Viele Leser kennen Hanna Christensen vom „Mallorca Fernsehen”, dem früheren deutschsprachigen Programm des mallorquinischen Senders „Canal 4 TV”. Dass sie aus Dänemark stammt, wissen nur wenige. Hanna Christensen spricht Deutsch wie eine Deutsche, Spanisch wie eine Spanierin und kennt Mallorca besser als viele Einheimische. Seit über 20 Jahren lebt die Skandinavierin auf der Insel. Wie nur wenige Residenten hat sie Zugang zur mallorquinischen Kultur gefunden. Diese hat sie den Deutschen in über 2000 Sendungen für das „Mallorca Fernsehen” nahegebracht, von Inseltraditionen bis zu aktuellen Ereignissen in Gesellschaft und Politik. Auch im Balearen-Sender IB3 wird ihre Expertise geschätzt. Seit Jahren ist die Wahlmallorquinerin dort regelmäßiger Gast in Talkshows, führt Interviews und gibt Kommentare.
Hanna Christensen ist hochgewachsen mit langen blonden Haaren, sie erzählt lebhaft, unterstreicht ihre Worte mit den Händen, lächelt viel. Man hört ihr gerne zu. Eigentlich wollte sie in Deutschland leben, beginnt sie. Die deutsche Mentalität liege ihr. „Alles ist durchdacht und gut organisiert.” In Kopenhagen hatte sie Tourismusökonomie und Außenhandel studiert. Durch einen Job im Event-Management kam sie Anfang der 1990er Jahre nach Rosenheim. Es gefiel ihr gut dort. „Ich war total imponiert von den Bayern, die im Winter mit kurzen Hosen herumlaufen”, erinnert sie sich und lacht. Nach einem Jahr lernte sie ihren zukünftigen Mann kennen, sie heirateten, die Tochter wurde geboren. „Er wollte in Dänemark leben, ich in Deutschland, so entschieden wir uns für einen neutralen Ort und zogen nach Mallorca.”
Inzwischen kann sie sich nicht mehr vorstellen, von der Insel wegzugehen. „Mallorca ist ein Fleckchen, wo man sehr gut leben kann, wenn man sich klar darüber ist, was einen hier erwartet – kulturell, sozial und ökonomisch.” Manche Residenten sagten, Mallorca sei toll, wenn nur die Mallorquiner nicht da wären. Sie dagegen schätze die Mallorquiner, gerade ihre Art miteinander umzugehen als Gruppe, sie dächten wahnsinnig kollektiv. Wenn man in der Gruppe sei, fühle man sich aufgehoben. Hineinzukommen sei nicht leicht. Auf die Frage, wie sie es geschafft habe, sich zu integrieren, meint sie: „Ich habe mich angepasst und von Anfang an mit Mallorquinern zusammengearbeitet.” Spanisch habe sie sofort gelernt, an ihrem Mallorquinisch arbeite sie noch. Dennoch sei klar: „Wir als Residenten sind für Mallorquiner keine Mallorquiner, auch wenn wir fließend Mallorquinisch sprechen.” Für sie sei das in Ordnung. Ohnehin fühle sie sich als kultureller Hybrid: „Die Mischungen sind die Besten.” Sie liebe die Vielfalt der Kulturen auf Mallorca. Leider werde das zu wenig ausgenutzt. Es gebe viele kleine Inseln auf der Insel. „Wir verpassen die Chance, uns gegenseitig zu bereichern in diesem Mini-Europa.”
Brücken zwischen den Kulturen zu bauen, ist der Journalistin wichtig. Unter anderem arbeitet sie an einem Buch mit dem Titel „Mallorca ungeschminkt”. Es richte sich an Deutsche, die ernsthaft vorhaben, auf die Insel zu ziehen, mit vielen Informationen über Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft. „Das Ziel ist es, beiden Seiten zu erleichtern sich anzupassen.”
Seit Jahren lehrt Hanna Christensen auch an der Ascenso Akademie für Business und Medien in Palma, und sie bietet Online-Kurse an. Dazu gehört ein Kurs für Mallorquiner: „Cómo captar y fidelizar al cliente alemán” („Wie kann ich deutsche Kunden erreichen und binden?”). Zwischen Touristen, Zweitwohnsitzlern und Residenten aus Deutschland gebe es große Unterschiede in Interessen, Bedürfnissen und Kaufkraft. Das wüssten viele Einheimische nicht, erläutert sie.
Den Lockdown im Frühjahr vergangenen Jahres nutzte Christensen für ein weiteres Projekt. „Liebesgrüße aus Mallorca” ist eine Sammlung von über zweihundert Videos und Reportagen im E-Book-Format. Einige Videos sind aktuell, andere wurden in den vergangenen Jahren produziert. Die Autorin lädt ein zu einer Reise durch Orte, Museen, touristische Highlights und die Inselküche. Und seit neuestem bietet sie etwa auf Facebook Fünf-Minuten-Podcasts über das Inselgeschehen an.
Nichtstun kennt Hanna Christensen nicht. Sie ist immer mit neuen Projekten beschäftigt. „Mein Kopf arbeitet immer”, meint sie. „Ich muss lernen, mich zu begrenzen.” Der Lockdown habe ihr beim Entschleunigen geholfen. Sie habe einen Gemüsegarten angelegt, der ihr große Freude bereite. Ansonsten schaue sie zum Entspannen gerne einen Film, gehe mit ihrem Hund am Meer spazieren oder fahre nach Palma. „Ein Café con leche in Palma löst viele Probleme.”