersten Runde. Exportüberschüsse treffen auf Handelsbarrieren, Protektionismus auf europäische Prinzipien. Und mittendrin: Kenneth Weinstein, flankiert von Christian Kern, Alexander Birken und Steffen Kampeter. Auch der zweite Block zur Sicherheitsarchitektur ist hochkarätig besetzt: Ex-Airbus-CEO Thomas Enders, Rüstungsexpertin Susanne Wiegand, Generalleutnant a.D. von Sandrart. Diskutiert wird Europas Verteidigungsfähigkeit und die Abhängigkeit vom amerikanischen Sicherheitsdach – moderiert von Wolfgang Ischinger.
Jean Asselborn ruft zu Bürokratieabbau auf
Danach wieder Ökonomie: Luxemburgs Ex-Außenminister Jean Asselborn ruft zum Bürokratieabbau auf, FDP-Europaabgeordnete Svenja Hahn plädiert für eine Renaissance des Liberalismus. Und Ex-Interpol-Chef Jürgen Stock wirft einen ungeschönten Blick auf die globale Kriminalität – ein Thema, das auch CEOs nicht ignorieren sollten.
Am Abend lädt die Botschaft der Vereinigten Arabischen Emirate zum Sundown-Dinner nach Puerto Portals – inklusive Ansprachen von Botschafter Ahmed Alattar und EU-Lobby-Veteran Günther Oettinger.
Am Samstag folgt ein Höhepunkt: Prof. Dr. Marco Gercke vom Cybercrime Research Institut Köln simuliert einen Live-Angriff auf ein Unternehmen – abgestimmt auf Entscheider. Danach geht es wieder wirtschaftspolitisch weiter. BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter rechnet mit dem Mythos „Sondervermögen“ ab, Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel analysiert die politische Lähmung der Republik, und VDA-Präsidentin Hildegard Müller kontert: Der Staat müsse der Autoindustrie endlich wieder zutrauen, Zukunft zu gestalten.
Auch der letzte Konferenztag zeigt, wie weit die Spannweite des Forums reicht: von Impact Investing (mit Nadja Swarovski, Anouk Hilti-Zingg und Julia Kleiser) über Weltraumtechnologie zur Erderhaltung (Joachim Schoss) bis zur Frage, ob Europa den USA und China überhaupt noch etwas entgegensetzen kann.
„Neu Denken“ ist auch 2025 keine Plauderrunde. Es ist der Versuch, intellektuelle Klarheit in eine unübersichtliche Welt zu bringen – fernab medialer Schnappatmung, aber nah an den Machtzentren. Und vielleicht entsteht ja zwischen Sonnenuntergang und Paneldiskussion nicht nur ein neues Netzwerk, sondern auch die eine oder andere Idee, die mehr ist als Rhetorik.