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Die Brücke zur Außenwelt

Kontakt nach außen: Paul Stijohann, Martina Moshofsky, Waltraudt Teising und Gerd Kemper vom Gefängnisbesuchsdienst. | Foto: Gesa Marth

| Palma de Mallorca |

Warum geht man freiwillig hinter schwedische Gardinen? "Ich hatte viel Glück im Leben", sagt Gerd Kemper, "und möchte anderen Menschen etwas davon zurückgeben." Seit fünf Jahren engagiert sich Kemper für den Gefängnisbesuchsdienst der evangelischen Kirche. Gemeinsam mit Paul Stijohann, dem Ehemann der Pfarrerin, und Martina Moshofsky besucht er deutschsprachige Häftlinge in Palmas Knast. Gemeindeassistentin Waltraudt Teising koordiniert die Besuche.

Acht deutsche Gefangene - alles Männer - sind derzeit im "Centro penitenciario" im Norden der Stadt inhaftiert, 2011 waren es noch 50. Die meisten verbüßen längere Haftstrafen, doch Schwerkriminelle werden in der Regel aufs spanische Festland überstellt. Insgesamt sitzen in Palmas Gefängnis 1800 Häftlinge ein.

Die Schicksale der Insassen lassen die Freiwilligen nicht kalt. Im Leben der Inhaftierten lief etwas schief, sagt Martina Moshofsky. "Sie sind durchgedreht oder sozial abgerutscht." So verbüßt ein Mann derzeit seine Strafe wegen Brandstiftung. Als sich seine Frau mit seinem Geschäftspartner und dem Ersparten aus dem Staub gemacht hatte, wollte der Deutsche sich umbringen und zündete sein Haus an. Doch er überlebte und sitzt nun im Gefängnis.

Bei einer Geschichte ringt Gerd Kemper sichtlich mit sich: Er holte eine Frau am Tag ihrer Entlassung aus dem Gefängnis ab. Zunächst gingen sie in ein Café, damit die Frau sich sammeln konnte. "Als ich bezahlte, fragte sie mich, was das denn für Münzen sind", erzählt der Rentner. Die Frau hatte 14 Jahre in Haft verbracht und noch nie einen Euro gesehen. "Man muss Distanz wahren und darf es nicht zu nah an sich heranlassen", sagt er. Nicht jeder sei für das Ehrenamt geschaffen und auch nicht jeder finde es gut, dass es so einen Dienst gibt.

Jeden ersten Freitag im Monat besuchen zwei Freiwillige die Gefangenen, 30 Minuten Zeit haben sie für jedes Gespräch. Keiner muss Kontakt mit dem Besuchsdienst pflegen, doch alle sind froh über das Angebot. Durch eine Glasscheibe getrennt, lautet dann immer die erste Frage: "Wie geht es dir." Gesprochen wird über profane Dinge wie das Essen hinter Gittern, aber auch über Probleme mit den Zellengenossen, oder dass die Freundin seit drei Wochen keinen Brief mehr geschickt hat.

Waltraudt Teising zieht die Fäden im Hintergrund. Sie nimmt Kontakt zu Familien auf, zum Konsulat, bucht Rückflugtickets nach Deutschland und spricht mit Auffangstationen, wenn die Häftlinge freikommen. Sie kommuniziert mit der Anstaltsleitung und bringt Päckchen mit dem Notwendigsten ins Gefängnis. Denn die Gefangenen haben häufig nur das, was sie bei der Inhaftierung am Leib trugen. So müssen neue Socken und Unterhosen in die Anstalt gebracht werden.

"Wir bilden eine soziale Brücke", sagt Paul Stijohann. Denn durch die Arbeit des Besuchsdienstes reißt der Kontakt nach außen nicht ab.

PROZESS im SCHNELLVERFAHREN

Dass weniger Deutsche im mallorquinischen Gefängnis sitzen, liegt zum Teil auch daran, dass es in Spanien seit einigenJahren Schnellverfahren für Delikte wie Alkohol am Steuer und kleinere Diebstähle gibt, bei denen innerhalb von 24 oder 48 Stunden ein Urteil gesprochen wird. Praktisch dauern die Verfahren allerdings doch zweiWochen, erklärt die Anwältin Bárbara Román Méndez. So lange bleibt der Verdächtige in Polizeigewahrsam. Die Verurteilten sollen schnell in ihre Heimatländer abgeschoben werden, um dort die Haftstrafe abzusitzen.Der Staat will so Haftkosten sparen und die Gefängnisse entlasten, die aus allen Nähten platzen.

(aus MM MM 23/2015)

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