Selbst wer schon lange auf Mallorca lebt und die Insel ziemlich gut kennt, kann doch noch immer gewaltige Überraschungen erleben. Das läuft dann ungefähr so ab: Man biegt um eine Ecke, bleibt wie angewurzelt stehen und bekommt den Mund vor Staunen kaum noch zu. So geht es den allermeisten, die zum ersten Mal den Avenc de Son Pou betreten.
Die enorme Tropfsteinhöhle liegt zwischen Orient und Santa Maria in den Ausläufern des Tramuntana-Gebirges und gehört fraglos zu den bedeutendsten Naturdenkmälern der Insel. Gleichzeitig ist die Wanderung dorthin einer der beliebtesten Wochenend-Familienausflüge. Der Weg führt von Santa Maria kommend zunächst durch das liebliche Coanegra-Tal, nur die letzten Kilometer sind etwas anstrengender.
Die letzten Meter des Ausflugs bieten dann eine perfekte Dramaturgie: Sie führen durch einen engen, stockfinsteren Tunnel (weshalb man am besten eine Taschenlampe bei sich haben sollte). An dessen Ende tritt man dann hinaus auf eine steinerne Lichtung.
"Oooh" und "Aaaah", entfährt es den meisten der Wanderer, wenn sie gebückt aus dem Dunkel treten und sich plötzlich in einer in Fels gehauenen Kathedrale wiederfinden - wie Säulen ringsherum Stalaktiten und Stalagmiten. Viele von ihnen sind allerdings von wenig respektvollen Besuchern abgebrochen worden.
Eine seltsam zwielichtige Stimmung herrscht in der Höhle: hoch oben fällt Licht durch ein Loch in der steinernen Kuppel. Durch diese Öffnung seilten sich im Jahr 1824 die ersten Höhlenforscher ab, berichtet Mallorcas herausragender Höhlenexperte José Encinas.
Im Jahr 1894 wurde dann der Tunnel gebohrt, der heute den direkten Zugang zur Höhle gestattet. Seinerzeit noch in der Absicht, den Taubenmist abzutransportieren und zum Düngen nutzen zu können, der sich im Laufe der Jahrtausende am Grund der Höhle angesammelt hatte.
Ganz Mutige können sich am unteren Ende der Höhle und am rechten Rand zwischen den Felsen hindurchzwängen und die Nebenräume des Avenc de Son Pou erforschen. Dabei aber sollte man gut darauf achten, sich nicht den Kopf anzustoßen.
ZUM AVENC de SON POU
Dauer: Von Orient aus sind es etwas weniger, von Santa Maria aus etwas mehr als zwei Stunden pro Strecke. Der Weg ist in beiden Richtungen gut ausgeschildert.
Anfahrt: Nach Santa Maria gelangt man mit dem Zug (Abfahrtszeiten: www.tib.org). Vom Bahnhof aus sind es knapp neun Kilometer bis zum Ziel.
Parken: In Santa Maria und Orient kann man problemlos gratis parken. Viele Ausflügler stellen ihr Auto im Coanegra-Tal am Wegesrand ab, um nicht ganz so weit laufen zu müssen. Das ist allerdings eigentlich verboten.
Ausrüstung: Festes Schuhwerk, Proviant und warme Kleidung sind unverzichtbar. Eine Taschenlampe ist im Tunnel hilfreich, der in die Höhle führt.
Schwierigkeitsgrad: Der letzte Abschnitt der Wanderung führt kräftig bergauf. Bis dahin geht es eben durchs Coanegra-Tal. Der Ausflug ist auch für Kinder und nichtgeübte Wanderer geeignet.
(aus MM 16/2015)