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„Mit dem Ballermann kann ich nach wie vor nichts anfangen”

| Mallorca |

Margot Wagner ist ein Mallorca-Profi. Gleich sechsmal war die Unternehmensberaterin im vergangenen Jahr auf der Insel. Weihnachten und Silvester verbrachte sie nun erstmals in Palma. Wie das war und was sie über Mallorca denkt, erzählte sie MM.

Für die einen ist es die besinnlichste Zeit des Jahres, für Margot Wagner und ihren Freund Hermann Lechler bedeuten die Feiertage zum Jahreswechsel vor allem Stress.„Wir sind schon öfter über Weihnachten weg aus Deutschland, um dem Konsumrausch zu entgehen”, berichtet die 55-jährige Münchnerin. „Auf Mallorca geht es über die Feiertage deutlich entspannter zu.” Im vergangenen Winter relaxte das Paar zur Jahreswende auf einer Finca im ländlichen Costitx. In diesem Jahr wollten beide ein bisschen mehr „Action” und so fiel die Wahl des Urlaubsdomizils auf Palma.

Hoch über dem Hafen buchten sie sich in einem Hotel in El Terreno ein. Die Dachterrasse und der Zimmerbalkon im fünften Stock ließen den Wunsch nach Aktivität allerdings schnell verpuffen. „Wir sind kaum aus dem Hotel herausgekommen. Das war nicht geplant, aber wir waren vollkommen glücklich damit, bei einem Glas Wein einfach nur das Treiben im Hafen und auf dem Paseo Marítimo zu beobachten”, erzählt sie.

Und das tat sie mit Kennerblick. Denn die Bayerin ist studierte Wirtschaftsgeografin. „Einfach gesagt beschäftigt man sich dabei mit den Auswirkungen menschlichen Tuns auf die Erde”, erklärt sie. Und genau diese nahm sie auch während ihres Balkonurlaubs auf Mallorca unter die Lupe. Denn Massentourismus und Kreuzfahrtschiffe ließen sich von oben wie unter dem Brennglas beobachten. „Das ist faszinierend und abschreckend zugleich”, meint Wagner, die im Oktober ihre erste eigene Erfahrung auf einem Kreuzfahrtpott sammelte. „Es sind gigantische Touristen-Ausspuckmaschinen, in der Buskolonne geht’s dann zum Kurztrip nach Palma. Ich kann die Mallorquiner durchaus verstehen, wenn sie genervt sind.” Was sie dennoch beeindruckt, ist die ungeheure Logistik der schwimmenden Kleinstädte.

Ein Mallorca-Freund war Wagner früher beileibe nicht. Sie entdeckte die Insel erst durch ihren Freund. Der 64-Jährige ist Konzertpianist, ein Auftritt im Chopin-Saal von Valldemossa machte ihn – ebenfalls Inselskeptiker – zum begeisterten Fan. „Von unserem ersten gemeinsamen Inselurlaub in Can Picafort habe ich aber wegen des Ballermann-Images erst mal niemandem erzählt”, sagt sie und lacht.

Der Partymeile an der Playa de Palma kann die Unternehmensberaterin nach wie vor wenig abgewinnen. Sie liebt das ländliche Mallorca und seine Traditionen. Ein Besuch auf dem Viehmarkt in Sineu gehört für sie zum Urlaubspflichtprogramm. „Ich wusste beispielsweise nicht, was für tolle Hähne es auf der Insel gibt”, erzählt sie begeistert. Ihren Freund Hermann schleppte sie zudem in eine Flammenstoff-Weberei in Pollença. „Das ist für mich das wahre Mallorca. Und ich bin viel lieber in der ruhigen Nebensaison hier. Im Sommer erschlägt einen der Tourismus.”

Ein Ort zum Leben wäre die Insel für sie dennoch nicht. „Mein Freund überlegte mal, hier eine Finca zu kaufen. Doch das wär’s dann mit uns”, sagt sie und grinst. „Ich möchte meinen Lebensabend hier nicht verbringen. Der Horizont ist mir zu eng.” Wagner zieht die Großstadt vor, wegen des größeren Kulturprogramms. Und sie sieht überraschende Parallelen zwischen dem Eiland im Mittelmeer und dem südamerikanischen Paraguay. „Das ist ebenfalls ein beliebtes Auswandererziel bei Deutschen. Genau wie auf Mallorca kommt man dort ohne Spanischkenntnisse zurecht. Es zieht im Grunde durchschnittliche Leute dahin, die sich ein Leben mit weniger Steuern und besserem Wetter als in der Heimat wünschen.”

Paraguay kennt die Bayerin, die vor ihrem Studium bei BMW arbeitete, fast wie ihre Westentasche. Ihre erste große Liebe stammte von dort, ihre Familie besitzt zwei Hotels im Land, darunter das bekannte Hotel del Lago in der ehemaligen Deutschen-Kolonie San Bernardino, wo illustre Persönlichkeiten wie Antoine de Saint Exupéry und Charles de Gaulle nächtigten. Für einen Freund ihrer Jugendliebe schmuggelte Wagner in den 80er Jahren sogar ein Auto von München in das kleine südamerikanische Land. „Das war noch während der Diktatur von Alfredo 
Stroessner. Der Autoschmuggel war damals durchaus üblich”, erklärt sie. An deutschen Automobilen interessierte Südamerikaner kauften die Fahrzeuge in Deutschland und besorgten sich vorab in San Bernardino die passenden Nummernschilder. Bei Ankunft des Schiffes in Buenos Aires wurden sie vor dem Grenzübertritt schnell anmontiert und dann ging es scheinbar ganz legal nach Paraguay. „Ich war jung, verliebt und naiv und wollte das Land unbedingt sehen”, erklärt Wagner ihr Abenteuer von damals.

Nach wie vor gilt Paraguay bei vielen als El Dorado für ein wenig halbseidene Gestalten und Steuerflüchtlinge. Auch hier stellt Wagner gewisse Parallelen zu Mallorca fest, Korruption sei auf der Insel nicht zu übersehen. „Und jetzt, wo die Balearen-Regierung stärker gegen Schwarzbauten vorgeht, haben viele Deutsche Angst”, bemerkt sie.

(aus MM 1/2020)

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