Edle Weine und große Kunst. Das ist das Motto der Klaviermatinee am 14.April in der Bodega Macia Batle in Santa Maria. Die Veranstalterin Nina Heidenreich hat dazu den renommierten deutschen Pianisten Matthias Kirschnereit eingeladen. Er spielt neben einem Scherzo und einem Nocturne von Chopin zwei Beethovensonaten, die Sturmsonate und die Mondscheinsonate. Begleitet wird dieses Konzert von einer Weinverkostung mit edlen Tropfen von Macia Batle.
Die Sturmsonate, in d-moll und in Beethovens Werkverzeichnis als Nr.17, op.31/2, ist ein Höhepunkt in Beethovens Sonatenschaffen, das Hans von Bülow als das Neue Testament der Klavierliteratur bezeichnet hat. Das Alte war Bachs „Wohltemperiertes Klavier“, das laut Robert Schumann „dein täglich Brot“ sein sollte. Amateure beschränken sich dabei natürlich aufs Hören, denn beide Zyklen sind höllisch schwierig. An Aufnahmen besteht kein Mangel, das „Neue Testament“ haben fast alle großen Pianisten, von A wie Arrau bis Z wie Zechlin, auf Tonträgern verewigt. Die Bibliotheken sind regalmeterweise mit Literatur vollgestopft, allen voran das Standardwerk „Beethovens 32 Klaviersonaten und ihre Interpreten“ vom Klavierpapst Joachim Kaiser. Das hat es übrigens zu dem Ruhm gebracht, zeitweise das meistgeklaute Buch an Deutschlands Uni-Bibliotheken gewesen zu sein.
Die Sturmsonate: die bis dahin revolutionärste Klavierkomposition des 31-jährigen Genies; ein Dialog des Individuums mit dem Schicksal; ein Kontrast zwischen einem gewalttätigen Fatum und selig Tröstendem. Die Sturmsonate: ein emotional aufgeladener Koloss, in dessen Mittelpunkt der Mensch steht, und der das Publikum förmlich anspringt. Ein Werk, dem man nicht mit einer wissenschaftlichen Formanalyse beikommen kann. Die hilft allenfalls, die Sonate historisch einordnen zu können. (Die abgespeckte Version einer solchen Analyse gibt’s bei Wikipedia.) Werfen wir lieber einen Blick auf die Lebensumstände Beethovens 1801, als er mit der Komposition begann. Er war damals ein umjubelter Virtuose, der vor allem wegen seines feurigen Geistes und seiner Improvisationskunst gefeiert wurde. Aber sein Gehörleiden war schon so fortgeschritten, dass er am Schicksal zu verzweifeln drohte. Im Oktober 1802 sollte er dann sein berühmtes „Heiligenstädter Testament“ verfassen. Es zu kennen hilft beim Verstehen der Werke aus dieser Zeit. Lassen Sie es sich von Elly Ney vorlesen . Sie identifizierte sich mit Beethoven wie kaum eine andere Pianistin. Ein Kritiker spottete, sie spiele nicht Beethoven, sie sei Beethoven. (Falls Sie einen Eindruck vom Spiel der „Reichsklaviergroßmutter“ bekommen wollen: hier ist sie mit dem zweiten Satz der „Appasionata“.)
Ich möchte Sie nun, ohne allzu sehr ins Detail zu gehen, mit den wichtigsten Motiven der Sonate bekannt machen. Gleich zu Beginn des 1.Satzes wird der dialogische Charakter deutlich: in den ersten Takten ist nichts als Stimmung, in die dann drängende absteigende Seufzersekunden hineinplatzen. Das Hauptmotiv nimmt den aufsteigenden Dreiklang forte auf. Eigentlich beginnt der Satz hier erst richtig. Der Pianist Ronald Brautigam meint sogar, Beethoven habe die vorausgehenden 21 Takte erst nachträglich komponiert. Und noch etwas hören Sie hier: Beethovens unerbittliches Wiederholen wichtiger Passagen, die dadurch an Eindringlichkeit gewinnen. Dieses Prinzip des Insistierens zieht sich durch das ganze Werk. Hier ist eine weitere solche Stelle. Das Dreiklangmotiv, nun bedrohlich zum Fortissimo gesteigert, leitet die Durchführung ein. Und mit diesen vier Schlägen, in steigender Sequenz wiederholt, sind wir schließlich bei der Reprise angelangt. Der Satz endet atmosphärisch, wie er begonnen hat.
Der zweite Satz greift, als eine Art Weiterentwicklung den Beginn des ersten auf. Im Bass imitiert das Klavier bedrohliche Paukenwirbel. Und dann, ein Wunder an Tröstlichkeit und Versöhnlichkeit, eine Melodie von berückender Schönheit, eigentlich die erste wirkliche Melodie im ganzen Stück. Der legendäre Klavierpädagoge Karl-Heinz Kämmerling hat diese Stelle als „Insel des Glücks“ bezeichnet. Und nun hören Sie einmal, wie sich dieses Glück in der Wiederholung noch steigert, nur dadurch, dass es in einer höheren Tonlage erklingt, bevor sich dann die schicksalhaften Paukenwirbel wieder Gehör verschaffen. Resignativ endet der Satz.
Waren die beiden ersten Sätze mehr oder weniger inkohärent, so nimmt das Schicksal im Finale in einer Art Perpetuum mobile den Hörer mit auf eine regelrechte Tour de force. Beethovens Schüler Carl Czerny meint, Beethoven habe sich dabei von einem galoppierenden Pferd inspirieren lassen. Und der Schluss? Der Satz endet piano im atmosphärischen Nichts, wie der erste begonnen hat. – Zur Vertiefung hören Sie gerne in diesen Podcast rein. Der bereits erwähnte Ronald Brautigam teilt darin seine Sicht auf die Sturmsonate. – Eine Einführung in die weiteren Werke der Kirschnereit-Matinee können Sie in wenigen Tagen an dieser Stelle lesen.