Die neunte Ausgabe des Wirtschaftsforums El Económico auf Mallorca hat am Dienstagabend die Erwartungen des Publikums mehr als erfüllt. Der große Saal des Kongresspalasts von Palma war bis auf den letzten Platz besetzt, als führende Köpfe aus Wirtschaft, Diplomatie und Politik über die großen Fragen der Gegenwart und Zukunft diskutierten. Das Motto lautete in diesem Jahr: Globale Wirtschaft. Giganten im Spiel.
Den Auftakt der Veranstaltung machte Antoni Riera, der führende Wirtschaftsexperte auf den Balearen. Zum ersten Mal konnte er nicht persönlich dabei sein und schaltete sich stattdessen per Videobotschaft aus Brüssel zu – ein Bruch mit der Tradition, da er bislang bei allen acht vorherigen Ausgaben vor Ort war. Riera zog einen Vergleich zwischen der heutigen Lage und der Situation vor der Finanzkrise 2008. Sein Fazit: "Wir bewegen uns in einem viel volatileren Umfeld." Für die Balearen plädierte er für ein Umdenken – Wachstum müsse künftig stärker an die ökologischen und territorialen Grenzen der Inseln angepasst werden.
Nahtlos knüpfte daran das Gespräch mit Gonzalo Gortázar an, seit elf Jahren Vorstandschef der CaixaBank. Im Interview mit El Económico-Herausgeberin Paula Serra sprach er über die Entwicklung des Konzerns, die Bedeutung von Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit sowie über den Einfluss neuer Technologien wie der Künstlichen Intelligenz. Gleichzeitig betonte er die gesellschaftliche Verantwortung des Finanzsektors: "Nachhaltiges Wachstum ist keine Option, sondern eine Notwendigkeit." Für seine Leistungen erhielt Gortázar im vergangenen Jahr die Auszeichnung Forbes Best CEO 2023 – nicht zuletzt wegen seiner Rolle bei der digitalen Transformation der Bank.
"Technologischer Kalter Krieg" zwischen USA und China
Den inhaltlichen Höhepunkt des Abends bildete die einstündige Diskussion zwischen den Diplomaten Santiago Cabanas und Rafael Dezcallar, moderiert von Journalistin Ana Fuentes. Die beiden ehemaligen Botschafter Spaniens in Washington und Peking zeichneten ein differenziertes Bild der tektonischen Verschiebungen in der Weltpolitik. Ihr Fazit: Die kommenden Jahrzehnte werden vom Verhältnis der beiden Supermächte USA und China bestimmt.
"Wir erleben einen technologischen Kalten Krieg", stellte Cabanas klar. Dezcallar ergänzte: "Wir befinden uns in einem internationalen Umfeld, das eher dem Gesetz des Dschungels gleicht. Die alte Weltordnung nach dem Zweiten Weltkrieg ist vorbei."
Cabanas beschrieb die Vereinigten Staaten – seinen ehemaligen Dienstort – als ein Land im Wandel: "Wir sehen eine autoritäre Tendenz und eine Polarisierung, wie es sie noch nie gab. Als ich damals in Washington ankam, hätte ich mir nie vorstellen können, dass irgendwann die Gefahr eines Bürgerkriegs im Raum steht." Zugleich ordnete er die Entwicklung historisch ein: Bereits unter früheren Präsidenten Richard Nixon habe es vergleichbare Polarisierungstendenzen gegeben, die Donald Trump nun radikalisiere.
Dezcallar richtete indes den Blick auf China: "Es ist ein stolzes Land, das sich seiner Stärke bewusst ist und entschlossen, eine Weltmacht zu sein – allerdings ohne unsere Prinzipien zu teilen." Diese Haltung mache Peking für viele Schwellenländer zu einem attraktiven Modell: wirtschaftliche Modernisierung ohne Demokratie, ohne Menschenrechte, ohne Allianzen. "China sendet nur eine Botschaft an die USA: Wir sind stark."
Technologie und Militär als Schauplätze der Rivalität
Einigkeit herrschte zwischen den Diplomaten darin, dass das wichtigste Schlachtfeld der Rivalität im Bereich Technologie liegt. Zwar hätten die USA derzeit noch die Nase vorn, doch China hole mit hohem Tempo auf. Dezcallar nannte ein Beispiel: "Im Bereich der Halbleiter ist China noch abhängig von den USA, doch bei seltenen Erden hat es die Vormachtstellung – 90 Prozent der weltweiten Verarbeitung liegen in chinesischer Hand." Cabanas kritisierte vor diesem Hintergrund die US-Politik scharf: "Indem Washington die Investitionen in Wissenschaft drastisch kürzt, hat es sich selbst ins Bein geschossen. Wenn das nicht korrigiert wird, wird China die USA überholen."
Auch die militärische Dimension blieb nicht ausgespart. Dezcallar erklärte, China konzentriere sich auf das Südchinesische Meer und Taiwan: "Das Ziel ist es, eine Zone zu schaffen, in der die USA im Falle einer militärischen Intervention hohe Verluste befürchten müssten." So wolle Peking Druck ausüben, um die Wiedervereinigung mit Taiwan möglichst ohne Krieg zu erreichen. "China ist kein Land, das Kriege mag. Sie sind seiner Kultur eigentlich fremd."
Cabanas wiederum verwies darauf, dass die amerikanische Regierung ihre Rolle als weltweiter Verteidiger der Demokratie zunehmend infrage stelle. Stattdessen beschränke sie sich auf ihre unmittelbare Einflusssphäre – von Kanada bis Panama. Innerhalb der USA herrsche zudem Uneinigkeit, ob man China im Pazifik konfrontieren oder eine pragmatische Koexistenz suchen solle. "Die strategische Ambiguität bleibt bestehen. Es gibt ein Risiko militärischer Eskalation, aber keine klare Linie, wie Washington derzeit reagieren soll."
Europa im Abseits?
Vor diesem Hintergrund richteten beide Diplomaten eine eindringliche Mahnung an Europa. "Wir sind im Gesetz des Dschungels – Europa muss endlich reagieren, zunächst wirtschaftlich. Ohne die volle Mobilisierung des Binnenmarktes wird es nicht gelingen, mitzuhalten", forderte Dezcallar mit Verweis auf die jüngsten Berichte von Mario Draghi und Enrico Letta. Cabanas zeigte sich vorsichtig optimistisch: "Ich hoffe, dass wir fähig sind, eine neue Weltordnung mitzugestalten." Möglichkeiten dazu sehen beide etwa in einer Zusammenarbeit mit China beim Klimaschutz. "Die Anstrengungen Pekings zur Reduzierung der Emissionen sind real", betonte Dezcallar.ç
Ein Forum mit Blick nach vorn
Zum Abschluss ergriffen Carmen Serra, Präsidentin der Verlagsgruppe Serra (Ultima Hora, Mallorca Magazin, El Económico) und Antoni Costa, Vizepräsident der Balearen-Regierung, das Wort. Beide unterstrichen die Bedeutung des Wirtschaftsforums als Plattform, die nicht nur aktuelle Entwicklungen analysiert, sondern auch Impulse für die Zukunft setzt.