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Catalina Homar war ihrer Zeit 100 Jahre voraus

Im Garten der Kartause steht seit einigen Wochen eine Büste von Catalina Homar. | Patricia Lozano

| Valldemossa, Mallorca |

Im Bademantel steigt die 86-Jährige die Stufen zum Speiseraum hinunter: "Mir ist heute nicht wohl", erklärt sie entschuldigend, das Alter sei schuld. Maria Mercant lebt in Valldemossa, im Hostal Ca'n Marió, das sie vor ihrem Sohn geleitet hatte. "Früher hat man gar nicht über sie gesprochen", erzählt die Seniorin, "dafür heute umso mehr."

Mit "sie" ist Catalina Homar (1869-1905) gemeint, jene Mallorquinerin, die Geliebte des Erzherzogs Ludwig Salvator (1847-1915) und Verwalterin seines Weinguts S'Estaca war. Maria Mercant ist die Ur-Großnichte Homars. Ihre Großmutter war deren Schwester, die Tante väterlicherseits die Patentochter von Homar.

"Meine Tante hat mir fast nie etwas über sie erzählt", erinnert sich die Seniorin. Im Gastraum des Hostals hängen viele Fotografien und Gemälde der Familie, doch Catalina Homar fehlt. "Als sie früher von S'Estaca zu den Dorffesten nach Valldemossa kam, wollte niemand mit ihr tanzen."

"Sie war eine sehr intelligente Frau und ihrer Zeit voraus", erzählt die Seniorin. Auf ihren Nachthemden, die sich heute noch im Familienbesitz befinden, sind die Initialen C.H. richtig eingestickt, während bei ihren Geschwistern der Nachname mit O. begann, also falsch geschrieben wurde. Mit den vielen Büchern und Aktionen über Catalina Homar wolle man heute ihren Namen reinwaschen, vermutet Maria Mercant.

Erst mehr als 100 Jahre nach ihrem Tod kommt Catalina Homar inselweit und auch in ihrem Heimatdorf zu einer gewissen Ehre. Im vergangenen Jahr ernannte der Inselrat die Schreinerstochter zur Frau des Jahres: Ein Wanderweg mit ihrem Namen wurde ausgewiesen, eine Büste im Garten der Kartause in Valldemossa aufgestellt und ein Comic über ihr Leben veröffentlicht. Zehn Jahre zuvor benannte Valldemossa eine Gasse, in dem das Hause steht, das Catalina Homar ihrer Mutter kaufte, nach der Gemeindetochter und brachte eine Gedenkplakette an dem Gebäude an.

Auch ihr Grabstein wurde restauriert und wieder auf dem Friedhof angebracht. "Die Familie hatte aus Scham die Platte entfernt", erzählt Antoni Colom, stellvertretender Bürgermeister von Valldemossa, "wir haben den Grabstein bei einer alten Tante gefunden, er diente dort als Tischplatte."

Colom ist der Neffe von Maria Mercant. "Mittlerweile sieht man Catalina Homar nicht mehr als Problem im Dorf an", sagt er. Noch bis vor 20 Jahren sah das ganz anders aus: "Dass sie nie verheiratet und die Geliebte das Erzherzogs war, war mit der Moral jener Zeit nicht vereinbar", erklärt Antoni Colom. Das Frauenbild im katholisch geprägten Mallorca und Spanien war: Heirat, Kinder und viel Arbeit. "Gearbeitet hat Catalina Homar viel, das steht außer Frage", fügt der Lokalpolitiker an.

Sie verwaltete die Finca S'Estaca des Erzherzogs, die damals ein Weingut war. Sie revolutionierte den Weinanbau und verkaufte die Weine bis weit über die Insel hinaus. "Die S'Estaca-Weine gewannen sogar Preise", sagte Antoni Colom. Zudem bezahlte sie die Arbeiter immer aus, egal ob sie aufgrund der Witterung arbeiten konnten oder nicht. Das war damals in der mallorquinischen Landwirtschaft unüblich. "Sie war eine religiöse Frau, die keinem Mann gehören wollte und nicht den Weg wählte, den Frauen vor 100 Jahren gingen." Die Häme, die sie im Dorf erfuhr, habe natürlich auch etwas mit den Privilegien zu tun, die sie durch den Erzherzog hatte. Sie ging mit ihm auf Reisen und konnte ihrer Mutter ein Haus im Ort kaufen. "Das weckte natürlich Neider", sagt Antoni Colom.

"Ich habe mich verpflichtet gefühlt, über sie zu forschen", sagt Mateu Colom, Historiker an der Balearen-Universität, Homar-Biograf und Cousin von Antoni Colom. "Es hat mich überrascht, wie schlecht sie im Dorf und sogar von ihrer eigenen Familie behandelt wurde." Seine Großmutter väterlicherseits war die Nichte Catalina Homars, im Haus der Großeltern sprach man oft vom Arxiduc, jedoch nie von ihr.

Das Leben der Schreinerstochter aus Valldemossa könne man nicht beschreiben, ohne die Vita des österreichischen Erzherzogs Ludwig Salvator zu kennen, den die Mallorquiner nur Arxiduc (Erzherzog) nennen. "Auch wenn das machistisch klingt: Ohne den Arxiduc wäre Catalina Homar nicht in die Geschichte eingegangen", sagt der Historiker. Er habe dem einfachen Mädchen vom Dorf Lesen und Schreiben beigebracht. Sie lernte mehrere Sprachen. Er nahm sie mit auf Reisen und sogar an den Wiener Hof, was dort einen Skandal auslöste. "Catalina Homar war sicher eine intelligente Frau, doch ohne den Arxiduc wäre sie nur eine einfache Mallorquinerin geblieben."

Doch wie kam es zu der Begegnung zwischen der Schreinerstochter und dem österreichischen Adligen? Ludwig Salvator reiste oft und fand an Mallorca Gefallen. Er kaufte Landgüter entlang der Nordküste in der Tramuntana und beschäftigte unter anderem den Vater von Catalina Homar. Sie lernte den Adligen bereits als junges Mädchen kennen. Als Catalina Homar 18 Jahre alt war, wurde sie seine Geliebte.

Der Arxiduc förderte die junge Frau und vertraute ihr das neu gebaute Anwesen S'Estaca an, wo sie auch lebte. Sie ging mit ihm auf Reisen, unter anderem ins Heilige Land, und lernte seine Cousine, Kaiserin Sisi, kennen. Doch Catalina Homar verliebte sich in Kapitän Singala, der die Nixe, das Schiff des Erzherzogs, steuerte. Ludwig Salvator war außer sich, schickte sie von einer Venedig-Reise zurück nach Mallorca. Die Beziehung war beendet. Auf S'Estaca starb sie als 36-Jährige an einer unbekannten Krankheit, eventuell Lepra oder Syphilis. Aus Briefen, in denen sie den Erzherzog bittet, zu ihr zurückzukommen, geht hervor, dass sie sehr, sehr traurig war.

1905, im Jahr ihres Todes, schreibt der Erzherzog seine Erinnerungen an Catalina Homar in einem Buch nieder; er kehrt erst Jahre später nach Mallorca zurück. "Wer das Werk liest, dem wird deutlich, dass Catalina Homar dem Erzherzog nicht gleichgültig war", sagt Mateu Colom. Den Trennungsgrund von ihr nannte er nicht.

Doch es war keine Beziehung auf Augenhöhe, die der Erzherzog und die Mallorquinerin pflegten. Sie sprach ihn in Briefen mit "Ihre Hoheit" und "Herr" an. Er gestattete ihr nicht das gleiche Recht, das er sich selbst nahm: noch andere Geliebte zu haben. Von der Arbeit Catalina Homars ist heute nichts mehr zu sehen. S'Estaca ist kein professionelles Weingut mehr, sondern die Luxusfinca des US-Schauspielers Michael Douglas, der sie seit Langem versucht zu verkaufen.

(aus MM 09/2017)

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