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So geht Slow Fashion auf Mallorca

Ein Kleid aus der Kollektion von Irene Peukes. Ihre Marke heißt „Pla”, wie die Inselebene. | privat

| Mallorca |

Ein Shopping-Tag in Palma gehört zum Urlaub auf Mallorca für viele dazu. Auch Residenten schlendern gerne durch die Inselhauptstadt mit ihrem katalanisch-arabischen Flair, den netten Straßencafés und schicken Modegeschäften. Bei dem üppigen Angebot kommt man leicht in Kauflaune. Ein neuer Pulli für den Herbst oder eine Jacke, warum eigentlich nicht? Neue Sachen haben buchstäblich etwas Anziehendes und sind sie auch noch günstig, greift man auch mal spontan zu. Später, beim Blick in den vollen Kleiderschrank, kommt dann das Seufzen. Aber Kleidung, die man nicht mehr anzieht, kann man ja für einen guten Zweck spenden.

So dachte Gema Gómez früher auch. Die Spanierin ist Designerin. Von klein auf habe sie Mode geliebt und mit Schnitten, Farben und Materialien experimentiert, erzählt sie. Sie habe sich auch ständig Klamotten gekauft und nie lange getragen. „Einige habe ich noch mit dem Preisschild dran in die Altkleidersammlung gegeben.” Mit 23 Jahren ging sie nach Paris, um bei den besten Modemachern zu lernen. Auf Reisen zu Textilfabriken in Afrika und Asien entdeckte sie eine andere Seite der Modeindustrie: „Kinderarbeit, verseuchte Flüsse durch Chemikalien aus den Textilfabriken und Menschen, die Fische aus diesen Flüssen aßen.” Da konnte sie nicht weiter mitmachen, entschied sie und setzt sich seitdem mit ihrer Initiative „Slow Fashion Next” für Nachhaltigkeit in der Modebranche ein und bildet junge Designer darin aus. „Das aktuelle Geschäftsmodell der Fast Fashion basiert auf unendlichem Wachstum, aber die Ressourcen unseres Planeten sind begrenzt. Wir müssen ein Modell schaffen, das sich innerhalb der Grenzen unseres Planeten bewegt.”

Die schnelle Mode hat ihren Ursprung in den 1980er Jahren. Man nannte es die Demokratisierung der Mode, erzählt die Designerin. Jeder sollte sich Mode leisten können. „Aber in Wirklichkeit ging es darum, profitable Unternehmen zu schaffen.” Früher brachten Designer zwei Kollektionen pro Jahr heraus. Fortan kamen in immer kürzeren Abständen Kollektionen zu günstigen Preisen auf den Markt, mittlerweile 20 pro Jahr. Die Auswirkungen auf Mensch und Natur wurden ignoriert. „Das System war zu lukrativ.” Dann stürzte 2013 in Bangladesh die Textilfabrik Rana Plaza ein, 1138 Menschen starben, 2000 wurden verletzt. Die Welt schrie auf und der Blick fiel auf die sozialen und Umweltkosten der Fast Fashion, die im Westen billig verkauft wird.

Eine Gegenbewegung formierte sich, die „Fashion Revolution”. Inzwischen seien sie in über 100 Ländern vertreten, sagt Luca Criscuolo. Er ist der Koordinator auf den Balearen. Mit Informationskampagnen kämpfen sie für eine Reform der Modeindustrie zur „Slow Fashion” mit Nachhaltigkeit, Transparenz und korrekten Arbeitsbedingungen. Luca Criscuolo selbst betreibt das Öko-Label „Etikology” zusammen mit der Designerin Nadège Seguin. Sie arbeiten nur mit Naturmaterialien aus kontrolliert ökologischem Anbau und produzieren auf Ibiza. In vielen Bereichen sei das Bewusstsein für Natur und Gesundheit gewachsen, meint Criscuolo, in der Ernährung, in der Kosmetik oder beim Transport, aber bei der Mode noch zu wenig.

Tatsächlich hat sich der Modekonsum seit 2000 verdoppelt, sagt Gema Gómez. „Gleichzeitig behalten wir Kleidung nur noch halb so lange. Heute wird jeder zweite Modeartikel innerhalb eines Jahres entsorgt.” Wenn wir unsere Altkleider spenden, entlasten wir unseren Kleiderschrank und tun Gutes, denken wir. Dabei wird nur ein kleiner Teil von den karikativen Organisationen weiterverwendet, etwa zehn Prozent. „Der größte Teil landet in Afrika, manchmal als Second-Hand-Kleidung, in den meisten Fällen aber als umweltbelastender Müll”, sagt Gómez. In Ghana existierten 100 Meter hohe Müllberge mit Kleidung aus Europa. Mit der Zeit würden sie zu einer giftigen Masse. „Über 60 Prozent aller Textilfasern stammen aus petrochemischen Produkten. Beim Abbau werden sie toxisch. Außerdem entstehen Treibhausgase, die zum Klimawandel beitragen.” Auch Baumwolle ist nur umweltfreundlich, wenn sie öko-zertifiziert ist. „Bei konventionellem Anbau dagegen werden extrem viele Pestizide eingesetzt und zur Herstellung eines einzigen T-Shirts 2700 Liter Wasser benötigt.” Damit habe ein Mensch genug Trinkwasser für zweieinhalb Jahre.

In letzter Zeit bringen auch die großen Fast-Fashion-Häuser nachhaltige Mode heraus. „Kleine Gesten mit großer Außenwirkung, Greenwashing”, findet Luca Criscuolo. Gema Gómez stimmt zu. Man könne sich nicht darauf verlassen, dass so viel Bio-Baumwolle verwendet werde wie angegeben. Aber es gehe gar nicht um einzelne nachhaltige Kollektionen. „Das ganze Geschäftsmodell, das auf jährlichen Wachstumsraten von 50 Prozent beruht, ist nicht nachhaltig.”

Slow Fashion sei nur für Reiche, heiße es oft. „Wenn Sie gerne zehn Shirts pro Monat kaufen, ist das nichts für Sie”, entgegnet die Designerin. Aber genau darum gehe es. „Wir müssen unsere Kaufwut in Frage stellen.” Slow Fashion sei ein Lebensstil, der auf wertschätzen und entschleunigen beruhe. Dazu ein paar Tipps: „Gehen Sie nicht in Geschäfte nur um zu schauen, was es so gibt. Sie werden weich werden und kaufen. Misten Sie Ihren Schrank aus und stellen Sie bewusst ein paar Outfits zusammen, die Ihnen richtig gut stehen. Diese Outfits variieren Sie dann. Und nur, wenn wirklich ein Teil fehlt, gehen Sie in die Stadt zum Kaufen. Und entschleunigen Sie, verbringen Sie mehr Zeit in der Natur.” Wer bewusst lebe, sich selbst und die Natur schätze, suche automatisch Qualität statt Quantität.

Mode in Zahlen

Welche Auswirkungen der übermäßige Konsum von Modeartikeln hat, geht aus Daten des Umweltprogramms der Vereinten Nationen sowie der Asociación Ibérica de Reciclaje Téxtil hervor. Demnach sind etwa zwei Drittel unserer Kleidung aus Synthetik hergestellt. Durch das Waschen von synthetischen Textilien gelangen jährlich schätzungsweise 0,5 Millionen Tonnen Mikrofasern in die Ozeane, das entspricht 50 Milliarden Plastikflaschen.

Konventionelle Baumwolle verbraucht etwa 11.000 Liter Wasser pro Kilogramm. Damit kann man vier T-Shirts anfertigen. Bio-Baumwolle braucht bis zu 40 Prozent weniger Wasser im Anbau. Baumwolle wächst auf weniger als drei Prozent der landwirtschaftlichen Fläche, aber beim Anbau werden 25 Prozent der Pestizide weltweit eingesetzt.

Das Färben und Veredeln von Textilien verursacht schätzungsweise 20 Prozent der weltweiten Wasserverschmutzung. Die Textilindustrie erzeugt acht bis zehn Prozent der weltweiten CO2-Emissionen, das ist mehr als Schifffahrt und Flugverkehr zusammen. Jeder zweite Modeartikel wird innerhalb eines Jahres entsorgt. In Spanien enden jedes Jahr 900.000 Tonnen Altkleidung auf einer Müllhalde.

Karikative Organisationen verwerten weniger als zehn Prozent der gespendeten Altkleider. Der größte Teil landet in Afrika, manchmal als Second-Hand-Kleidung, in den meisten Fällen aber als umweltbelastender Müll. In Ghana existieren Deponien mit mehr als 100 Meter hohen Bergen von Altkleidern, die aus Europa importiert wurden.

(aus MM 44/2021)

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