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Mit diesen Hausmitteln heilte man auf Mallorca Krankheiten

Ein Tee aus Blättern des Erdbeerbaums kurbelt die Verdauung an. | Wikimedia / Sabencia Beru Oriales

| Mallorca |

Wadenwickel gegen Fieber, Zwiebelsirup gegen Husten oder Pflaumen gegen Verstopfung – auf diese Rezepte aus Omas Apotheke greifen in Deutschland heute noch viele zurück. Auch Mallorca hält eine breite Palette solcher Hausmittel bereit.

Ausgerechnet ein deutscher Arzt befasste sich schon vor Jahrzehnten ausgiebig mit der Kräutermedizin der Insel. Von 1928 bis 1938 verbrachte Hermann Sinell wohl als einer der ersten Rentner-Residenten seinen Lebensabend in Sóller. Der HNO-Spezialist war in seiner Heimat eine Koryphäe, machte als erster Logopäde Deutschlands von sich reden. Auch in seinem Exil unter südlicher Sonne verließ ihn das Interesse für medizinische Themen nicht.

Und so versuchte er bei jeder Gelegenheit, etwas über die hiesigen Hausmittel herauszufinden. Keine einfache Angelegenheit, denn die Rezepte aus Omas Apotheke wurden von Generation zu Generation nur mündlich überliefert. Es sei sehr schwierig gewesen, etwas darüber zu erfahren, die Mallorquiner seien sehr verschlossen und Kräuterbezeichnungen würden oft nur auf Mallorquín weitergegeben, seufzte Sinell 1931 in seinem Aufsatz „Hausmittel (remedios caseros) auf Mallorca”, den er in der Fachzeitschrift der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft publizierte.

Dennoch gelang es ihm, den Insulanern die Rezepte für eine Vielzahl an Hausmitteln zu entlocken. Manche scheinen geradezu mystisch umwölkt. So galten die Blüten der wilden Gladiole als Grundlage für einen wirksamen Hustentee, aber nur dann, wenn sie auch am zweiten Ostertag gepflückt wurden. Andere Arzneien wirken aus deutscher Sicht recht vertraut. Fast als Allheilmittel galt und gilt den Mallorquinern etwa die Zwiebel.

Wer im Frühling vier Wochen lang abends eine rohe Zwiebel isst, bekommt eine glatte Haut, erfuhr Sinell. „Zerquetscht auf die Brust gelegt, heilt sie Bronchitis”, notierte er weiter. Gegen Nervosität und Anspannung verzehrten die Mallorquiner eine rohe Zwiebel. Heute weiß man, dass dieser Volksglaube durchaus seine Berechtigung hat, denn das Lauchgewächs enthält verschiedene keim- und entzündungshemmende Wirkstoffe. Darauf vertraut man in Deutschland bei einer Erkältung auch heute noch und legt beispielsweise warme Zwiebelsäckchen auf schmerzende Ohren oder schluckt Zwiebelsirup gegen Husten.

Wegen ihrer vielseitigen Verwendbarkeit war auch die Malve ein äußerst beliebtes Heilmittel: Die Blätter setzten die Insulaner gegen Quetschwunden ein. „Die getrockneten Blüten geben einen vorzüglichen Tee gegen alle möglichen Leiden der Lunge und des Unterleibes, helfen bei Zahnschmerzen und sind ein ausgezeichnetes Gurgelwasser”, schreibt Sinell in seinem Aufsatz. Auch in Deutschland ist Malvenblütentee übrigens wegen seiner hustenstillenden Wirkung bekannt.

Ansonsten gilt: andere Länder, andere Heilkräuter. Ein Mallorquiner, der seine Verdauung auf Trab bringen wollte, trank einen Tee aus den Blättern des Erdbeerbaums oder verzehrte leicht gegorene Trauben. Gegen Erbrechen wurden zwei Orangen weich gekocht, durch ein Sieb gedrückt und mit 150 Millilitern Wasser vermischt getrunken.

Auch für nervöse Zipperlein hielt die Natur-Apotheke Mittel bereit, nämlich einen beruhigenden Tee aus Zitronenstrauch oder Orangenblüten.

Deutlich exotischer mutet die Wundbehandlung auf Großväterart an. So wurden Bananenblätter auf frische Verletzungen gelegt. Als bestes Heilmittel galt aber ein Schlangenöl. Dafür wurde ein Reptil lebend in eine Flasche mit Olivenöl gesteckt und dann ein paar Wochen in die Sonne gehängt.

„Viele der hiesigen Hausmittel beruhen auch auf Aberglauben”, ergänzt Rafel Perrelló aus Manacor, der sich seit Jahren mit den bäuerlichen Traditionen auf der Insel beschäftigt. Vor allem auf dem Land war der Glaube an magische Heilkräfte weit verbreitet. Bei Verbrennungen oder Insektenstichen etwa wurde der Speichel einer Person, die am Peter- und Paul-Tag (29. Juni) geboren wurde, aufgetragen. Diesem Speichel sagte man eine heilende Wirkung zu.

„Es gibt auch heute noch Heiler, die solche uralten Methoden praktizieren”, berichtet Perelló. Bei Schwellungen, Ischias-Problemen oder Depressionen setzen sie lieber auf die Kraft des Handauflegens statt Tabletten. Besonders schaurig mutet die Behandlung von Warzen oder Gerstenkörnern an. Dreimal mussten die Betroffenen eine Totenhand berühren, dadurch sollte die Krankheit in den Körper des Verschiedenen übergehen, eine Methode, die nun der Vergangenheit angehört.

Obwohl er die Kräutermedizin wegen ihrer geringeren Nebenwirkungen schätzt, greift Perelló selbst nicht darauf zurück. Doch viele Menschen vertrauen weiterhin auf die Heilkraft von anno dazumal. Auch wenn die meisten Hausmittel bislang nicht wissenschaftlich erforscht sind, gilt für sie die Maxime: Wer heilt, hat recht.

(aus MM 5/2020)

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