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Erst kamen Züge, dann Touristen

Ein Jahrhundert deutscher Einfluss im Eisenbahnwesen auf Mallorca

Seit 1875 verkehren Züge auf Mallorca, 1912 wurde die Palma-Sóller-Bahn (l.) in Betrieb genommen.

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Exakt 137 Jahre nach der ersten Ausfahrt eines Zuges aus dem Bahnhof von Palma erinnert an derselben Stelle eine Ausstellung an die Geschichte der Eisenbahn auf der Insel Mallorca. Die Schau "Auf schmaler Spur. Deutsches Eisenbahnmaterial im Bahnnetz Mallorcas" belegt die intensiven wirtschaftlichen Beziehungen, wie sie seit gut einem Jahrhundert zwischen der Industrienation und der Mittelmeerinsel herrschen, lange bevor das Eiland vom Tourismus entdeckt und die Playa de Palma zum sprichwörtlichen "Teutonen-Grill" avancierte. Die Ausstellungen mit rund 130 Schautafeln samt Fotomaterial ist noch bis 30. Dezember in der unterirdischen Wandelhalle des Hauptbahnhofs zu sehen.

Wie kein Zweiter hat der Hobbyforscher Rainer Gau dem Einsatz von deutschem Bahnmaterial im Schienennetz der Insel nachgespürt. Der frühere Leiter einer Bildungsstätte in Berlin-Spandau hat für Jugendliche jahrelang Werkstätten zur lokalen Industrie- und Militärgeschichte organisiert und die Vergangenheit vor Ort erforscht. Dazu veranstaltete die nahestehende "Galerie Bilderbalken" technikhistorische Ausstellungen.

Doch wie kam die Verbindung Berlin-Mallorca zustande? Eines der großen deutschen Unternehmen für Schienenfahrzeuge, Orenstein & Koppel, fertigte von 1900 bis 1980 Waggons und Weichen in Spandau. Bei ihren Recherchen stießen die Eisenbahnforscher auch auf einen Inselstrang: 1912, dem Jahr der Inbetriebnahme der Sóller-Bahn vor genau einem Jahrhundert, lieferte das Unternehmen einige Schmalspurgüterwagen an die "Ferrocarril de Sóller". Beschafft wurden sieben geschlossene Güterwagen, zehn Hochbord- und fünf Niederbordwagen. "Die heute ausgemusterten Fahrzeuge hatten eine Ladekapazität von jeweils sieben Tonnen", schildert Gau.

Das war nicht der einzige Auftrag für Orenstein & Koppel. 1921 lieferten die Spandauer über ihre Pariser Filiale eine zweiachsige Tenderdampflokomotive an die mallorquinische Eisenbahngesellschaft "Ferrocarril de Mallorca", der Vorläufergesellschaft der heutigen SFM. Die 90 PS leistende und 11,7 Tonnen schwere Lokomotive war für den Transport der Güterwagen vom Bahnhof in Palma zum Hafen unterhalb der Kathedrale vorgesehen. Dabei musste die Lok einen Höhenunterschied von 30 Metern überwinden.

Forscher Gau kann unzählige Beispiele deutscher Bahnprodukte auf Mallorca bis in jüngste Zeit benennen. Zu den Firmen, die auf der Insel präsent waren oder sind, zählen: AEG, Bosch, Brueninghaus, Deutz, Ferrostaal, Hella, Kiepe, Krupp, MAN, Ruhrtaler, Scharfenberg (Schaku), Siemens & Schuckert, Voith, Vossloh.

Die Motoren etwa für die Straßenbahn Sóller-Port de Sóller lieferte Siemens 1913. 1929 elektrifizierte das Unternehmen die Strecke.

Die elektrischen TrenTramzüge, die für die unvollendete Bahnstrecke Manacor-Artà (siehe S. 6) bereits angeschafft wurden, stammen von Vossloh. Tren-Tramzüge sind ein Mix aus Straßen- und Eisenbahn. Sie verkehren innerorts mit 30 Stundenkilometer, außerhalb der Orte sollen sie mit maximal Tempo 100 fahren.

Ob diese Züge jemals auf Mallorca zum Einsatz kommen, kann auch Bahnforscher Gau nicht vorhersagen. Wünschen täte er es schon: "Volkswirtschaftlich und zum Schutze der Umwelt wäre der Ausbau des Eisenbahnnetzes und die weitergehende Elektrifizierung langfristig ein erheblicher Gewinn."

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