Wenn Charly Bosch mit seiner neuesten Erfindung auf Testfahrt im Tramuntana-Gebirge unterwegs ist, dreht sich jeder nach ihm um. „Die Leute halten meinen Batteryrunner für einen futuristischen Rennwagen. Dabei ist er genau das Gegenteil“, erklärt der 55-Jährige, der die Insel auch schon mit E-Autos im Oldtimer-Look der alten mallorquinischen Marke „Loryc” beglückt hat (siehe „Zur Person"-Infos am Ende des Textes). „Ich denke, die Elektromobilität ist die Zukunft unserer Gesellschaft, aber ich denke auch, dass die Autoindustrie derzeit den falschen Ansatz verfolgt.“
Denn bei den E-Supercars von großen, namhaften Herstellern geht es vor allem um Leistung. So haben einige der Superautos bis zu 1000 kW – also rund 1360 PS – unter der Haube. „Eine normale Batterie kann rund 100 kW/h leisten. Wenn ich also voll auf das Gaspedal trete“, überschlägt Bosch grob, „wären das rein rechnerisch ganze sechs Minuten Fahrspaß, dann ist die Batterie leer. Wer braucht so etwas? Und noch viel wichtiger: Wo kann man diese Leistung im Straßenverkehr überhaupt ausreizen?“
Mehr Sinn macht es da für den Tüftler, das derzeit größte Problem der E-Mobilität ins Fadenkreuz zu nehmen, die Reichweite. „Ich liebe die Natur“, schwärmt er, „und ich habe vor allem Freude an langen Ausfahrten. Für mich passen Natur und Hochgeschwindigkeit einfach nicht zusammen. Oder hast du schon einmal eine Ziege mit 200 Stundenkilometern durchs Tramuntana-Gebirge flitzen sehen? Wenn wir zu schnell unterwegs sind, haben wir gar keine Zeit, die Schönheit unserer Umgebung in uns aufzunehmen.“
Diese Liebe zur Natur und zum Minimalismus erkennt man an jeder Ecke und Kante des Batteryrunners. So verzichtet Bosch bei seinem E-Auto auf alle Extras, die ihn vom direkten Kontakt mit der Natur und der Straße ablenken könnten. Es gibt keine Türen, keine Servolenkung, keinen Bremskraftverstärker, kein Navigationssystem oder Radio. Nicht einmal eine Windschutzscheibe hat das Gefährt. „Ich mag eben den Fahrtwind im Gesicht“, zuckt Bosch grinsend mit den Schultern.
Nur weil man dem E-Auto seine Technologie nicht am Kühlergrill ansieht, ist sie dennoch zuhauf darin verbaut. Das nur 450 Kilogramm schwere Leichtfahrzeug besteht zum größten Teil aus Aluminium und hat zwei unabhängig voneinander arbeitende Antriebssysteme. Das heißt, es hat sowohl Vorderrad- als auch Hinterrad- oder Allradantrieb. Sollte eins der Systeme ausfallen, übernimmt das andere, ohne dass der Fahrspaß oder das Fahrverhalten beeinträchtigt werden. Als Kommandozentrale dient dabei das Lenkrad – oder in diesem Fall das Lenk-Achteck. Dort sind die einzigen zehn bedienbaren Knöpfe verbaut. „Ich kann jederzeit meine Tastatur ans Lenkrad anschließen und die von mir geschriebene Software umprogrammieren“, sagt Bosch, „denn die Weiterentwicklung solcher Fahrzeuge funktioniert schon lange nicht mehr mit dem Schraubenschlüssel.“
Die größte Batterie, die in den Batteryrunner eingebaut werden kann, ist frei von Kobalt und hat 160 kW/h. Bei einem Verbrauch von nur 14 kW/h auf 100 Kilometer ergibt das eine theoretische Reichweite von über 1000 Kilometern. Das wäre der Weltrekord. Und genau dieser soll im Januar in Zusammenarbeit mit dem TÜV Rheinland im Labor in Köln getestet werden. Zum Vergleich: Das Elektroauto mit der derzeit größten Reichweite ist der Tesla Model S mit bis zu 630 Kilometern. Nach den Tests kann Bosch für seinen Batteryrunner die EU-Typengenehmigung beantragen und dann theoretisch damit in Serienproduktion gehen.
„Ich glaube nicht, dass es einen großen Markt für mein Auto gibt. Vielleicht gibt es ein paar Verrückte wie mich, die einen haben wollen. Dann baue ich ihnen gerne einen. Ich hab aber etwas anderes in Zukunft damit vor.“ Was genau, will er nicht verraten. Nur so viel: „Naja, vielleicht immer in dieselbe Richtung fahren, bis ich wieder da ankomme, wo ich gestartet bin.“
Charly Bosch ist überzeugt von seinem innovativen E-Auto – und das, obwohl er auch Kritik für seinen Batteryrunner bekommen hat. Ob er denn die Karosserie nicht hätte eleganter machen können? Wie bei einem Ferrari zum Beispiel? Darauf antwortet der 55-Jährige meistens: „Heute sehen schon die meisten Nasen gleich aus. Warum muss das bei Autos auch so sein? Die Vielfalt macht das Leben doch erst aus. Er hat eben seine Ecken und Kanten und das ist gut so. Ich hätte die Reifen auch noch eckig gemacht. Aber ich habe keine gefunden.“
ZUR PERSON: CHARLY BOSCH
Seinen Lebensunterhalt bestreitet der 55-Jährige als Erfinder. Schon im Alter von 25 Jahren meldete der Schwabe ein erstes Patent im Bereich Maschinenbau an, viele weitere folgten. Bosch stammt aus der Region Bodensee, lebt aber schon seit 17 Jahren in Spanien. Vor acht Jahren siedelte er von Teneriffa nach Mallorca über und entdeckte hier die alte mallorquinische Automarke Loryc. Unter diesem Namen wurden in den Jahren 1920 bis 1925 auf der Insel Autos gebaut. Einige davon rollen heute noch, unter anderem ist Bosch Besitzer eines der Oldtimer. Er hat diesen zum Elektromobil umgebaut. Nachdem er seinen Loryc entdeckt hatte, befasste der Tüftler sich mit der Geschichte des Unternehmens, erwarb die Rechte daran und baut seitdem chromglänzende E-Autos, die vom Design her an die alten Lorycs angelehnt sind, in deren Innern aber ein moderner Elektromotor arbeitet. Boschs Ziel war, "die Marke wieder auf die Straße zu bringen". Und das ist gelungen. Inzwischen gibt es acht E-Lorycs.
(aus MM 42/2020)