Mallorca Magazin: Herr Kraus, eine wichtige Frage vorab: Wie geht es Ihren Orangen?
Franz Kraus: Im Moment noch gut. Aber ihnen fehlt Wasser von oben. Das Wasser aus der Quelle ist nicht das Gleiche wie Regen. Die Bäume brauchen das jetzt.
MM: Sie haben zunächst mit der Eisproduktion begonnen und vor 20 Jahren Fet a Sóller gegründet. Klein fing alles an, inzwischen werden Sie schon mal als "König der Orangen" bezeichnet. War die Entwicklung so geplant?
Kraus: Planen kann man so etwas nicht, aber eine Mission war es. Dabei ging es nicht nur um Wachstum. Wir stellen zum Beispiel gemeinsam mit den Behindertenwerkstätten Marmelade her. Ziel war, dass die vielen geistig und körperlich Behinderten eine Arbeit haben.
MM: Das war von Anfang an Bestandteil des Konzepts?
Kraus: Ja, von Anfang an. Aber nicht, um als guter Mensch dazustehen. Es gab damals sehr viele Behinderte in Sóller, die hatten keine Selbstfinanzierung. Jetzt funktioniert das sehr gut. Und für mich ist es jedes Mal, wenn ich dort hinkomme ein Geschenk, deren Lachen zu sehen.
MM: Anders als vor 20 Jahren sind Lebensmittel von Mallorca inzwischen in Mode gekommen. Es gibt auf der Insel eine Menge von Anbietern, die um Kunden buhlen. Was unterscheidet Fet a Sóller von den anderen?
Kraus: Unsere Philosophie ist, wenn man in gesundes, natürliches und naturbelassenes Essen investiert, dann zahlt sich das auf Dauer hinsichtlich der Gesundheit aus. Wir schauen daher genau hin: Was tut ein Lebensmittel für den Menschen?
MM: Geht es den Käufern wirklich um die Produkte und um die Gesundheit? Oder ist es nicht eher der Effekt, dass man sich sein Stückchen Mallorca nach Hause mitbringt?
Kraus: Ich glaube, es spielt beides eine Rolle. Natürlich ist jede Form von Lebensmittel, die man hier kennenlernt und dann nach Hause mitbringt, ein Stück Erinnerung. Und Erinnerung macht Geschmack. Das ist ein Teil unserer Kundschaft. Ein anderer Teil will sich einfach gesund ernähren. Die kaufen zum Beispiel Öl von Mallorca. Weil sie bei dem Öl, das sie zu Hause bei den großen Supermarktketten bekommen, gar nicht wissen, woher das stammt und was da möglicherweise zusammengemischt wurde. Das mallorquinische Olivenöl ist geschmacklich besser und von der technischen Qualität garantiert gut.
MM: Was sind denn im Business von Fet a Sóller die wichtigsten Produkte?
Kraus: Frische Produkte wie Zitronen, Pampelmusen, Orangen, Clementinen, Granatäpfel, bis hin zu Tomaten, Zwiebeln oder Knoblauch. Aber natürlich ist Olivenöl auch ein wichtiges Produkt für uns.
MM: Nennen Sie doch mal eine Zahl, die vermittelt, um welche Dimensionen es geht.
Kraus: Pro Jahr exportieren wir etwas mehr als 1000 Tonnen Zitrusfrüchte. Aufgrund dieser Menge bauen wir selbst an. Wir haben Äcker gemietet, auch damit wir die Qualität kontrollieren können.
MM: Seit einiger Zeit wird in Sóller über eine Herkunftsbezeichnung für Orangen nachgedacht ...
Kraus: Ja, das ist in Sóller ein Thema. Der Hintergrund ist, dass inzwischen auf allen Märkten der Insel Orangen verkauft werden, die aus Sóller stammen sollen. So viele Orangen gibt es hier gar nicht. Mit der Herkunftsbezeichnung wird es empfindliche Strafen geben für diejenigen, die Früchte als Orangen aus Sóller deklarieren, wenn diese gar nicht aus Sóller kommen.
MM: Früher war immer mal wieder davon zu hören, dass im Ort Orangen am Baum verfaulen, weil sich die Ernte nicht lohnt. Gibt es das noch?
Kraus: Nein, seit etwa vier Jahren gibt es das nicht mehr. Ganz im Gegenteil. Wegen der Krise bauen auch junge Leute wieder Orangen an. Die Nachfrage spielt natürlich auch eine Rolle. Wenn die steigt, dann kann ich investieren.
MM: Könnte es mit anderen Mallorca-Produkten eine ähnliche Entwicklung geben? Oder haben Sie vielleicht sogar konkrete Ideen?
Kraus: Ja, wir vermarkten auch die mallorquinische Bio-Mandel. Der Mandelmarkt wird dominiert von den Kaliforniern. Die haben wunderbare Mandeln, die sind groß, sehen toll aus - schmecken aber nach gar nichts. Die mallorquinische Mandel dagegen ist klein und hässlich, hat aber Geschmack.
MM: Wenn ein ausländischer Unternehmer auf Mallorca 20 Jahre durchhält, dann ist das ja schon mal etwas. Gibt es einen Punkt, auf den Sie in diesem Zusammenhang besonders stolz sind?
Kraus: Stolz ist vielleicht das falsche Wort. Sagen wir, ich freue mich. Zu dem Mut, Unternehmer zu sein, gehört auch Demut, sonst gibt es Übermut. Wir sind mutig und haben viel Demut. Wir spielen in der Landwirtschaft eine gewisse Rolle, geben auch den einen oder anderen Impuls. Aber dann geht es ums gemeinschaftliche Schaffen. Und ich habe eine super Mannschaft. Erfolg stellt sich nur mit engagierten und gut ausgebildeten Mitarbeitern ein.
MM: Ein Interview mit Franz Kraus ist auch deswegen interessant, weil man weiß, dass er zu vielen Themen eine dezidierte Meinung hat. Was sagen Sie denn zu der Überfüllungsdebatte, die Mallorca in diesem Sommer erlebt hat?
Kraus: Das ist eine sehr, sehr verständliche Debatte für alle, die hier leben. Es ist ein Thema, das vor Ort aber nur geringfügig beeinflusst werden kann. Denn die Überfüllung, die wir zum Teil erlebt haben, ist fremdverschuldet. Sie hat ihre Ursache in der besonderen Situation in der Türkei, in Syrien, Tunesien und Ägypten. Das führt dazu, dass Mallorca als bekannter Ort der Sicherheit überfüllt wird. Hinzu kommt der Aspekt der Direktvermietung von Ferienwohnungen. Das muss in Zukunft strenger kontrolliert werden. Und wer vermietet, der muss die Einnahmen versteuern.
MM: War die Einführung der Ecotasa richtig?
Kraus: Die Ecotasa war schon vor zehn Jahren richtig. Sie wurde ja nur schlechtgeredet, weil manche Hoteliers die Zeichen der Zeit noch nicht erkannt hatten. Für jeden deutschen Touristen, der in Deutschland Urlaub macht, ist so etwas wie die Ecotasa die normalste Sache der Welt. Das heißt dann nur nicht Ecotasa, sondern Kurtaxe. Gibt es wieder Krise, dann kann man sie ja mal ein Jahr aussetzen, aber im Prinzip ist die Ecotasa richtig.
MM: Nochmal zurück zur Überfüllung: Brauchen wir bei den Touristen eine Begrenzung?
Kraus: Weder bei Flüchtlingen in Europa, noch bei Touristen bin ich für irgendwelche konkrete Begrenzungen. Man muss auf Mallorca Wege finden, damit bestimmte Mengen nicht überschritten werden. Letztlich regelt es sich über den Preis. Im nächsten Jahr werden die Hotelpreise auf Mallorca um neun bis zehn Prozent steigen. Zwei-Sterne-Hotels, die nicht investiert haben und auf All-inclusive setzen, werden dann kaum konkurrenzfähig sein mit der Türkei. Erdogan hat ja schon erkannt, dass er wegen der Tourismuseinnahmen etwas konzilianter sein muss. Ich glaube, dass nächstes Jahr wieder viele Urlauber im All-inclusive-Bereich in die Türkei fahren werden - zu sehr günstigen Preisen. 2017 werden wir wohl noch eine ähnliche Saison haben wie dieses Jahr. In zwei Jahren kann aber schon wieder alles ganz anders aussehen.
MM: Mal rein hypothetisch angenommen, Sie wären Ministerpräsident der Balearen. Was wäre Ihre erste Amtshandlung?
Kraus: Ich würde mir ganz schnell ein umfassendes Programm für die Tramuntana ausdenken. Sie ist die Lunge des gesamten Tourismusgeschäfts auf Mallorca.
MM: Welche Entwicklungen in Sóller stattfinden, das bekommen Sie als einer der Ersten mit. Es ist in der Diskussion, die Konzession für den Tunnel zurückzukaufen. Wäre eine Gratis-Fahrt durch den Sóller-Tunnel nicht das Ende der Gemütlichkeit im Ort?
Kraus: Die Konzession endet ohnehin in sechs Jahren. Dass es schon eher freie Durchfahrt durch den Tunnel geben könnte, darauf stellt sich Sóller ein. Es wird nicht darauf hinauslaufen, dass der ganze Verkehr durch den Ort rollt. Es wird mehr verkehrsberuhigt und die Menschen werden an der Carretera parken. Ein wunderschöner Spaziergang von 300 oder 400 Metern bis zum Ortskern ...
MM: Es wird also kein Trauma geben?
Kraus: Nein. Die Touristen lassen sich eh nicht abschrecken von der Tunnelgebühr. In der Nebensaison würden aber sicher mehr Palmesanos kommen, was einen wirtschaftlichen Impuls für Sóller brächte. Es werden mehr Leute den Ort besuchen wollen, aber wenn die Parkplätze an der Carretera voll sind, dann fahren sie weiter.
MM: Haben Sie eine Botschaft an die deutschen Urlauber?
Kraus: In Südeuropa gibt es die Mittelmeerdiät, die von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärt wurde. Nordeuropäer sollten sich in Südeuropa mehr mit der regionalen Küche beschäftigen. Das könnte auch in Deutschland dazu beitragen, dass es weniger Herzinfarkte gibt. Und Urlauber sollten nicht vergessen, dass sie im Urlaub sind. Hektik ist nicht angesagt, sie haben ganz viel Zeit.
MM: Sagen Sie doch mal, worauf Sie persönlich kulinarisch schwören.
Kraus: Ein Sternerestaurant ist Kunst. Da wird etwas gezaubert. Das kann man sich mal gönnen. Aber wenn ich mir selbst etwas mache, dann ist das einfachste und naturbelassene Essen das beste.
MM: Sie exportieren Mallorca nach Deutschland. Was lassen Sie sich an Gaumenfreuden aus Alemania mitbringen?
Kraus: Wenn ich in Köln bin, dann steht Rheinischer Sauerbraten auf dem Programm. Oder ein Schaschlik. Und sollten Freunde mir etwas mitbringen, dann wissen sie, dass sie mir mit Gummibärchen immer eine Freude machen ...
Mit Franz Kraus sprachen die MM-Redakteure Bernd Jogalla und Nils Müller
ZUR PERSON
Von seinem Job als Manager in der Lebensmittelindustrie hatte Franz Kraus mit 32 genug. 1990 zog er nach Mallorca, arbeitete zunächst von hier aus als Berater für die europäische Lebensmittelindustrie. Vor genau 20 Jahren, 1996, gründete der Rheinländer aus Neuwied, der am Dienstag seinen 59. Geburtstag feierte, das Unternehmen Fet a Sóller. Vorher hatte er schon die Eismanufaktur Sa fabrica de gelats etabliert. Fet a Sóller vertreibt mallorquinische Lebensmittel, zum Teil aus eigener Herstellung aber auch von Fremdproduzenten. Zum Unternehmen gehören zwei Läden in Port de Sóller, einer in Sóller (dort ist die Zentrale) sowie der Internet-Versand (fetasoller.com).
(aus MM 39/2016)