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Besitos, Begrüßung und andere Besonderheiten

Fettnäpfchenführer Spanien

Lisa Graf-Riemann studierte Romanistik und Völkerkunde in München, Murcia und Coimbra.

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Leidenschaftlich und laut? Tapas, vino und jeden Tag Fiesta? Wer bei Spaniern allzu sehr auf Klischees setzt, tappt schnell hinein – ins nächste Fettnäpfchen. Autorin und Spanien-Expertin Lisa Graf-Riemann greift in ihrem informativ-unterhaltsamen Ratgeber Alltagssituationen auf, in denen die kulturellen Unterschiede zwischen Deutschen und Spaniern zutage treten – mit feinem Humor.

Mallorca Magazin: Eine wichtige Grundregel fürs Verstehen der Spanier, so sagen Sie, lautet: Verwechsle nie Regionalsprache mit Dialekt. Warum ist das gerade auch auf Mallorca so wichtig?

Lisa Graf-Riemann: Wenn Sie Gelegenheit haben, zwei Mallorquinern oder zwei Katalanen aus Barcelona oder zwei Basken aus Bilbao bei einer Unterhaltung zuzuhören, werden Sie wahrscheinlich nichts oder nicht viel verstehen, auch wenn Sie ganz gut Spanisch gelernt haben. So wie Italienisch kein Dialekt des Französischen ist – es käme auch niemand darauf, das zu behaupten –, ist Katalanisch mit seinen Varianten wie etwa dem Mallorquinischen kein Dialekt des Spanischen, sondern einfach eine weitere romanische Sprache.

MM: Spanier gelten ja als sehr kontaktfreudig - warum stört es sie dann so, wenn sich jemand in Bar oder Café an „ihrem” Tisch dazu setzt? 

Graf-Riemann: Das hängt damit zusammen, dass Spanier sehr auf ihre Privatsphäre pochen. Sitzt man mit dem Partner oder der Partnerin oder einem Freund am Tisch und unterhält sich über persönliche Dinge, möchte man einfach nicht von unbekannten Menschen belauscht werden. Das ist kein Zeichen von Fremdenfeindlichkeit, sondern Schutz oder Verteidigen der Privatsphäre.

MM: Den Teller „leer essen, damit am nächsten Tag die Sonne scheint” – auch keine so gute Idee in Spanien, oder?

Graf-Riemann: Wenn Sie brav alles aufessen, etwa bei einer privaten Einladung, werden die Gastgeber annehmen, Sie seien nicht satt geworden und möchten noch einen Nachschlag. Wenn Sie auch den wieder brav aufessen, wird man Sie entweder für einen Hungerkünstler oder einen Vielfraß halten. Wenn Sie Ihr Glas leer trinken, wird man Ihnen nachschenken. Wenn Sie also genug haben, dann signalisieren Sie das, indem Sie einen kleinen Rest auf dem Teller oder im Glas lassen.

MM: Lautmalerisch heißt es „muamua”: Küsschen geben - oder: Wie begrüße ich in Spanien möglichst geschmeidig? 

Graf-Riemann: Im privaten, nicht-formellen Umfeld jedenfalls nicht damit, dass Sie mit ausgestreckter Hand auf jemanden zugehen. Das schafft eher Distanz. Vor den Küsschen muss niemand Angst haben, denn die werden ja nur in die Luft gehaucht, nicht tatsächlich dem Gegenüber auf die Wange gedrückt. Es geht nur um die Nähe, man kommt sich nahe, man schafft keine Distanz. Küsschen gibt es unter Frauen oder zwischen Männern und Frauen. Männer untereinander umarmen sich leicht und klopfen sich gegenseitig auf die Schultern.

MM: Dass dem Spanier seine Privatsphäre über alles geht, bemerkt man auch beim Telefonieren: Er meldet sich nicht mit Namen, sondern „kommt erst aus der Deckung, wenn der andere seinen Namen preisgegeben hat ...” Haben Sie weitere Beispiele für diese anfängliche spanische (Zurück-)Haltung?

Graf-Riemann: Schilder an Häusern und Wohnungen. Anstelle von Martínez, Meier oder Müller steht da 1o izda oder 2o dcha: 1. Stock links oder 2. Stock rechts. Also vorher immer nach dem Stockwerk und der Seite fragen, wenn man jemanden besuchen möchte.

MM: Ein gemeinsames Essen ist immer noch die beste Möglichkeit, einander kennenzulernen: Welche Smalltalk-Themen sollte man gegenüber Spaniern aber tunlichst meiden?

Graf-Riemann: Das ist natürlich von Fall zu Fall verschieden, aber Religion, Monarchie, das Königshaus, Bürgerkrieg, Franquismus oder Stierkampf können problematische Themen sein, die man zumal als Nicht-Spanier am besten vermeidet. So wie Besserwisserei ganz allgemein. Interesse zeigen, Zuhören können, von sich selbst erzählen: Das sind universelle Qualitäten, mit denen man auch in Spanien punkten kann.

MM: „No habría sido necesario”: Das wäre doch nicht nötig gewesen. So sagt man gern. Was sollte man als Deutscher noch beachten, wenn man beschenkt wird?

Graf-Riemann: Wenn Sie ein Geschenk erhalten, werden Sie sich sicher herzlich dafür bedanken. Lassen Sie es aber dann nicht irgendwo liegen, um es erst später, wenn Ihr Gast wieder gegangen ist, aufzumachen. Der Schenkende will sehen, wie Sie es aufmachen und sich (hoffentlich) darüber freuen.

MM: Und was bringt man selbst als Gastgeschenk mit?

Graf-Riemann: Eine gute Flasche Wein oder Cava ist nie verkehrt. Oder ein Dessert, am besten frisch aus der Pastelería geholt, ein paar süße kleine Teilchen für den Nachtisch, schön in Papier verpackt, oft sogar mit Tragegriff, wie es in Spanien üblich ist. Auch darüber freuen sich Ihre Gastgeber, denn Kuchen und süße Nachspeisen werden in der Regel nicht selbst gemacht.

MM: Interessant auch, dass Spaniern - aus Höflichkeit - ein glattes „Nein” kaum über die Lippen kommt, sie unsere (höflich gemeinten) „danke” und „bitte”- Bekundungen aber kaum kennen ...

Graf-Riemann: Ein glattes Nein ist ein ziemlicher Affront, das ist richtig. Diese Art Ehrlichkeit wird in Spanien nicht geschätzt, ebenso wenig wie offene Kritik, sie wird als Bloßstellen empfunden. Das ist wie ein Gesichtsverlust und unbedingt zu vermeiden. Das Verwenden von „bitte” und „danke” fällt eher in die Rubrik Höflichkeit, Etikette, Benehmen, das ist eine andere Kategorie, ein minder schweres Thema. Ob Sie nun zum Kellner sagen: „Ich hätte gern einen Kaffee” oder gar „Könnte ich bitte noch ein Bier haben” – was ich auch für eine Übertreibung halte – oder „Oiga, tráigame una cerveza”, ist doch eigentlich egal. Hauptsache, Sie bekommen Ihr Bier oder Ihren Kaffee, oder?

MM: Wie verhält es sich umgekehrt mit Kraftausdrücken wie „joder” (verdammt): Was ist erlaubt, was verpönt?

Graf-Riemann: Ja, es ist natürlich schon krass, wie die aktuelle spanische Umgangssprache mit „palabras malas” (schlimmen Wörtern), vor allem aus dem sexuellen Bereich, durchzogen ist. Ich denke, die meisten Sprecher benutzen sie automatisch, ohne über ihre Bedeutung groß nachzudenken. Für unsere Ohren ist das natürlich befremdlich, und ich würde als Ausländer diese Art zu reden nicht übernehmen. Da hört mein Wunsch, mich an die lokalen Gepflogenheiten anzupassen, dann doch auf.

MM: Hat es ein Vegetarier unter Spaniern schwerer?

Graf-Riemann: Auf jeden Fall. Es gibt tatsächlich nicht sehr viel Auswahl bei vegetarischen Speisen. Sie können ja nicht ewig von Kartoffel-Tortilla, Salat und Churros leben. Bei Salat und anderen „vegetarisch” genannten Speisen müssen Vegetarier aufpassen, oft enthalten sie Thunfisch, der offenbar nicht als Fisch zählt. Also, Augen auf beim Lesen der Karte und der Zutaten: atún = Thunfisch.

MM: Und hat es ein Fußball-Fan unter Spaniern leichter?

Graf-Riemann: Was Gesprächsthemen anbelangt mit Sicherheit. Auch über das Land und die Rivalität der Regionen erfährt man einiges, wenn man sich etwas damit beschäftigt. Die Klassiker, also Spiele zwischen den Erzrivalen Real Madrid und dem FC Barcelona (kurz: Barça), sind Stadtgespräch. Interessant, dass bei Athletic Bilbao, auch einer erfolgreichen Mannschaft der Primera División, nur Spieler baskischer Herkunft spielen.

MM: Noch ein Wort zu kulturellen Unterschieden beim spanischen und deutschen Humor?

Graf-Riemann: Auch hier spielen die Regionen eine Rolle: Andalusier, vor allem die Bewohner aus Lepe (Provinz Huelva), werden in Witzen gern als begriffsstutzige Hinterwäldler verlacht. Ähnlich wie bei uns die Ostfriesen. Basken werden als rauer Menschenschlag, Katalanen als sparsam und geizig, wie vielleicht bei uns die Schwaben, und Madrider als „chulos”, überhebliche Schnösel, dargestellt und verlacht. Zudem gibt es viele Witze, die auf Sprachspielen beruhen – Doppeldeutigkeiten, Sprachwitz –, für die man natürlich die  Sprache beherrschen muss, um die Pointe zu verstehen.

INFO

Lisa Graf-Riemann studierte Romanistik und Völkerkunde in München, Murcia und Coimbra.
Ihr "Fettnäpfchenführer Spanien. Wie man den Stier an den Hörnern packt" erschien im Conbook Verlag.
Preis: 10,95 Euro.

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