In einer kürzlich vom Umfrageinstitut „Randstad“ veröffentlichten Studie heißt es, dass auf Mallorca und den Nachbarinseln ganze 84,2 Prozent der Arbeitnehmer irgendwann zwei oder mehr Jobs ausgeübt haben – ein Spitzenwert in Spanien, weit über dem nationalen Durchschnitt von rund 54,8 Prozent. Auf den Balearen erweist sich Mehrfachbeschäftigung nicht als Ausnahme, sondern als strukturelles Element des Arbeitslebens. Dutzende Angestellte im Gastgewerbe, Handel oder Kundenservice jonglieren dauerhaft mit zwei Löhnen – oft gezwungenermaßen. Doch warum ist das auf den Inseln so ausgeprägt – und in welcher Relation steht die Situation zu Deutschland und anderen europäischen Regionen?
Ursachen: Zu hohe Mieten, teure Lebenshaltung und prekäre Arbeit
Der Hauptgrund, weshalb viele Balearen-Bürger einen Zweitjob aufnehmen, liegt in der ökonomischen Realität: Die Wohn- und Lebenshaltungskosten auf den Inseln sind überdurchschnittlich hoch – zumindest relativ zu den verfügbaren Einkommen. In touristisch stark frequentierten Regionen wie Mallorca treiben die Ferienwohnungen und Ferienvermietungen die Preise für Wohnraum in die Höhe, sodass Einheimische, besonders mit niedrigerem Einkommen, in angespannten Mietmärkten kaum mehr bezahlbaren Wohnraum finden.
Hinzu kommen steigende Kosten für Strom, Wasser, Lebensmittel und Transport – ein Trend, der Spanien wie weite Teile Europas in den letzten Jahren belastet. Die Folge: Viele Beschäftigte geben an, mit ihrem Haupteinkommen die Grundausgaben nicht decken zu können; 41 Prozent derjenigen mit Mehrfachjobs sagen, sie täten dies, um das Einkommen aufzubessern, 24 Prozent, um ihre laufenden Kosten zu decken. In 22 Prozent der Fälle wird die fehlende Stabilität des Hauptjobs als Motivation genannt. In der Tourismusbranche und im Gastgewerbe – Schlüsselbereiche der Balearenökonomie – sind Löhne oft niedrig und Saisonarbeit verbreitet. Arbeitnehmer sind damit besonders anfällig für Einkommenslücken und nehmen daher Nebenjobs an, um über die Runden zu kommen.
Internationaler Vergleich: Spanien vs. Deutschland
Ein Blick auf den Vergleich mit Deutschland weist sowohl Erleichterungen als auch neue Problematiken auf. Laut der Statistik-Plattform „Numbeo“ sind Lebenshaltungskosten in Spanien (ohne Miete) etwa 24,9 Prozent niedriger als in Deutschland, inklusive Miete etwa 20,9 Prozent niedriger. Auch eine andere Quelle spricht davon, dass Spanien besonders bei Unterkunft, Gastronomie und Gesundheitskosten günstiger sei als Deutschland – wenngleich die Löhne in Spanien deutlich schwächer ausfallen. Doch dieser Vorteil hilft Betroffenen in prekären Beschäftigungsverhältnissen oft nicht weiter: Die reale Kaufkraft ist niedriger, und die Mietkosten in beliebten Inselregionen oder Großstädten drücken besonders stark. Ein niedrigerer allgemeiner Preislevel kann nicht kompensieren, wenn ein erheblicher Anteil des Einkommens für Wohnen und lebensnotwendige Ausgaben draufgeht.
In Deutschland gibt es zwar auch Menschen mit Nebenjobs, doch strukturell ist die Notwendigkeit eines zweiten Jobs sehr viel seltener – dank höherer Mindestlöhne, stabilerer sozialer Sicherung und in vielen Regionen moderaterer Mietpreise. In Deutschland liegt der gesetzliche Mindestlohn deutlich über dem spanischen, was die Grenze zwischen existenzsichernder Tätigkeit und notgedrungener Mehrfacharbeit stärker ausprägt. So wird auf den Balearen Mehrfachbeschäftigung zu einem Bewältigungsinstrument – nicht zu einer bewussten Lebensgestaltung.
Folgen: Gesundheit, Privatleben und Dauerstress
Die Umfrage von Randstad zeigt, dass die Belastung durch mehrere Jobs nicht ohne Konsequenzen bleibt: 23,5 Prozent der Befragten berichten von Müdigkeit oder Stress, und 11 Prozent sehen sogar Auswirkungen auf Gesundheit und persönliche Beziehungen. Wer morgens im Hotel arbeitet, nachmittags Putzdienste übernimmt und abends in einem Restaurant aushelfen muss, kennt kaum Ruhezeiten. Diese Dauerbelastung führt oft zu Burnout-Symptomen, verschlechterter Lebensqualität und einer sich selbst verstärkenden Abwärtsspirale: Wer müde ist, arbeitet weniger effizient – und braucht wiederum mehr Zeit oder zusätzliche Tätigkeiten, um das Einkommen zu sichern. Hinzu kommen Unsicherheiten: Viele Nebenjobs sind informell oder saisonal, ohne Zuschläge, ohne Mindeststandards im Arbeitsschutz und mit wenig sozialer Absicherung. Die Betroffenen stehen mit einem Bein in der Grauzone.