Die Idee entstand an einem Septembertag 1989. "Es war Starkregen vorausgesagt", erinnert sich Miquel Gayà, der damals als Meteorologe am Flughafen in Palma arbeitete, als plötzlich ein Wirbelsturm über die Stadt hinwegfegte und den Flugverkehr lahmlegte. "Von da an wollte ich mehr über den Übeltäter wissen", erzählt er. So begann Gayà über Wirbelstürme zu forschen. 20 Jahre später hat er nun das Buch "Els Fiblons a Espanya" ("Wirbelstürme in Spanien") veröffentlicht.
Auf Mallorquinisch wird jeder Wirbelsturm - egal ob Tornado, Hurrikan oder auch Sandsturm - im Volksmund "Cap de Fibló" genannt. Cap heißt soviel wie Kopf oder Spitze, Fibló bedeutet Stachel. Die bildlich beschriebene "Stachelspitze" ritzt Wunden in die Erdoberfläche, ähnlich einem Insektenstachel, der die Haut verletzt, erklärt Gayà. In Erinnerung sind vor allem die drei Wirbelstürme geblieben, die im Oktober 2007 auf Mallorca ein Todesopfer forderten und starke Schäden anrichteten.
Im Laufe seiner Recherchen reiste der 65-Jährige nach Barcelona, Cádiz, Madrid und andere Orte, studierte Zeitungen und Archive. "Wirbelstürme sind häufiger, als ich zunächst annahm." Besonders auf den Balearen und in Katalonien toben sich die "Caps de Fibló" gern aus. Statistisch gesehen erreicht zweimal jährlich ein Wirbelsturm Mallorca, dazu kommen noch solche, die über das Meer ziehen, das Land aber nicht berühren. Schwierigkeiten bei seiner Recherche bereitete ihm die ungenaue Begriffsdefinition von Wirbelstürmen im Volksmund und Zeitungsberichten: "Oftmals sprechen die Leute von einem Tornado, wenn es gar keiner war", erklärt der Wissenschaftler.
Meteorologen definieren die Wetterphänomene nach Größe und Geschwindigkeit. Ein Sturm, der sich vertikal dreht, wird bei einem Durchmesser von 200 Metern bis zu einem Kilometer Tornado genannt. Zyklone wiederum erreichen mehrere Hundert Kilometer Durchmesser. Von einem Hurrikan sprechen Wissenschaftler bei einem Zyklon, der mit mehr als 120 Kilometern pro Stunde über das Land fegt.
Auf Mallorca treten Wirbelstürme besonders häufig im Übergang zwischen Sommer und Herbst auf. Wenn kühlere Luftmassen auf das aufgewärmte Mittelmeer treffen, kommt es zu Gewittern und damit den besten Voraussetzungen für Wirbelstürme. "Ein Wirbelsturm braucht ein Gewitter, doch nicht jedes heftige Gewitter wird auch zu einem Wirbelsturm", erläutert Gayà den Zusammenhang. Feuchte Meeresluft begünstige die Entwicklung solcher Stürme. Das ist auch die Erklärung für das häufige Auftreten von Tornados auf den Balearen.
Deutlich wird in Gayàs Forschungen ein starker Anstieg der Zahl der Wirbelstürme. Zählte er 1981 fünf dieser Wetterphänomene, waren es 2011 knapp 40. Doch Gayà warnt vor Panikmache. Wirbelstürme seien heute einfach besser dokumentiert als früher, erklärt er den Anstieg: "Die meisten Wirbelstürme löste das Fotohandy aus." Fegte früher ein "Cap de Fibló" über ein Bauernhaus hinweg, erfuhr fast niemand davon, heute macht man ein Foto und schickt dieses weiter.
Die Auswirkungen des Klimawandels seien schwer abzuschätzen. Der Meteorologe geht davon aus, dass in nördlicheren Gegenden wie etwa in Deutschland mehr Tornados entstehen werden. Grund ist, dass die Sommer regenreicher werden. Auf den Balearen hingegen, wo die warmen Monate trockener werden, werde die Zahl der Wirbelstürme zwar nicht massiv zunehmen, jedoch deren Stärke. "Die Fiblons werden mehr Schaden anrichten."
Doch brauchen die Balearen spezielle Schutzvorrichtungen vor Wirbelstürmen? "Natürlich wäre es empfehlenswert, Rückzugsmöglichkeiten zu schaffen, doch deren Unterhalt ist sehr teuer." Er rät deshalb der Bevölkerung zu vermitteln, wie sie sich bei Sturm zu verhalten habe. Auch brauche man bessere Frühwarnsysteme wie in den USA. Einige Wirbelstürme lassen sich 20 Minuten zuvor voraussagen. "Doch die breite Masse vor ihnen zu warnen, ist unmöglich." Zur Vorsicht rät der Wissenschaftler in öffentlichen Gebäuden wie Stadien: "Bei einem normalen Haus fliegen die Dachziegel einzeln weg, doch große Gebäudeteile fliegen im Ganzen und können massive Schäden anrichten."
(aus MM 53/2015)