Typische Szene an einem Werktag kurz vor 9 Uhr auf Mallorca. Ein auswärtiger Fahrer steht im morgendlichenBerufsverkehr und schwitzt – doch nicht wegen der Hitze, sondern wegen des Kreisverkehrs. „Wie soll ich da nur rein- und auch wieder rauskommen.“ Die Mallorquiner lieben Kreisverkehre. Sind sie doch praktisch zumWenden, wenn man sich verfahren hat, und zudem wartungsärmer als Ampelanlagen. Viele der Verkehrsinseln sind gar mit Kunstwerken bestückt. Doch Autofahrer, die nur zumUrlaub machen auf der Insel oder erst seit Kurzem hier heimisch sind, bringen besonders die mehrsprurigen Varianten der Kreisel ins Schleudern.
Für den Kreisel auf der Carretera de Sóller, Richtung Industriegebiet Son Castelló braucht man starke Nerven. Täglich staut sich dort der Verkehr in alle Richtungen. Die Verkehrsplaner haben nun intelligente Ampeln aufstellen lassen. „Intelligent“ sollen die Lichtsignalanlagen deshalb sein, weil die Technik selbst erkennt, wann es nötig wird, auf Rot umzuschalten. In 95 Prozent der Fälle blinken die Ampeln allerdings nur gelb. Das heißt, man kann fahren, wenn es der Verkehr zulässt. Und so nimmt das Kreiselchaos weiterhin ungeregelt seinen Lauf.
Beinahe überreguliert wird hingegen der Fahrzeugfluss im Kreisel Plaza de las Columnas im Zentrum von Palma. Hat es der Autofahrer endlich in den Kreisel geschafft, stellt er mit Schrecken und einem kräftigen Tritt aufs Bremspedal fest, dass dort mehrere Ampeln auch im Kreisverkehr stehen. Via Grün und Rot wird nicht nur die Zu-, sondern auch die Weiter- und die Ausfahrt geregelt. Die Blechlawine schiebt sich kreisförmig von Ampel zu Ampel weiter. Um den Adrenalinspiegel noch ein bisschen in die Höhe zu treiben, fehlt zudem die Fahrbahnmarkierung. Kreisrundes Spurspringen ist angesagt.
Freie Fahrt hingegen haben Radler auf dem Paseo Marítimo der Inselhauptstadt – allerdings nur auf dem Bürgersteig. Dort mündet der Fahrradweg in einen Kreisel. Dieser hat jedoch nur eine Ausfahrt. Immerhin müssen die Biker dann nicht absteigen, wenn sie die Richtung wechseln wollen.
Wenn man als Autofahrer gerade im Kreisverkehr eine Ehrenrunde gedreht hat (was von mallorquinischen Fahrlehrern übrigens nur ungern gesehen wird), wünscht man sich doch an eine gute alte Ampelkreuzung zurück. Denn die Fragen aller Fragen ist: Wer hat imKreisel Vorfahrt, wenn er raus will? Fahrlehrer raten ihren Schülern, vor der Ausfahrt auf die rechte Spur zu wechseln. Keinesfalls dürfe man direkt von der Innenspur hinüberziehen. In der täglichen Praxis sieht das freilich anders aus. Da gilt eher das Prinzip: Augen zu und raus. Kreisverkehre sind eben doch keine runde Sache.
(aus MM 27/2017)