An Trinkwasser in Plastikflaschen hat man sich auf Mallorca gewöhnt. Man weiß, das ist irgendwie nicht gut für die Umwelt, aber wenn man Durst hat, greift man eben zur Plastikflasche. Bis es vielleicht einen Schlüsselmoment gibt, in dem einem die Absurdität dieses Konsumverhaltens vor Augen geführt wird. Der deutsche Eventmanager Philipp Baier hatte so einen Moment. "Letztes Jahr im Oktober hatten wir auf einer Veranstaltung auf Ibiza 1000 Leute. Ich bin damals über die Logistik-Unterlagen gegangen und habe gesehen, dass wir in fünf Tagen 25.000 Plastikflaschen verbrauchen, fünf pro Tag und Person. Ich hab da gesessen und gedacht: Das geht doch nicht", erinnert er sich.
Baier rief beim Kunden an und sagte, dass man das nicht machen könne. Natürlich fragte der Kunde, ein großes Reiseportal, nach Alternativen. Baier machte sich Gedanken und stellte in Kooperation mit dem Hotel, in dem die Gäste untergebracht waren, Wassergallonen auf. Die Gäste bekamen in ihrem Willkommenspack eine 0,6-Liter-Edelstahl-Feldflasche mit Schraubverschluss. Das wurde für fünf Tage ihre Wasserquelle. Denn auch bei den begleitenden Events in freier Natur wurden Wasserstationen aufgestellt. Das war logistisch ein Riesenaufwand, aber es hat sich gelohnt", sagt Baier.
Das Konzept wurde konsequent durchgezogen. "Wir standen auf einem Berg, jemand kam zu mir und sagte, er habe seine Flasche vergessen. Ob er einen Becher haben könnte", erzählt Baier. Doch Becher gab es nicht. Der Organisator erklärte dem Teilnehmer daraufhin, dass die Verantwortung bei ihm liege. "Sie haben Ihre Flasche vergessen, halten Sie Ihre Hände unter den Spender oder leihen Sie sich die Flasche eines Kollegen. Es geht darum, dass wir keinen Müll generieren", erinnert sich der 42-Jährige an das Gespräch. In dieser nicht ganz unproblematischen Situation wich die erste Aggression des durstigen Teilnehmers dem Verstehen. "Das war für mich ein Schlüsselmoment. Du hast richtig den Switch gemerkt, als er seine eigene Verantwortung erkannt hat."
Die Idee für eine Bewegung war geboren. Nicht nur, dass Baier nun auf jedem seiner bis zu 200 Events im Jahr dieses Konzept anbietet und auf Plastik verzichtet, er will es nun auch auf den Alltag übertragen. Mit seiner Frau Line und einem weiteren Mitstreiter gründete der gebürtige Heidelberger im Juli 2017 die gemeinnützige Vereinigung Cleanwave.org. Die "saubere Welle" soll die Menschen auf Mallorca und in möglichst vielen Ecken der Welt für nachhaltigen Wasserkonsum begeistern. Baier hat einen Prototypen für eine Flasche sowie eine erste Produktion vorfinanziert und an einige Geschäfte und Restaurants in Palma verteilt. "Ich brauchte ja etwas zum Vorzeigen. Wenn ich mich irgendwo hinstelle und ein paar Flyer verteile, bewege ich nichts." Das Ziel des zweifachen Familienvaters, der seit 2004 seine Agentur LifeXperiences in Palma führt, ist möglichst viele Nachahmer zu finden. Die stylische Feldflasche mit dem Logo der Bewegung ist dabei eher symbolhaft zu verstehen, letztlich geht es darum, dass man mit einem Behältnis für seinen Wasserkonsum auskommt. Parallel dazu muss es viele Wasserstationen geben, an denen genießbares, also gefiltertes Leitungswasser zur Verfügung steht, wie in Baiers Stammlokal am Hafen oder in seinem Crossfit-Studio oder in seinem Büro. "Meine Versorgungskette steht und wenn das viele Leute machen, können wir flächendeckend Plastikflaschen vermeiden", glaubt er.
Der Unternehmer weiß aber auch, dass er es alleine nicht schaffen kann. Deswegen auch der Name Cleanwave, er will eine Welle auslösen. "Wir generieren auf den Balearen laut Greenpeace 1,5 Millionen Flaschen pro Tag. Und hiermit habe ich hoffentlich etwas geschaffen, das für diese Problematik ein Bewusstsein schafft. Ich will weder Flaschen- noch Filterproduzent sein, das kann jeder individuell gestalten. Es geht um die Vermeidung von Plastik", betont er. Wer sich eine Cleanwave-Flasche für 16,50 bis 18 Euro an einer der Nachfüllstationen kauft, weiß aber zumindest dass sie aus nachhaltiger Produktion in Neuseeland kommt.
Bislang hat Baier ein Dutzend Nachfüll- und Verkaufsstationen etabliert. Über die Web-App auf cleanwave.org kann man die Stationen auf Mallorca und Ibiza sehen. Ein Unternehmer hat ihm sogar eine Riesenflasche als erste mobile Wasser-Nachfüllstation für ein Konzert auf Ibiza gespendet, bei dem die Gäste gratis ihre Flasche nachfüllen können. "Ich weiß nicht, was das gekostet hat, aber es war extrem aufwendig hergestellt worden", sagt Baier begeistert. Auch mit Reiseveranstaltern steht er in Kontakt, plant Nachfüllstationen am Flughafen. "Das hat es früher ja alles gegeben, heute stehen da Cola-Automaten", sagt er. Vom balearischen Umweltministerium will er die Genehmigung für öffentliche Nachfüllstationen bekommen. "Wir haben schon eine mündliche Zusage", freut er sich.
Mit der Flasche soll es nicht aufhören: Als nächstes geht es um Plastikstrohhalme, die verschwinden sollen. "Da stehen wir in Kontakt mit der Merchandisingchefin der Pachá-Gruppe auf Ibiza, die mit Papierstrohhalmen arbeiten wollen", sagt er. Generell renne er offene Türen ein. "Es geht um Plastikvermeidung. Das Thema verstehen vor allem hier auf Mallorca alle. Du musst nur einen Ansatzpunkt haben und den liefern wir."
(aus MM 33/2017)