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Wiedersehen nach 53 Jahren

Das erste Treffen erfolgte im Hotel Acapulco an der Playa de Palma. Bei der zweiten Zusammenkunft durfte MM dabei sein. | Foto: Patricia Lozano

| Mallorca |

Der weißhaarige Spanier überreicht der Dame in der Hotellobby eine Orange. "Hier, habe ich dir mitgebracht. Aus dem Garten meiner Schwester", sagt er, in tadellosem Deutsch. "Oh, wie nett von dir", freut sich die entzückte Frau.

Wieder einmal begann alles mit einer schlichten E-Mail an die Redaktion. Ob MM helfen könnte, einen Kontakt zu Tito Robles herzustellen. Die Schreiberin aus Deutschland, Gisela Schilling, hatte einst Spanisch-Unterricht bei ihm gehabt.

Tito Robles? Bei dem Namen klingelt's. Der heute 81-Jährige genießt unter Inselkennern einen Ruf als Tourismus-Pionier. Ein Tausendsassa, der als Hotelier, Reiseleiter, Fremdenführer, Messe-Beauftragter, Fomento-Geschäftsführer, Riu-Center-Direktor und sogar als Hollywood-Stuntman (an der Seite von Cary Grant) von sich reden machte. Auch, dass er einst Mallorca-Überwinterern in den Hotels als Sprachlehrer Spanisch nahebrachte, ist überliefert.

So war es also auf den ersten Blick nicht verwunderlich, dass Gisela Schilling, 70, Kontakt zu Robles suchte. Was verwunderte, war die lange Zeitspanne, die seit damals vergangen war: 53 Jahre.

"Mein Chef fragte mich, ob ich an dem Sprachkurs interessiert sei", erzählt Schilling. Das war damals im November 1962. Die Siegburgerin war eine Tourismus-Pionierin von ganz eigener Art. Sie machte eine Lehre als "Reisebürokaufmann". Die Bezeichnung "Reiseverkehrskauffrau" war noch gar nicht erfunden.

"Wir waren etwa acht Mädchen, ich mit 17 die Jüngste, die anderen nur wenig älter. Und wir waren alle total verschossen in Tito", erzählt Schilling.

Alberto "Tito" Robles schwimmt noch heute täglich fast einen Kilometer. Damals war der durchtrainierte Mann mit dem schwarzen Haar der Schwarm aller Frauen, und erst recht der jungen Sprachadeptinnen.

Schilling wollte ihren Lehrer unbedingt beeindrucken und nahm sich vor, den Vier-Wochen-Kurs als beste Schülerin zu absolvieren. Noch heute basieren ihre Spanischkenntnisse auf dem Kurs. Unterrichtet wurde täglich, drei Stunden, auch an den Wochenenden, direkt im Hostal Martel in Palma, wo die Frauen wohnten. Heute befindet sich an der Stelle unweit der Plaça d'Espanya ein Apartmentblock.

Doch Robles wusste als Lehrer Distanz zu den Schülerinnen zu wahren. Er war selbst schwer verliebt in seine Freundin, "und so war er ein wenig tabu für uns", erinnert sich Schilling. Aber ob die Geliebte tatsächlich existierte? Oder war sie nur ein Vorwand? Die Schülerinnen machten die Probe aufs Exempel und suchten die Frau auf. Eine klassisch ausgebildete Flamenco-Tänzerin, die in einem edlen Nachtclub an der Plaça Gomila auftrat. "Sie war bildhübsch", räumt Schilling ein.

Robles ehelichte die Tänzerin im März 1963, wurde Vater von vier Kindern, war bis zur Trennung 39 Jahre verheiratet. Schilling wiederum machte Karriere in der aufstrebenden Tourismusindustrie in Köln. Es folgten Heirat, Mutterschaft, Scheidung, Heirat, Scheidung, diverse Berufs- und Ortswechsel - ein Leben, das gelebt sein wollte.

Jetzt haben sich die ehemalige Schülerin, die drei Monate auf Mallorca ausspannt, und der ehemalige Lehrer getroffen. Sie trinken zusammen Kaffee, unterhalten sich über ihre Lebensläufe, planen gemeinsame Ausflüge. "Alle glauben, Gisela sei eine Jugendfreundin von mir, dabei hatten wir nie etwas miteinander", schmunzelt Robles.

Kommt man jetzt als Paar zusammen? Läuten Hochzeitsglocken? "Für kein Geld in der Welt will ich meine jetzige Freiheit wieder aufgeben", winkt Robles ab. Schilling schüttelt den Kopf. "Auch ich möchte das nicht." Doch die Frau weiß genau, dass sie künftig die Wintermonate auf Mallorca verbringen wird, am liebsten in einer Wohnung zur Miete. Und dann möchte sie mit ihrem ehemaligen Sprachlehrer die Orte der Inselmitte besuchen. "Das kenne ich alles nicht", sagt Schilling. Und Robles, ganz Gentleman der alten Schule, erwidert mit seiner tiefen spanischen Stimme: "Das zeige ich dir! Klare Sache!"

(aus MM 3/2016)

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