Es liegt da wie aus der Zeit gefallen. Das herrlich archaische Ungetüm erhebt sich meterhoch und rechteckig aus dem Boden. Oben auf den Zinnen dieser Festung namens Es Fortí in Cala d’Or im Südosten von Mallorca machen junge und laute italienische Touristen gerade Selfies, ein Deutscher radebrecht derweil „Ragazzi ragazzi avanti avanti”. Währenddessen rötet die Sonne gnadenlos die Haut des MM-Reporters.
Seit dem Frühling bereits kann Es Fortí gratis bestiegen und besichtigt werden. Ein bescheidener Brunnen ziert den Innenhof, ansonsten stechen die massiven Außenwände ins Auge. Die Festung ist nach langer Zeit endlich wieder ein Highlight in dem schmucken Ferienort mit den vielen blütenweißen Ferienhausanlagen und teils großen Gärten.
Man schrieb das Jahr 1730, als die Verteidigungsanlage für einen Offizier und 19 ihm untergeordnete Männer in Betrieb genommen wurde. Sie verfügte über vier Kanonen. Nicht einmal drei Jahrzehnte waren vergangen, als am 31. Januar 1757 ein gewaltiger Tsunami Es Fortí zermalmte und gleichzeitig immense Mengen von Steinen vom Meeresboden an Land spülte. Es gingen wieder gut 30 Jahre ins Land, bis das spanische Militär zur Zeit der Französischen Revolution Muffensausen bekam und die Anlage wieder aufbaute. Als im unruhigen Nachbarland die Guillotinen auf Hochtouren Köpfe abhackten, wurde die Festung von Cala d’Or 1793 wieder in Betrieb genommen.
Doch über die nachfolgenden Jahrzehnte wurden solche wuchtigen Anlagen zunehmend unmodern, sodass sich das Militär entschied, das Cala-d’Or-Fort im Jahr 1878 an einen Privatmann zu veräußern. Die Anlage verfiel zusehends. Im Jahr 1949 wurde sie zwar unter Denkmalschutz gestellt, doch Es Fortí stand weiter unnütz und verloren in der Landschaft herum.
Der Dornröschenschlaf dauerte eine Ewigkeit. In den 90er-Jahren von der Stiftung Illes Balears auf Vordermann gebracht, sicherte sich Ende 2018 dann die zuständige Gemeinde Santanyí zunächst für vier Jahre die Möglichkeit, über Es Fortí zu verfügen. Dafür wird eine Pachtgebühr von 15.000 Euro pro Jahr fällig.
Man wolle Kulturveranstalungen organisieren, heißt es im Rathaus. Man träumt besonders von Konzerten, einer Fotoausstellung und traditionellen Tanzeinlagen. Gedankenspiele zwischendurch waren weniger erhaben: Es war zeitweise geplant, Es Fortí zu einem schicken Chill-Out-Bereich umzufunktionieren. Doch davon kam man aufgrund der historischen Bedeutung des Gebäudes nachvollziehbarerweise ab. Alsbald soll zumindest eine Bimmelbahn die etwas entlegene Anlage mit dem trubeligeren Kernbereich von Cala d’Or verbinden.
Die Festung bietet einen schönen Blick aufs Meer und den Ferienort, verfügt aber leider nicht über eine Bar oder ein Restaurant. Um sich zu stärken, kann man sich einige Gehminuten zur traumhaft schönen Caló d’es Pou fortbewegen.
Dort findet sich eine lauschige gleichnamige Bar, von wo aus der Blick auf das Treiben der Badegäste fällt. Angesprochen wird man mit „What do you wish, misterrrr”, chillige Musik dringt aus Lautsprechern in die Ohren, und die „Tortilla Española” gibt’s für 7,95 Euro. Zu späterer Stunde werden in der Bar Es Pou auch die bei Deutschen so beliebten Tapas kredenzt.
Wer es etwas schicker haben möchte, kann im benachbarten Restaurant „Tenis Rocamarina” einkehren und Spaghetti Aglio e Olio für neun Euro verkosten. An einem einladenden, von einer auffallend grünen Rasenfläche umgebenen Süßwasserpool ist es möglich, sich auch Liegen und Schirme zu mieten und den Blick auf die Cala zu genießen.
Dank der wieder zugänglichen Festung hat Cala d’Or auf jeden Fall an Wert gewonnen, zumal sich Architekturfreunde hier auch noch an etlichen nett anzusehenden modernen Bauten ergötzen können.
(aus MM 30/2019)