Wie uns die Mallorquiner sehen - Aus Anlass des 30. Jahrestages der Deutschen Einheit an diesem Samstag, 3. Oktober, hat MM fünf herausragende Vertreter der Inselgesellschaft nach ihrer Meinung gefragt.
Iago Negueruela, balearischer Tourismusminister: Der deutsche Tourismus ist von grundlegender Bedeutung für uns. Und das nicht nur, weil Deutschland unser wichtigster touristischer Markt ist. Die deutschen Urlauber, die nach Mallorca und auf die Nachbarinseln kommen, sind außerdem sehr respektvoll im Umgang mit der Umwelt, den Bräuchen und den Eigenarten des Archipels. Der deutsche Tourist hat sich auf den Balearen immer sehr wohl gefühlt. Ich würde mir wünschen, dass das auch wieder so sein wird, wenn es uns gelungen ist, die Covid-19-Pandemie zu überwinden. So wie die Balearen als Reiseziel fühlt sich auch der deutsche Reisende generell der Nachhaltigkeit verpflichtet und weiß all das zu schätzen, was ihm diese Inseln während seines Urlaubs zu bieten haben.
Juan Franch, Jura-Professor an der Balearen-Universität: Die Deutschen sind seit den 50er Jahren Teil des modernen und kosmopolitischen Mallorca – und das auf herausragende Weise. Sie haben sich in den touristischen Orten niedergelassen und später auch in den Dörfern im Inselinneren. Außerdem ist Deutschland ein wichtiger touristischer Markt für uns. Die deutschen Einwanderer sind längst genauso Mallorquiner wie wir. Die deutschen Urlauber wiederum vererben die Liebe zu unserer Insel an die folgenden Generationen weiter, sodass sich niemand ein Leben ohne den jährlichen Mallorca-Besuch vorstellen kann. Ob einer nun Ossi oder Wessi ist, spielt dabei wirklich keine Rolle mehr. Das unterscheidende Merkmal ist nur, ob sich einer hier integriert oder nicht. Dabei ist gar nicht so wichtig, ob jemand Mallorquín lernt. Die Restaurierung eines Dorfhauses, das Kennenlernen unserer Gastronomie und das Interesse für die Herausforderungen im sozialen Bereich sowie im Umweltschutz sind Ausdruck dieses deutschen Mallorquin-Seins, das ich für etwas sehr Positives halte.
Ramon Servalls, Bodegas Macià Batle: Die Deutschen sind längst ein fester Bestandteil der Insel. Diejenigen, die längere Zeit hier verbringen, haben sich schon geradezu mallorquinisiert. Sie nehmen unsere Sitten und Bräuche an. Für mich zeichnet die Deutschen auf Mallorca auch ihr großes Interesse an den Produkten und der Kultur der Insel aus. Nicht umsonst heißt es, dass wenn ein Deutscher ein altes Haus auf der Insel kauft, dann wird er es mit Respekt behandeln und instandhalten. Natürlich gibt es auch Leute, denen es altersbedingt schwerfällt, unsere Sprache zu lernen. Aber das ist doch ganz natürlich. Das würde uns ja nicht anders gehen, wenn wir in einem anderen Land leben würden. Ach, und all diese Vorurteile, dass die Deutschen Quadratköpfe seien – das sind doch nur Klischees. Es gibt genauso pedantische Deutsche wie Mallorquiner, genauso faule Deutsche wie fleißige Mallorquiner. Die Deutschen, die in unsere Bodega kommen, sind allesamt nette Leute mit großem Interesse am mallorquinischen Wein. Ich kann nur Gutes über die Deutschen sagen.
Margalida Ramis, Sprecherin der Umweltschutzgruppe Gob: Die Deutschen sind sehr sensibel, was Umweltthemen angeht. Weitaus mehr als viele Mallorquiner. Sie sind sehr aufmerksam und sehr interessiert an diesen Themen. Entsprechend eng ist unsere Zusammenarbeit auch immer gewesen mit deutschen Umweltschützern oder Hochschulen. Ich kann gar nicht sagen, wie viele Kooperationen es da schon gegeben hat. Das hat uns immer dabei geholfen, Debatten über den Umweltschutz dann auch hier auf der Insel zu führen. Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch den deutschen Massentouristen. Letztendlich sind wir halt eine deutsche touristische Kolonie. So werden wir gesehen, so sehen wir uns selbst. Problematisch ist auch der massive Kauf von Landgütern und Fincas. Dadurch ist ein großer Teil unseres Kulturerbes verloren gegangen. Einfach, weil die Deutschen eine höhere Kaufkraft haben. Das sind dann auch oft Leute, die kein Interesse an der Integration haben, sondern lediglich das Privileg nutzen wollen, hier einen Wohnsitz zu haben. Das trägt natürlich zur Schichtenbildung bei.
Tomeu Deyà, Unternehmer aus Sóller: Ich arbeite gerne mit Deutschen. Der Kontakt ist immer sehr angenehm. Die Deutschen sind sehr ernsthaft, manchmal vielleicht sogar etwas zu ernsthaft. Sie improvisieren nicht so viel wie wir. Natürlich kann Improvisationstalent auch eine Tugend sein. Aber das hängt vom Ergebnis ab. Wenn ich mir das Covid-Desaster in Spanien so ansehe und das mit Deutschland vergleiche, dann werde ich schon ein wenig neidisch. Es ist einfach so: Die Dinge funktionieren besser in Deutschland. Hier hat es an Disziplin gefehlt. Ich fand es auch richtig, dass die Bundesregierung während der Wirtschaftskrise einen eher strengen Kurs verfolgt hat. Irgendjemand musste sich in Europa dafür einsetzen, dass das Geld nicht einfach so verschwendet wird.
Mit den Befragten sprach Jonas Martiny.
Die Umfrage ist Teil des Themas der Woche im Mallorca Magazin. Lesen Sie den vollständigen Bericht in der aktuellen MM-Ausgabe (40/2020), erhältlich am Kiosk, auch in Deutschland, oder per E-Paper.
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