Es kann ja nicht jeder so bequem reisen wie der Mallorca-Bischof Bernat Nadal Crespí. Der gewichtige und zugleich schwergewichtige Gottesmann ließ sich tragen, wenn er von Palma aus seinem Geburtsort Sóller einen Besuch abstatten wollte. Bis nach Bunyola ließ sich die Landstraße ja noch mit Pferd und Kutsche zurücklegen. Aber der Aufstieg zum 497 Meter hohen Pass "Coll de Sóller" war nur zu Fuß beziehungsweise auf dem Rücken eines Pferdes oder Maulesels zu schaffen. Nun war der Bischof kein Reiter. Also ließ sich Bernat Nadal (1745-1818) auf einer Sänfte von 24 Männern tragen, wie die passionierte Lokalhistorikerin aus Bunyola, Bàrbara Suau Font, zu erzählen weiß. Denn wo ein Wille ist, ist auch ein Weg ...
"Sollér war von Palma aus über Jahrhunderte leichter vom Meer aus zu erreichen als auf dem Landweg", sagt der Chronist der Stadt Palma, Bartomeu Bestard. Zu isoliert lag das Orangental hinter dem Tramuntana-Gebirge gen Norden. Wo heute die Autos in 20 bis 30 Minuten die 30-Kilometer-Strecke zwischen Palma und Sóller zurücklegen, noch dazu durch den 1997 eröffneten Tunnel, war früher ein steiler Bergpfad die einzige Landverbindung.
Heute nutzen vor allem Radfahrer und Ausflügler die Passstraße als Alternative zur Tunnelröhre und ihrer recht happigen Fünf-Euro-Maut. Die Bergstraße zum Pass ist ebenso kurvenreich wie landschaftlich reizvoll. 5,1 Kilometer misst sie auf der Südseite vom Tunnelabzweig bis zum Pass, bei 5,2 Prozent Steigung. Talwärts sind es vom Pass in Richtung Sóller 7,4 Kilometer, bei bis zu 5,7 Prozent Gefälle. Dabei summieren sich die Serpentinen zu beiden Seiten des Höhepunktes auf knapp 60 Haarnadelkurven.
All die Verkehrsteilnehmer, die die Bergroute unter ihre Reifen nehmen, verdanken diese Möglichkeit letztlich der spanischen Königin Isabella II., die die Strecke im September 1860, vor 155 Jahren, offiziell eröffnete. "Die Forderung, den unwegsamen Maultierpfad für Pferdekutschen auszubauen, wurde seit Jahrzehnten erhoben, ohne dass sich, aus Geldmangel, etwas tat", schildert Stadtchronist Bestard die Geschichte der Landstraße.
Erst der Besuch der Königin gab den Anstoß, das Vorhaben in Angriff zu nehmen. Um die Straße zu bauen, musste reichlich Land enteignet werden, Land, das wenigen Adlingen gehörte. Öffentliche Mittel waren rar, vieles wurde in Sachleistungen erbracht und finanziert. Fakt ist, die Arbeiten begannen vor dem Besuch der Monarchin, wurden aber letztlich erst einige Jahre danach vollendet. Fazit, so Bestard: "Das war ein pharaonisches Werk, das damals auf der Insel verwirklicht wurde."
Ein Werk, das sich auch heute noch sehen lassen kann, wenn auf die handwerklichen Details geachtet wird: Etwa auf die gehauenen Stützmauern, die den Berghang absichern; auf die steinernen Becken, die das Quellwasser auffingen und den Zugtieren sowie den Kutschern als "Tankstelle" dienten. Ganz zu schweigen vom sogenannten "Brunnen der Königin", der wie ein Ratsplatz mit Bäumen zum Beschatten angelegt wurde und heute abseits des Weges in unglaublicher Verwahrlosung sich selbst überlassen bleibt. Auch das Gebäude der Straßenmeisterei auf der Höhe der "Legua 5" - so das veraltete spanische Längenmaß, das je nach Region vier bis sieben Kilometer umfasste - verfällt verrammelt vor sich hin.
Der Weg über den Pass ist voller Legenden von Schmugglern und Kriegern, weiß Bàrbara Suau. Die bekannteste Fabel erzählt vom verspäteten Eintreffen der Hilfstruppen aus Bunyola, als im Jahre 1561 maurische Piraten Sóller angegriffen hatten. Auf das historische Ereignis geht auch das Kostümierungsspektakel "Moros i Cristians" zurück. Die Männer aus Bunyola mussten erst den Coll überwinden. Dort verschnauften sie kurz, indem sie sich an den gerade herangereiften Maikirschen stärkten, die unweit des Passes auf der Bergfinca Ca'n Topa gediehen.