Von wegen Esel sind langsam und schwerfällig. Bei Eseldame Tita und Hengst Damián kommt man kaum hinterher. Die Vierbeiner gehören zur Herberge auf dem Hausberg von Alaró. Fast täglich tragen sie Proviant und Utensilien auf den 821 Meter hohen Gipfel. Geschickt laufen die beiden über den holprigen, steilen Pfad. Tita schreitet energisch vorneweg, Damián guckt gerne mal nach leckeren Gräsern oder lässt sich von Wanderern streicheln.
"Auf geht's, Damián", mahnt ihn Joan Vidal. Am Nachmittag bringen sie Abfall nach unten und in der Dunkelheit klimmen sie beladen wieder hinauf. "Sie kennen den Weg und sehen in der Nacht viel besser als wir", sagt Vidal. Sie kämen dann schneller voran, weil keine Wanderer unterwegs seien, und im Sommer sei es kühler. Bis zu 70 Kilogramm haben die Tiere auf dem Rücken. Durch das Geschirr, das sie tragen, werde das Gewicht gleichmäßig verteilt und verrutsche nicht, erklärt Vidal. "Wenn sie sich nicht wohlfühlen, bocken sie." Man habe auch eine kleine Lastmaschine, mit der dauere es aber viel länger und sie mache obendrein noch Krach. Besonders große Teile transportiert ein Helikopter.
Mallorcas Esel waren einmal eine geschätzte Exportware. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden sie zu hohen Preisen nach England und in die USA exportiert. Der Mallorca-Esel, heute offiziell Ase balear, gehört mit 140 bis 150 Zentimeter Schulterhöhe zu den größten seiner Art. Er ist schlank und hat fast schwarzes Fell mit weißem Bauch und Maul. Auf der Insel dienten Esel früher zur Produktion von Mulis (Kreuzung zwischen Esel und Pferd) und armen Bauern als Arbeitstiere. "Reiche konnten sich teurere Mulis oder Pferde leisten. Sie sind stärker und schneller", erzählt Vidal.
Esel seien auch im Unterhalt günstiger gewesen. Mit dem bisschen, was sie fräßen, würden Pferde und Mulis eingehen. Durch die Mechanisierung und den Rückgang der Landwirtschaft verlor der Esel an Bedeutung. Auch die Zuchtpopulation schwand. Die einheimische Rasse war fast ausgestorben, als 1990 ein Zuchtbuch aufgestellt wurde. Seit 2002 ist die Rasse offiziell anerkannt. Jetzt sei der Bestand mit über 200 Exemplaren stabil, sagt der Züchter Joan Solivelles aus Porreres.
Auch in anderen unwegsamen Gegenden der Tramuntana sind Esel heute noch unersetzlich, etwa im Barranc de Biniaraix. Auf dem schmalen Trockensteinmauerweg, der durch die Schlucht führt und seit Urzeiten das Sóller-Tal mit dem Kloster Lluc verbindet, kann kein Auto fahren. Die steilen Hänge sind terrassiert, dort wachsen Olivenplantagen. "Vor knapp 30 Jahren waren sie verwildert und mit Kiefern zugewachsen", erzählt Gori Reynés, Fincabesitzer im Barranc. Jetzt sind die Haine gepflegt. "Ohne die Esel hätten wir das nicht geschafft. Sie haben alles hochtransportiert, Material, Essen, Butangasflaschen." Es gebe auch ein Lastwägelchen, aber das sei unendlich langsam und laut.
Reynés besitzt drei Esel: Fidel hat graues Fell mit dunklem Schulterkreuz. Munar und Carot sind fast echte Mallorquiner. Zurzeit haben sie Großeinsatz. Im Barranc ist Olivenernte. Nachmittags bringen die Tiere die Lese ins Tal. Diese Woche erntet Gori Renyés, nächste Woche der Nachbar. Dann helfen er und seine Esel mit. Im Barranc unterstützt man sich gegenseitig. Bis zu drei Beutel je 25 Kilogramm tragen die Tiere. Pro Tag machten sie nur eine Tour, betont Reynés und tätschelt Munar. "Sie haben ihren eigenen Kopf, man braucht Geduld, aber ich habe sie sehr lieb und bin ihnen dankbar."
Besonders fleißig sind die robusten Vierbeiner beim Forstschutz im Einsatz. Heute ist das ihre Hauptaufgabe. Inselweit säubern sie Wälder und Sturzbäche und fressen Brandschneisen. Darunter sind 300 Esel von Natura Park. "Es sind alles Tiere, die ausgesetzt oder misshandelt wurden. Durch die Waldarbeit erhalten sie eine neue Aufgabe", erklärt Natura-Park-Mitarbeiter Tomeu Perelló. Seit der Wirtschaftskrise würden immer wieder Esel einfach irgendwo an einen Baum gebunden, um sie loszuwerden. Die Guardia Civil greife sie auf und bringe sie zu Natura Park. Erst würden sie gepflegt, dann eingesetzt. Mit der Balearen-Regierung und einigen Gemeinden habe Natura Park dazu Abkommen geschlossen. Wie diese Eselbrigade arbeitet, zeigt Ricardo Franco von der balearischen Naturschutzbehörde Ibanat.
Sein Jeep kämpft sich durch Schlammlöcher und über Felsbrocken, als er über die öffentliche Finca Galatzó bei Calvià fährt. Dann stehen sie rechts da, 23 Esel in einem Korral von 100 mal 25 Metern. Wären es mehr Tiere, käme es zu Unruhe, wären es weniger, würden sie wählerisch und nicht alles auffressen, erklärt Franco. "Ganz wichtig ist uns, dass sie den Càrritx (das Süßgras) fressen, weil es besonders schnell brennt." Eine Woche bleiben die Tiere immer in einem Korral. Danach ist er abgemäht und plattgetrampelt und sie kommen in einen neuen Korral direkt daneben. So fressen sie nach und nach vier Brandschneisen in die Finca. Gut genährt sehen die Tiere aus. Einige sind schon über 20, aber Esel könnten 40 Jahre alt werden, meint Perelló. "Vielleicht liegt das daran, dass sie sich nicht aufregen." Dabei schliefen sie nachts nur zwei Stunden. Täglich schaut ein Betreuer nach den Tieren und jede Woche auch der Tierarzt. Am Galatzó arbeiten Esel seit 2013, in anderen Wäldern der Insel schon seit über zehn Jahren.
Joan Solivelles aus Porreres züchtet Esel und verleiht sie auch an Fincabesitzer mit Wald. "Immer für ein Jahr, danach ist die Finca schön sauber." Die Finca muss gut verschlossen sein. Das ist die Voraussetzung. Solivelles hat eine Mission. Er will zum Umdenken anregen. "Wir sind so auf Technik fixiert, aber mit Tieren kann man oft genauso effizient arbeiten und dabei umweltschonend und günstiger. Sie brauchen keinen Sprit, verpesten nicht die Luft und machen keinen Lärm." Und wer gerne mal einen Esel hätte, nicht damit er arbeitet, sondern einfach nur als nette Gesellschaft auf dem Land, der kann bei Joan Solivelles auch mal für einen Monat einen mieten.
(aus MM 51/2017)